219.   ©Der beherzte Flötenspieler

 

 

Es war einmal ein lustiger Musikant, der die Flöte meisterhaft spielte; er reiste daher in der Welt herum, spielte auf seiner Flöte in Dörfern und in Städten und erwarb sich dadurch seinen Unterhalt. So kam er auch eines Abends auf einen Pächter Hof und übernachtete da, weil er das nächste Dorf vor einbrechender Nacht nicht erreichen konnte. Er wurde von dem Pächter freundlich aufgenommen, musste mit ihm speisen und nach geendigter Mahlzeit einige Stücklein auf seiner Flöte vorspielen. Als dieses der Musikant so getan hatte, schaute er zum Fenster hinaus und gewahrte in kurzer Entfernung bei dem Scheine des Mondes eine alte Burg, die teilweise in Trümmern zu liegen schien. Was ist das für ein altes Schloss?, fragte er den Pächter. Und wem hat es gehört? Der Pächter erzählte, dass vor vielen, vielen Jahren ein Graf da gewohnt hätte, der sehr reich, aber auch sehr geizig gewesen wäre. Er hätte seine Untertanen sehr geplagt, keinem armen Menschen ein Almosen gegeben und sei endlich ohne Erben, weil er aus Geiz sich nicht einmal verheiratet habe, gestorben. Darauf hätten seine nächsten Anverwandten die Erbschaft in Besitz nehmen wollen, hätten aber nicht das geringste Geld gefunden. Man behaupte daher, er müsse den Schatz vergraben haben und dieser möge heute noch in dem alten Schloss verborgen liegen. Schon viele Menschen wären des Schatzes wegen in die alte Burg gegangen, aber keiner wäre wieder zum Vorschein gekommen. Daher habe die Obrigkeit den Eintritt in dies alte Schloss untersagt und alle Menschen im ganzen Lande ernstlich davor gewarnt. Der Musikant hatte aufmerksam zugehört, und als der Pächter seinen Bericht geendigt hatte, äußerte er, dass er großes Verlangen habe, auch einmal hinein zu gehen, denn er sei beherzt und kenne keine Furcht. Der Pächter bat ihn aufs dringendste und endlich schier fußfällig, doch ja sein junges Leben zu schonen und nicht in das Schloss zu gehen. Aber es half kein Bitten und Flehen, der Musikant war unerschütterlich. Zwei Knechte des Pächters mussten ein Paar Laternen anzünden und den beherzten Musikanten bis an das alte schaurige Schloss begleiten. Dann schickte er sie mit einer Laterne wieder zurück, er aber nahm die zweite in die Hand und stieg mutig eine hohe Treppe hinab. Als er diese erstiegen hatte, kam er in einen großen Saal, um den ringsherum Türen waren. Er öffnete die erste und ging hinein, setzte sich an einen darin befindlichen altväterischen Tisch, stellte sein Licht darauf und spielte die Flöte. Der Pächter aber konnte die ganze Nacht vor lauter Sorgen nicht schlafen und sah öfters zum Fenster hinaus. Er freute sich jedes Mal unaussprechlich, wenn er drüben den Gast noch musizieren hörte. Doch als seine Wanduhr elf schlug und das Flötenspiel verstummte, erschrak er heftig und glaubte nun nicht anders, als der Geist oder der Teufel, oder wer sonst in diesem Schlosse hauste, habe dem schönen Burschen nun ganz gewiss den Hals umgedreht. Doch der Musikant hatte ohne Furcht sein Flötenspiel abgewartet und gepflegt; als aber sich endlich Hunger bei ihm regte, weil er nicht viel bei dem Pächter gegessen hatte, so ging er in dem Zimmer auf und nieder und sah sich um. Da erblickte er einen Topf voll ungekochter Linsen stehen, auf