229.   ©Der Heuhaufen

 

Wenn ich so recht überlege: es ist noch nicht an der Zeit, so sprach sie, und warf die Nadel in den Heuhaufen zurück. Arm in Arm gingen die beiden Frauen ins Haus zurück. Die Scheune hinter ihnen brannte lichterloh. Maria wählte mit zittrigen Fingern die Nummer der Feuerwehr. Minuten später standen die Löschwagen im gespenstiges Licht der Nacht. Der Morgen war neblig u. kalt, als die Feuerwehrleute zwischen den verkohlten Balken seine Leiche fanden. Irritiert blickten sie zu den Frauen, Maria zog an ihrer Zigarette, der Kaffee dampfte. Er hat sich erhängt. Und ein Erhängter zündet eine Scheune an? Der Kommissar blickte die beiden Frauen zweifelnd an. Nein, wir haben sie angezündet. Erik Bonges war verblüfft. Wie konnten sie das so einfach zugeben? Aber die Versicherung wird Ihnen keinen Cent zahlen. Das stimmt. Sarah lächelte, aber wir brauchen das Geld auch nicht. Kaffee, Herr Kommissar? Lächelnd goss Maria ihm nach. Es war seine Scheune, wir fanden es nur so, so stilgerecht. Maria suchte nach Worten, ja, so stilgerecht, wenn sie mit ihm verschwinden würde aus unserem Leben. Bonges schluckte und fragte sich, ob er diese besondere Art von Humor nun verstehen müsse oder nicht. Ganz deutlich zeichnete sich der Bauch von Maria durch das dünne Kleid ab. Sie war etwa im sechsten Monat. Ist es von ihm? Sarah lächelte: Das lieber Herr Bonges, ist der Erbe des Hofes. Erik Bonges saß an seinem Schreibtisch, aber der Bericht wollte ihm nicht so recht durch die Finger. Es war zweifelsfrei erwiesen, dass sich Andres Baal erhängt hatte. Seinen Abschiedsbrief hatte er drei Tage zuvor bei einem Notar in der Stadt hinterlegt, persönlich war er erschienen, hatte in Eile einen verschlossenen Umschlag übergeben. Er hatte genau beschrieben, wie er vorzugehen gedachte, sie hatten den Haken im verkohlten Deckenbalken gefunden und die Drahtschlinge um seinen Hals. Testamentarisch hatte er Sarah und Maria zu Verwalterinnen des Hofes bestimmt, bis das ungeborene Kind sein Erbe antreten könne. Er hatte ihnen lebenslanges Wohnrecht garantiert, beiden: seiner Frau Sarah u. Maria, seiner Geliebten. Andres war gesund, völlig gesund und sein Vermögen war beträchtlich. Geliebte u. Ehefrau lebten in offensichtlicher Übereinstimmung. Doch was war in der Scheune wirklich geschehen? Feuer, warum Feuer? Ohne Fragen zu stellen, bezahlten die beiden Frauen die beträchtliche Rechnung der Feuerwehr. Drei Tage später riefen sie Salomon von der Abrissfirma an, es dauerte keine 14 Tage, da waren die letzten Spuren verschwunden. In der Stadt schloss Erik Bonges die Akte Baal, nicht ohne den gewissen letzten Zweifel warf er die Akte seinem Assistenten über den Tisch: Fürs Archiv. Missmutig riss er seine Jacke vom Haken. Ich geh Kaffee trinken. Nach seiner Rückkehr ins Büro blickte er erstaunt in das gerötete Gesicht seines jungen, hoffnungsvollen Assistenten: Hermle, was ist los, sie glühen wie ein verliebter Teenager? Es gibt noch eine Akte Baal. Wie bitte? Andres Baal war vor acht Jahren zu Bewährung verurteilt worden, weil er eine gewisse Sarah Gendes vergewaltigt hatte. Die ursprüngliche Haftstrafe