224.   ©Abgelaufen ...

 

Als der Wecker wie jeden Morgen um 6.30 klingelte, drehte Jackie sich stöhnend um und verpasste ihm eine mit der flachen Hand. Und dann noch eine und noch eine, bis er das Klingeln endlich aufgab. Eine Minute nach 7:00 Uhr dämmerte ihr dann im Halbschlaf, dass es Zeit zum Aufstehen war, und zwar sofort, wenn sie nicht die ersten beiden Schulstunden verpassen wollte. Erschrocken fuhr sie hoch, schlüpfte in Jeans, T-Shirt u. Schuhe, schnappte sich ihre Schultasche und rannte los. Fürs Kämmen war keine Zeit mehr, nicht mal mehr für einen Blick in den Spiegel. Zum Glück schliefen ihre Eltern noch, da sie beide Spätschicht arbeiteten. Die Standpauke über Wer lange feiern kann, der kann auch früh aufstehen blieb ihr so wenigstens erspart. Sie erreichte die Bushaltestelle eine Minute vor der normalen Abfahrtszeit und blieb aufatmend stehen. Jetzt fiel ihr ein, dass sie ihr Handy vergessen hatte, das sie zum Laden angeschlossen und auf ihrem Schreibtisch hatte liegenlassen. Egal, dann musste es eben ohne gehen. Kaum hatte sie diesen Gedanken abgehakt, bemerkte sie, dass keine anderen Schüler wie sonst immer an der Bushalte-stelle standen. Sie hatte aber kaum Zeit, sich darüber zu wundern, denn der Bus hielt schon eine Minute später mit quietschenden Reifen vor ihr. Sie stieg ein und hielt dem Busfahrer ihr Monatsticket unter die Nase, doch als sie wie immer weiter gehen wollte, hielt der Busfahrer sie heute zurück. Ihr Ticket ist abgelaufen. Abgelaufen? Jackie sah abwechselnd ihr Ticket u. den Busfahrer an. Aber sowas von abgelaufen, sagte der Busfahrer. Stimmt doch gar nicht, das gilt noch bis zum 30.03. Gucken Sie mal auf das Jahr, gute Frau! Der Busfahrer schien sie für ein wenig zurück-geblieben zu halten. Und wer nannte eine 17-jährige eine gute Frau? Wo ist das Problem? 2018. Steht doch da. Der Busfahrer sah sie milde tadelnd an. Richtig, damit ist es eine Rarität. 20 Jahre alt. Ach, setzen Sie sich hin, ich muss weiter, ich habe keine Zeit zum Diskutieren. Jackie ging verwirrt weiter und setzte sich auf einen freien Platz ans Fenster. Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild im Fenster. Sie sah es an, dann sah sie nochmal genauer hin. Dann rieb sie sich Ihre Augen und zwickte sich in den Arm. Es nutzte alles nichts, das Spiegelbild im Fenster zeigte ihr nicht das 17-jährige Mädchen, das sie gestern noch gewesen war, sondern eine Frau im Alter von ca. Mitte 35, nur die schwarze Haarfarbe, die Haarlänge bis zur Schulter und die braunen Augen stimmten noch mit dem Spiegelbild in ihrem Zimmer von gestern Abend überein. Das war sicher ein Traum, das konnte ja einfach nur ein Traum sein! Wie konnte sie über Nacht denn 20 Jahre älter geworden sein? Der Bus war normalerweise gut gefüllt um die morgendliche Uhrzeit, aber heute fuhren nur wenige Leute mit, und Jackie kannte keinen von ihnen, auch nicht vom Sehen. An der vierten Haltestelle stieg sie aus und wollte ihren gewohnten Weg zum Wilhelm-Tell-Gymnasium einschlagen. Doch der Weg sah ganz anders aus als gestern. Er war mit anderen Steinen gepflastert u. führte auch nicht mehr geradeaus, sondern schlängelte sich in eine Seitenstraße. Auch der Wegweiser Wilhelm Tell-Gymnasium, mit dem Pfeil in die richtige Richtung stand nicht mehr da?, was ihr nach einigen Minuten auffiel. Was sollte das alles? War der Busfahrer falsch gefahren und sie hatte es, als sie ihr Spiegelbild betrachtete, vor lauter Entsetzen nicht bemerkt? War sie im Bus eingeschlafen? Denn das Spiegelbild konnte ja nur ein Traum gewesen sein. Ihr fiel etwas ein. Sie kramte ihr Portemonnaie aus der Schultasche, zog ihren Personalausweis heraus und stieß einen überraschten Laut aus, als sie ihr Bild sah. Denn das zeigte eindeutig eine erwachsene Frau von mindestens 37-Jahren, und zwar genau die Frau, die sie ja auch in der spiegelnden Fensterscheibe des Busses gesehen hatte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Alle anderen Angaben auf dem Personalausweis waren exakt so, wie sie sein sollten, Name: Jacqueline Braumeister Geburtsdatum: 28.02.2001 Anschrift: Sidella Straße 22, St. Isann, Augen-farbe: braun, Größe: 168 cm, Jackie drehte den Personalausweis hin und her, aber das Bild der ca. 37-jährigen änderte sich nicht. Wieso musste ihr ausgerechnet jetzt das Märchen von Dornröschen einfallen? Das war doch lächerlich!? Sie beschloss, sich zunächst einmal auf den Weg zur Schule zu machen, doch dieser Entschluss stellte sie vor ein neues Problem: Wo war jetzt die Schule? Für gewöhnlich kam man von der Bushaltestelle zum Gymnasium, wenn man einfach nur geradeaus ging, doch der schnurgerade Weg existierte nicht mehr. Die Schule konnte ja wohl kaum über Nacht verschwinden. Allerdings hätte sie auch nicht geglaubt, dass sie Übernacht 20 Jahre älter werden könnte und doch war es passiert...