einem andern Tische standen ein Gefäß voll Wasser, eines voll Salz und eine Flasche Wein. Er goss geschwind Wasser über die Linsen, tat Salz daran, machte Feuer in dem Ofen an, weil auch Holz dabei lag, u. kochte sich eine Linsensuppe. Während die Linsen kochten, trank er die Flasche Wein leer u. dann spielte er wieder Flöte. Als die Linsen gekocht waren, rückte er sie vom Feuer, schüttete sie in die auf dem Tische schon bereitstehende Schüssel und aßfrisch darauf los. Jetzt sah er nach seiner Uhr, und es war um die zwölfte Stunde. Da ging plötzlich die Türe auf, zwei lange schwarze Männer traten herein und trugen eine Totenbahre, auf der ein Sarg stand. Diesen stellten sie, ohne ein Wort zu sagen, vor den Musikanten, der sich keineswegs im Essen stören ließ, und gingen ebenso lautlos, wie sie gekommen waren, wieder zur Türe hinaus. Als sie sich nun entfernt hatten, stand der Musikant hastig auf und öffnete den Sarg. Ein altes Männchen, klein und verhutzelt, mit grauen Haaren und grauem Barte lag drinnen, aber der Bursche fürchtete sich nicht, nahm es heraus, setzte es an den Ofen, und kaum schien es erwärmt zu sein, als sich schon Leben in ihm regte. Er gab ihm hierauf Linsen zu essen und war ganz mit dem Männchen beschäftigt, ja fütterte es wie eine Mutter ihr Kind. Da wurde das Männchen ganz lebhaft und sprach zu ihm: Folge mir! Das Männchen ging voraus, der Bursche aber nahm seine Laterne und folgte ihm sodann Zarg. Es führte ihn nun eine hohe verfallene Treppe hinab, und so gelangten endlich beide in ein tiefes schauerliches Gewölbe. Hier lag ein großer Haufen Geld. Da gebot das Männchen dem Burschen: Diesen Haufen teile mir in zwei ganz gleiche Teile, aber dass nichts übrig bleibt, sonst bringe ich dich ums Leben! Der Bursche lächelte bloß, fing sogleich an zu zählen auf zwei große Tische herüber und hinüber und brachte so das Geld in kurzer Zeit in zwei gleiche Teile, doch zuletzt war noch ein Kreuzer übrig. Der Musikant besann sich kurz, nahm sein Taschenmesser heraus, setzte es auf den Kreuzer mit der Schneide und schlug ihn mit einem dabei liegenden Hammer entzwei. Als er nun die eine Hälfte auf diesen, die andere auf jenen Haufen warf, wurde das Männchen ganz heiter und sprach: Du himmlischer Mann, du hast mich erlöst! Schon hundert Jahre muss ich meinen Schatz bewachen, den ich aus Geiz zusammen-gescharrt habe, bis es einem gelingen würde, das Geld in zwei gleiche Teile zu teilen. Noch nie ist es einem gelung-en, und ich habe sie alle erwürgen müssen. Der eine Haufen Geld ist nun dein, den andern aber teile unter die Armen. Göttlicher Mensch, du hast mich erlöst! Darauf verschwand das Männchen. Der Bursche aber stieg die Treppe hinab und spielte in seinem vorigen Zimmer lustige Stücklein auf seiner Flöte. Da freute sich der Pächter, dass er ihn wieder spielen hörte, und mit dem frühesten Morgen ging er auf das Schloss (denn am Tage durfte jedermann hinein)und empfing den Burschen voller Freude. Dieser erzählte ihm die Geschichte, dann ging er hin-unter zu seinem Schatz, tat wie ihm das Männchen befohlen hatte, und verteilte die eine Hälfte unter die Armen. Das alte Schloss aber ließ er niederreißen, und bald stand an der vorigen Stelle ein neues, wo nun der Musikant als reicher Mann wohnte!