war zur Bewährung ausgesetzt worden, als sich herausstellte, dass Sarah selbst, die ihn noch kurz vor der Urteilsverkündung in aller Stille gehei-ratet hatte, bei Gericht darum gebeten hatte. Sarah Baal geborene Gendes, war damals im dritten Monat schwanger. Das Mädchen lief im entgegen, als er den Hof betrat. Ihre fatale Ähnlichkeit mit dem Foto ihres Vaters war er-schreckend. Er sprach sie an, sie lächelte mit großen Augen, schweigend. Doch warum war dieses Kind nirgendwo erwähnt? Nicht im Testament, nicht im Polizeibericht. So, als habe es bisher nicht existiert, als sei es durch die Ereignisse geradezu auferstanden. Sie schien nicht im Geringsten erschüttert, weder über den Tod noch wegen des Brandes. Die beiden Frauen wirkten müde. Der Hof war für die beiden allein wohl doch zu viel. Maria bemerkte den zweifelnden Blick von Erik Bonges Nächste Woche bekommen wir Hilfe, das Großvieh wird abgeschafft. Das Dorf will einen Kindergarten einrichten. Hier bei uns. Das Kind scheint nicht bemerkt zu haben, was geschehen ist. Caro-line? Caroline fährt ja morgen ins Internat zurück. Caroline Baal war nicht einfach nur sprachlos gewesen. Caroline konnte nicht sprechen. Sie sprach nicht mehr seit genau einem halben Jahr. Carolin hatte sich bei Spielen in der Scheune versteckt, seit Maria auf dem Hof war, war es nicht mehr ganz so einsam. Maria half Sarah in allem, küm-merte sich um die Kleine, wenn sie auf den Großmarkt fuhr. So wie an diesem Donnerstag. Andres Baal kam von der Koppel. Er war schlecht gelaunt. Fuhr die beiden an. Maria widersprach, wurde lauter. Carolin blieb atemlos in ihrem Versteck im Heu sitzen. Sie schloss die Augen, wollte nicht sehen, was sich wenige Meter vor ihr abspielte. Sie hörte die Schläge, hörte Marias Schreie, ihre Kleider reißen. Ein scharfer, hässlicher Ton. Er klang in ihren Ohren und verschloss ihr den Mund. Noch am selben Tag zog Andres Baal aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Sarah war aus der Stadt zurück. Wortlos warf sie nur seine Sachen in die Scheune. Zwei Monate später war die Schwanger-schaft von Maria eine Tatsache. Schweigend saßen die Frauen im Haus. Sanft schob Sarah die sprachlose Caroline ins Bett. Die Streichhölzer räumte sie beiseite, für das Kind unerreichbar, die Idee blieb. Maria nahm den Kugel-schreiber, übte sich zum hundertsten Male an der Handschrift von Andres. Im September, wenn das Obst von den Bäumen war, würden sie zu Ende denken, ein Brett lockern und Andres bitten, die Haken für den Heuaufzug zu erneuern und die Drähte für die Winde neu zu spannen Er würde es tun, weil er meinte, man würde ihm endlich verzeihen, ihn wieder aufnehmen auf seinen eigenen Hof. Er würde in die Stadt gefahren sein um die Papiere abzugeben, selbst abzugeben, da Maria gerade keine Zeit haben würde. Erik Bonges trat durch das Hoftor ins Freie. Welchen Sinn sollte all das haben. Andres Baal hatte sich selbst gerichtet. Niemand, der die ganze Geschichte kannte, würde je daran zweifeln wollen. Er wusste, das es nicht so war. Aber er würde es niemals beweisen können. Der Heuhaufen war verbrannt, um die Nadel war es nicht schade.