*             *             *               *               *              *               *               *               *              *              *

Samstag der Vierzehnte ist der Lieblingstag der Paraskavedekatriaphobiker. Also aller derjenigen Leute, die sich vor Freitag dem Dreizehnten fürchten. Am Tag danach freuen sie sich entweder darüber, dass doch nichts passiert ist, oder aber darüber, dass sie mit ihren Unkenrufen richtig lagen. Letzteres trifft zum Glück nur sehr selten zu. Für die extrem abergläubische Paula jedoch war Samstag, der 14. Februar 2015, der traurigste Tag ihres bisherigen Lebens. Der erste Valentinstag mit ihrem Freund Ben hätte es werden sollen, und tags zuvor, eben am gefürchteten Freitag dem Dreizehnten, hatte er mit ihr Schluss gemacht! Ich kann deine Spinnerei nicht mehr ertragen! Heulend ver-brachte sie das Wochenende und hätte sich am Montag am liebsten krankschreiben lassen. Da sie jedoch pflicht be-

wusst war und zudem hoffte, sich durch die Arbeit ablenken zu können, ging sie wie üblich ins Büro. Der nächste Freitag der Dreizehnte des Jahres 2015 kam schon einen Monat später. In einer anderen Abteilung der Firma hatte an diesem Tag hier jemand Geburtstag. Der Ärmste!, dachte noch Paula, was für ein Unglücksjahr wird ihm bevor-stehen! Sie war froh, dass sie mit jener Abteilung gar nichts zu tun hatte und dem Kollegen nicht gratulieren musste. Wieder einmal verlebte sie nun ein langweiliges, einsames Wochenende. Am Sonntag klingelte ihr Handy. Immer noch hegte sie die unvernünftige Hoffnung, Ben würde sich wieder melden. Aber es war ihre Freundin Mara, eine der wenigen Personen, die von ihrem Kummer wussten. Schade, dass du noch immer nicht wieder unter die Leute willst. Vorgestern waren mein Freund und ich auf der Geburtstagsfeier von Tom Jäger, meinem Cousin. Kennst du ihn? Er arbeitet in derselben Firma wie du. Ja, ich weiß, aber ich kenne ihn nur vom Sehen. Wäre der nicht was für dich? Er ist Single! Paula schluckte. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre, Mara. Er ist an einem Dreizehn-ten geboren. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Tom hat im Leben nur Glück gehabt. Das mit der Dreizehn ist absoluter Quatsch! Lies mal im Internet, wo dieser Aberglaube herkommt, und spring dann über deinen Schatten! Am Freitag, dem 13. November 2015, ging Ben spätnachmittags an einem Café vorbei. Als er zufällig durchs Fenster sah, traute er nun seinen Augen nicht. Paula, die früher an einem solchen angeblichen Unglückstag nur das Notwen-digste immer erledigt hatte, und schnurstracks von der Firma nach Hause gegangen war, saß lachend mit zwei anderen jungen Frauen an einem Tisch. Abends rief er sie an. Er hatte damit gerechnet, dass sie das Gespräch wohl nicht annehmen würde, aber sie tat es doch. Allerdings mit äußerst kühler Stimme. Paula, ich habe mich so gefreut, als ich dich heute so fröhlich im Café sah. Obwohl Freitag der Dreizehnte ist. Na und? Ich habe mich von dem Aberglauben befreit. Es tut mir leid, dass ich damals Schluss gemacht habe. Können wir nicht noch einmal? Zu spät! Es gibt einen anderen! Weg war das Gespräch. Am Freitag, dem 13. April 2018, verlobten sich Paula und Tom. Sie beschlossen, in spätestens einem Jahr zu heiraten. Natürlich an einem Freitag dem Dreizehnten, sagte Paula. Tom informierte sich im Internet über die in Frage kommenden Tage. Das ist ein bisschen schwierig, seufzte er. Das nächste Datum wäre der 13. Juli 2018, das ist zu kurzfristig, und das übernächste erst der 13. September 2019, das ist zu spät. Paula war zuerst enttäuscht, aber dann lachte sie. Dann nehmen wir eben einen anderen Tag. Ich will ja gar nicht mehr abergläubisch sein. Ob Unglückstag oder Glückstag, beides ist im Grunde Unvernunft!! Unser Hoch-zeitstag soll uns auf jeden Fall Glück bringen!!

 

 

 

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224.  ©Expired...

 

