260.   ©Großvater auf den Mund geschaut:

 

Heute wohlgemut zu meinem Briefkasten gewandert. Ja, die Post rationalisiert. Spart Personal ein. Auch Briefboten. So wurden wir drei abgelegenen Häuser die in dieser herrlichsten Voralpinen-Gegend stehen, die in jedem Hirn, bereits daran denkend Kopfbilderbücher öffnet und zum Verweilen, nicht zum Blättern einlädt, wurden als Einheit zusammengelegt, einem Sammelkasten zugeteilt. Proteste, selbst durch einen Bundesparlamentarier halfen nichts und so habe ich mich in den täglichen Fußmarsch über Stock und Stein zu fügen, was meine Krankenkasse mit einem 0,5% Bonus der Prämie honoriert, wenn ich den Nachweis dieser Zwangswanderungen erbringen könne. Und der habe amtlich zu erfolgen. Ordentlich zertifiziert. Mit Stempel und Unterschrift. Und diesen Nachweis habe ich angefordert. Per Einschreiben. Denn schließlich und schlussendlich weiß ich nicht wie die Mühlen der Postver-waltung mahlen. Wer dort als Unterschriftenmaler zuständig ist. Heute ist ein Schneesturm angesagt. Werde also kaum einer Menschenseele begegnen. Möglicherweise einem gestiefelten Kater in Schneeleopardenanzug. So rufe ich mir auf dem Weg regelmäßig all die Märchen und ihre Schrecken in Erinnerung die mir einst mein Großvater so vollmundig erzählte. Erzählte, wobei ich versuchte seine Lippenbewegungen jeweils dabei zu beobachten, was seines weißen wallenden Bartes wegen eine kaum zu lösende Aufgabe darstellte. Und heute passt diese Erinnerung beinahe magisch zum Wetterbild, denn auch der eisige Schneewind hat dicke, wulstige Lippen durch die er die Schneekristalle zum Tanzen bringt. Sie setzen sich geschickt auf meine Lippen und den Schnurrbart den ich so akribisch täglich pflege und korrigiere. Er ist sozusagen mein Markenzeichen als Beinahe-Ehre mit mit seiner weltweiten Fange-meinde die an diesen meinen echten und nicht virtuellen Lippen hängt. Versuche einen Sinn aus dem was meine halb eingefrorenen Mundwerkzeuge wiedergeben herauszudestillieren. Die letzten hundert Meter zum Kasten sind die anstrengendsten, denn der Treibschnee häuft sich hier Windgemacht dort hoch, sodass ich bis zu meinen ohnehin schmerzenden Knie einsinke. Endlich erreiche ich ihn, den Sammelkasten. Die Klappe ist vereist. Keine Spur des Motorschlittens mehr zu erblicken den der Postbote hinterlassen haben muss. War er überhaupt hier? Keine Post heute? Gang und Mühe um Gottes Lohn? Auch so ein Wort das mein Großvater jeweils in den Mund nahm. Täglich in seinen Mund nahm. Seine geistige Nahrung bildete. Neben den Märchen die er auftischte. So realistisch, dass ich jetzt in der Ferne den gestiefelten Kater in seinem Leopardenanzug zu sehen glaube, der immer näher kommt. Ich kann jetzt seine schwarzen Stiefel erblicken. Die Riesenabdrücke die sie im Treibschnee hinter-lassen. Beginne mich zu ängstigen. Die Briefkastenklappe will sich nicht öffnen lassen. Nehme mein Feuerzeug, gut dass ich es eingepackt habe, aus der dicken Parka Tasche. Dazu den Kerzenstummel den ich stets mit mir führe. Der Wind widersetzt sich meinen Entzündungsversuchen. Da gehe ich mit dem Feuerzeug direkt zu Wege. Taue das Klappenscharnier langsam auf. Stets mit einem Blick zurück in meines Großvaters Märchen und dem gestiefelten Kater der jetzt gegen seinen Feind den Sturmwind ankämpft. Und da! Die Klappe löst sich. Nur ein Brief zu sehen. Vom Amt! Heureka! Die Bestätigung, jubelt mein Inneres voller Freude. Aber, das kann nicht sein. Der Absender ist das Amtsgericht. Die stellen doch keine Bestätigungen aus. Reiße den Umschlag mit den vereisten Fingern auf. Da steht schwarz auf weiß: Sie werden zur lebenslangen Mundung verurteilt. Ab heute haben sie sich nur noch ge-mundet im Haus und außer Haus zu bewegen. Zugemundet. Mit Mundschutz. Um Ihren Worten den Ausgang zu versperren. Sollten Sie gegen das Urteil verstoßen, wird ihnen der Bonus bei der Krankenkassenprämie rückwirkend gestrichen. Ich setze mich ob des Desasters das mich trifft in den Schnee, ergebe mich dem gestiefelten Kater der jetzt leibhaftig vor mir steht. Bitte ihn mich mit seinen über wulstigen Lippen, ja, auch er trägt einen gepflegten Schnurrbart ohne Mundschutz, mich rasch und schmerzfrei, ich verwechsle dabei die von Großvater erzählten Märchen, bringe vor Kälte und der Sehnsucht nach Wärme alles durcheinander, mich mit Haut und Haar zu verschlingen. Hauptsache, so bemerken meine vereinten Hirnsynapsen lauthals, so kann ich dem Leopardenkater auch gemundet eine kleine Freude bereiten, dadurch dass ich ihm bestens munde …