 

 

 

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229.  ©The Haystack

 

When I think about it, it's not time yet, she said, throwing the needle back into the haystack. Arm in arm, the two women walked back into the house. The barn behind them was ablaze. With shaky fingers, Maria dialed the number for the fire department. Minutes later the fire engines were standing in the ghostly light of the night. The morning was foggy and cold when firefighters found his body among the charred logs. Irritated, they looked at the women, Maria drew on her cigarette, the coffee was steaming. He hanged himself. And a hanged man burns a barn? The inspector looked at the two women doubtfully. No, we lit them. Erik Bonges was amazed. How could they admit that so easily? But the insurance company won't pay you a penny. That's correct. Sarah smiled, but we don't need the money either. Coffee, sir? Smiling, Maria poured it after him. It was his barn, we just thought it was so, so stylish. Maria searched for words, yes, so in style, if she were going to disappear from our lives with him. Bonges swallowed, wondering if he had to understand this particular brand of humor or not. Maria's stomach was clearly visible through the thin dress. She was about six months old. Is it from him? Sarah smiled: That dear Herr Bonges, is the heir to the farm. Erik Bonges sat at his desk, but the report didn't quite slip through his fingers. It was proven beyond a doubt that Andres Baal had hanged himself. He had deposited his farewell letter with a notary in the city three days earlier. He had come in person and handed over a sealed envelope in a hurry. He had described exactly how he intended to proceed, they had found the hook in the charred ceiling beam and the wire noose around his neck. In his will, he appointed Sarah and Maria to be administrators of the court until the unborn child could inherit. He had guaranteed them lifelong residency rights, both: his wife Sarah and Maria, his mistress. Andres was healthy, perfectly healthy, and his fortune was considerable. Lover & wife lived in apparent harmony. But what had really happened in the barn? Fire, why fire? Without asking questions, the two women paid the fire department's sizeable bill. Three days later they called Salomon from the demolition company, it took less than 14 days and the last traces were gone. In the city, Erik Bonges closed the Baal file, not without a certain last doubt he threw the file over his assistant's desk: For the archive. Sullenly, he tore his jacket off the hook. I'm going for coffee. Upon returning to the office, he stared in astonishment at the flushed face of his young, hopeful assistant: Hermle, what's the matter, you're glowing like a teenager in love? There is another file of Baal. I'm sorry, what? Andres Baal was sentenced to probation eight years ago for raping a certain Sarah Gendes. The original prison sentence was suspended when it emerged that Sarah herself, who had quietly married him just before the sentencing, had asked the court to do so. Sarah Baal, née Gendes, was three months pregnant at the time. The girl ran towards him as he entered the yard. Her fatal resemblance to her father's photograph was startling. He spoke to her, she smiled wide-eyed, silent. But why was this child not mentioned anywhere? Not in the will, not in the police report. As if it hadn't existed before, as if it had been resurrected by events. She didn't seem the least bit shaken, either by the death or by the fire. The two women looked tired. The farm was probably too much for the two of them alone. Maria noticed Erik Bonges' doubtful look Next week we will get help, the cattle will be abolished. The village wants to set up a kindergarten. Here with us. The child does not seem to have noticed what happened. Caroline? Caroline is going back to boarding school tomorrow. Caroline Baal wasn't just speechless. Caroline couldn't speak. She hasn't spoken for exactly half a year. Carolin used to hide in the barn when she was playing, it wasn't quite so lonely anymore since Maria had been on the farm. Maria helped Sarah with everything, looked after the little one when she went to the wholesale market. Like this Thursday. Andres Baal came out of the paddock. He was in a bad mood. snapped at the two. Maria disagreed, got louder. Carolin sat breathless in her hiding place in the hay. She closed her eyes, not wanting to see what was happening a few meters in front of her. She heard the beatings, heard Maria's screams, her clothes tearing. A sharp, ugly sound. It rang in her ears and closed her mouth. On the same day, Andres Baal moved out of the shared bedroom. Sarah was back from town. Without a word, she just threw his things into the barn. Two months later, Maria's pregnancy was a fact. The women sat in silence in the house. Sarah gently pushed the speechless Caroline into bed. She put the matches away, out of the child's reach, but the idea stayed. Maria took the pen and practiced Andres' handwriting for the hundredth time. In September, when the fruit was off the trees, they would think through, loosen a plank, and ask Andres to replace the hooks for the hay lift and re-tighten the wires for the winch. He would do it because he thought man would finally forgive him and take him back to his own farm. He would have driven into town to hand in the papers, to hand them in himself, since Maria wouldn't have time right now. Erik Bonges went outside through the courtyard gate. What was the point of all this. Andres Baal had judged himself. No one who knew the whole story would ever want to doubt that. He knew it wasn't like that. But he would never be able to prove it. The haystack had burned up, it wasn't a pity about the needle.