When the alarm went off at 6:30 am like every morning, Jackie turned around groaning and hit him with the open hand. And then another, and another, until he finally stopped ringing. Then, a minute after 7:00 am, half asleep, it dawned on her that it was time to get up, and if she didn't want to miss the first two periods of class, she'd do it right away. Startled, she jumped up, slipped into jeans, t-shirt and shoes, grabbed her school bag and ran. There was no more time for combing, not even for a look in the mirror. Luckily her parents were still asleep as they both worked late shifts. At least she was spared the telling-off about those who can party late, can also get up early. She reached the bus stop a minute before the normal departure time and stopped with a sigh of relief. It occurred to her now that she'd forgotten her cell phone, which she'd plugged in to charge and left on her desk. No matter, then it just had to go without. As soon as she checked this thought off, she noticed that there were no other students at the bus stop as usual. But she hardly had time to wonder about it, because the bus stopped in front of her a minute later with screeching tires. She got on and showed the bus driver her monthly ticket, but when she wanted to go on as usual, the bus driver stopped her today. Your ticket has expired. Expired? Jackie alternately looked at her ticket and the bus driver. But something like expired, said the bus driver. That's not true, that's still valid until 30.03. Look at the year, good lady! The bus driver seemed to think she was a little retarded. And who called a 17-year-old a good woman? Where is the problem? 2018. It says so. The bus driver gave her a mild reproach. Right, so it's a rarity. twenty years old. Oh, sit down, I have to move on, I don't have time to argue. Confused, Jackie walked on and sat down in an empty seat by the window. Her gaze fell on her reflection in the window. She looked at it, then looked again more closely. Then she rubbed her eyes and pinched her arm. It was all useless, the reflection in the window didn't show her the 17-year-old girl she had been yesterday, but a woman around the age of mid-35, only the black hair color, hair length to the shoulder and brown eyes still matched the reflection in her room from last night. That was definitely a dream, that could just be a dream! How could she have aged 20 years overnight? The bus was usually full at morning, but there were few people on it today, and Jackie didn't recognize any of them, even by sight. She got off at the fourth stop and wanted to take her usual route to the Wilhelm-Tell-Gymnasium. But the path looked very different from yesterday. It was paved with other stones and no longer led straight ahead, but meandered into a side street. Even the signpost Wilhelm Tell-Gymnasium, with the arrow pointing in the right direction, was no longer there? which she noticed after a few minutes. What was all this? Had the bus driver made a wrong turn and she was so horrified that she didn't notice when she looked at her reflection? Did she fall asleep on the bus? Because the reflection could only have been a dream. Something occurred to her. She dug her wallet out of her school bag, pulled out her ID card and made a surprised noise when she saw her picture. Because that clearly showed an adult woman of at least 37 years, exactly the woman she had seen in the reflective window pane of the bus. Surely that couldn't be true. All other information on the identity card was exactly as it should be, name: Jacqueline Braumeister date of birth: February 28, 2001 address: Sidella Straße 22, St. Isann, eye color: brown, height: 168 cm, Jackie turned the identity card over and forth, but the image of the approximately 37-year-old did not change. Why did she have to think of the fairy tale of the Sleeping Beauty right now? Wasn't that ridiculous!? She decided to go to school first, but this decision presented her with a new problem: Where was school now? Usually one came from the Bus stop to the high school if you just walked straight ahead, but the dead straight path no longer existed. The school could hardly disappear overnight. However, she would not have believed that she could become 20 years older overnight and yet it happened...