 

 

 

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260.  ©Grandfather looking at the mouth:

 

Hiked to my mailbox today in a good mood. Yes, the post is rationalizing. Saves staff. Postman too. So we three remote houses that are in this most beautiful area of the foothills of the Alps, which in every mind, already thinking about it, opens picture books and invites you to linger, not to leaf through, were combined as a unit, assigned to a collection box. Protests, even by a member of the Federal Parliament, didn't help and so I had to put up with the daily walk over hill and dale, which my health insurance company rewarded with a 0.5% bonus on the premium if I could provide proof of these forced hikes. And that has to be done officially. Properly certified. With stamp and sign. And I requested this proof. By registered mail. After all, I don't know how the mills of the postal administration grind. Who is responsible for signing signatures there. A snow storm is forecast today. So will hardly meet a soul. Possibly Puss in Boots in a snow leopard suit. So on the way I regularly recall all the fairy tales and their horrors that my grandfather once told me so full-bodied. Told, while I tried to watch his lip movements, which was a task that was almost impossible to solve because of his flowing white beard. And today this memory fits almost magically with the weather picture, because the icy snow wind also has thick, bulging lips through which it makes the snow crystals dance. They sit skillfully on my lips and mustache, which I so meticulously care for and correct every day. He is, so to speak, my trademark as a near-honor with his worldwide fan base that hangs on my real and not virtual lips. Trying to make sense of what my half-frozen mouthparts are rendering. The last hundred meters to the crate are the most strenuous, because the windblown snow piles up here, causing me to sink in up to my already aching knees. I finally reach it, the collection box. The flap is frozen. There is no longer a trace of the snowmobile that the postman must have left behind. Was he even here? No mail today? Walk and toil for God's reward? Also a word that my grandfather always put in his mouth. Put in his mouth daily. His spiritual nourishment made. Besides the fairy tales he dished up. So realistic that I now think I can see Puss in Boots in his leopard suit in the distance, getting closer and closer. I can see his black boots now. The giant footprints they leave behind in the drift snow. start to scare me The mailbox flap will not open. Take my lighter, good thing I packed it, from the thick parka pocket. In addition, the stub of a candle that I always carry with me. The wind resists my attempts at ignition. I go straight to it with the lighter. Slowly unthaw the flap hinge. Always with a look back in my grandfather's fairy tale and Puss in Boots now fighting his enemy the storm wind. And since! The flap comes off. Only one letter to see. From the office! Eureka! The confirmation, my heart rejoices with joy. But, that can't be. The sender is the district court. They don't issue confirmations. Tear open the envelope with your frozen fingers. It says in black and white: You are sentenced to life imprisonment. As of today, they have only managed to move around in and out of the house. Approved. With mouthguard. To block the exit of your words. If you violate the ruling, your health insurance premium bonus will be canceled retrospectively. I sit down in the snow because of the disaster that hits me, surrender to Puss in Boots who is now standing in front of me in person. He begs me with his bulging lips, yes, he also wears a neat mustache without a face mask, me quickly and painlessly, I mix up the fairy tales told by grandfather, mix everything up with the cold and the longing for warmth, me skin and hair to devour. The main thing, as my combined brain synapses notice loudly, is that I can give the leopard tomcat a little pleasure by tasting it well...