 

 

 

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219.  ©The courageous flute player

 

Once upon a time there was a merry musician who played the flute masterfully; he therefore traveled about the world, playing his flute in villages and towns, and thereby earned his living. So one evening he came to a leaseholder's farm and spent the night there because he couldn't reach the next village before nightfall. He was kindly received by the farmer, had to dine with him, and when the meal was over he had to play a few pieces on his flute. When the musician had done this, he looked out of the window and, by the light of the moon, saw an old castle a short distance away, which seemed to be partly in ruins. What kind of old castle is that? he asked the tenant. And who owned it? The tenant said that many, many years ago, a count lived there who was very rich but also very stingy. He had tormented his subjects very much, never given alms to poor people and had finally died without an heir because he had not even married out of stinginess. Then his closest relatives wanted to take possession of the inheritance, but could not find the slightest money. It is therefore claimed that he must have buried the treasure and that it may still be hidden in the old castle today. Many people would have gone into the old castle because of the treasure, but nobody would have come out again. Therefore, the authorities have forbidden entry into this old castle and have seriously warned all people throughout the country against it. The musician had listened attentively, and when the farmer had finished his report, he said that he had a great desire to go in, for he was courageous and knew no fear. The tenant begged him most urgently, and finally almost involuntarily, to spare his young life and not to go into the castle. But pleading and pleading didn't help, the musician was unshakable. Two of the leaseholder's servants had to light a pair of lanterns and accompany the courageous musician to the eerie old castle. Then he sent her back with a lantern, but he took the second in his hand and boldly descended a high flight of stairs. When he had climbed these, he came into a large hall with doors all around it. He opened the first and went in, sat down at an old-fashioned table inside, put his candle on it and played the flute. The tenant, however, could not sleep the whole night for sheer worries and often looked out of the window. He was inexpressibly happy every time he heard the guest over there still making music. But when his clock on the wall struck eleven and the flute stopped playing, he was terribly frightened and now believed no other than the ghost or the devil or whoever else lived in this castle had definitely wrung the neck of the handsome fellow. But the musician had waited and cultivated his flute playing without fear; but when he finally got hungry because he hadn't eaten much at the farmer's, he paced up and down the room and looked around. Then he saw a pot full of uncooked lentils, and on another table were a vessel full of water, one full of salt, and a bottle of wine. He quickly poured water over the lentils, salted them, lit the fire in the stove because there was wood with it, and made lentil soup. While the lentils were cooking, he drank the bottle of wine and then he played the flute again. When the lentils were cooked, he pulled them off the fire, poured them into the bowl that was already waiting on the table, and started eating freshly. Now he looked at his watch and it was about the twelfth hour. Suddenly the door opened and two tall black men entered carrying a bier on which stood a coffin. Without saying a word, they placed him in front of the musician, who in no way allowed himself to be disturbed while he was eating, and went out the door again, just as silently as they had come. When they had gone away, the musician got up hastily and opened the coffin. An old man, small and wizened, with gray hair and a gray beard, lay inside, but the boy was not afraid, took him out, put him by the stove, and he hardly seemed to be warm when life stirred in him. He then gave him lentils to eat and was quite occupied with the male, yes fed it like a mother would her child. Then the male became very lively and said to him: Follow me! The little man went ahead, but the boy took his lantern and then followed him Zarg. It now led him down a high, dilapidated staircase, and so at last they both reached a deep, horrible vault. There was a large pile of money here. Then the little man com-manded the boy: Divide this heap into two very equal parts, but that nothing remains, otherwise I will kill you! The boy just smiled, immediately began to count across and across the two large tables, and in a short time brought the money into two equal parts, but in the end there was still one kreuzer left. The musician thought for a moment, took out his pocket knife, put it on the kreuzer with the blade and broke it in half with a hammer that was lying with it. When he threw one half on this pile and the other half on that, the little man became very cheerful and said: You heavenly man, you have redeemed me! For a hundred years I have had to guard my treasure, which I scraped to-gether out of stinginess until someone succeeded in dividing the money into two equal parts. No one has ever succeeded, and I've had to strangle them all. One pile of money is now yours, but share the rest among the poor. Divine human, you redeemed me! Then the male disappeared. But the boy went down the stairs and played merry little pieces on his flute in his previous room. The tenant was happy to hear him play again, and he went to the castle early in the morning (for anyone was allowed in during the day)and received the lad with great joy. He told him the story, then he went down to his treasure, did as the man commanded, and gave half to the poor. But he had the old castle torn down, and soon a new one stood on the previous spot, where the musician now lived as a rich man!