*              *               *               *                *               *                *                *               *               *              *

Saturday the fourteenth is the favorite day of Paraskavedekatriaphobics. So all those people who are afraid of Friday the 13th. The day after, they are either happy that nothing happened after all, or that their prophecies of doom were right. Fortunately, the latter is rarely the case. For the extremely superstitious Paula, however, Saturday February 14, 2015 was the saddest day of her life. It was supposed to be the first Valentine's Day with her boyfriend Ben, and the day before, on that dreaded Friday the 13th, he'd broken up with her! I can't stand your spinning anymore! She spent the weekend crying and would have liked to take sick leave on Monday. However, since she was dutiful and also hoping to be able to distract herself with work, she went to the office as usual. The next Friday the 13th of 2015 came a month later. It was someone's birthday in another department of the company that day. Poor thing! thought Paula, what a miserable year awaited him! She was glad that she had nothing to do with that department and didn't have to congratulate her colleague. Once again she spent a boring, lonely weekend. Her cell phone rang on Sunday. She still harbored the unreasonable hope that Ben would call again. But it was her friend Mara, one of the few people who knew of her grief. It's too bad you still don't want to go back among the people. The day before yesterday my boyfriend and I were at Tom Jäger's, my cousin's, birthday party. Do you know him? He works for the same company as you. Yes, I know, but I only know him by sight. Wouldn't that be something for you? He is single! Paula swallowed. I don't think that would be a good idea, Mara. He was born on a thirteenth. This can not be true! Tom has only been lucky in life. The thirteen thing is absolute nonsense! Read on the Internet where this superstition comes from and then jump over your shadow! On Friday, November 13, 2015, Ben was walking by a coffee shop late in the afternoon. When he happened to look through the window, he couldn't believe his eyes. Paula, who used to do only the bare essentials on such an alleged unlucky day and had gone straight home from work, sat laughing at a table with two other young women. In the evening he called her. He had expected that she probably wouldn't take the call, but she did. However, with a very cold voice. Paula, I was so happy when I saw you so happy in the café today. Even though it's Friday the 13th. So what? I have freed myself from superstition. I'm sorry I broke up at the time. Can't we have one more time? Too late! There is another! The conversation was gone. On Friday April 13, 2018, Paula and Tom got engaged. They decided to get married in a year at the latest. On a Friday the 13th, of course, said Paula. Tom researched the dates in question on the internet. That's a little difficult, he sighed. The next date would be July 13, 2018, which is too short notice, and the next but one is September 13, 2019, which is too late. Paula was disappointed at first, but then she laughed. Then we'll take another day. I don't want to be superstitious anymore. Whether it's an unlucky day or a lucky day, both are basically unreasonable!! Our wedding day should definitely bring us happiness!!