205.  ©Was wir nicht wissen!

 

Früh am Morgen verließen die Männer den Ort. Wetterfeste Umhänge schützten sie vor dem einsetzen-den Schneetreiben, unten im Tal. Oben hier in den höheren Lagen würde sie ein schneidender Wind erwarten. Winzigen, scharfen Nadeln gleich würde der Schnee zu Eis gefroren sein und ihre Gesichter malträtieren. Schweigend stapfte die Gruppe gemäßigten Schrittes bergan. Schwere Rucksäcke drückten die Männer in den Boden, auf dem sie für kurze Zeit ihre Spuren hinterließen. Beinahe zur gleichen Zeit oder nur ein wenig später gingen in den Häusern vereinzelt die Lichter an. Die Männer der Frühschicht machten sich fertig für ihren harten Tag im örtlichen Zementwerk. Wählerisch konnten die Leute hier nicht sein, denn viele Arbeitgeber gab es nicht. Manche arbeiteten auch bei dem größeren Bauern. Eine schwere Arbeit, die zudem nicht besonders viel einbrachte. Viel hatten die Männer am Berg mit den anderen im Werk nicht gemein. Sie kannten sich noch nicht einmal und die einen wussten von den anderen nichts. Schnee peitschte den Männern entgegen und sie verlangsamten ihren Schritt. Es war kaum noch etwas zu sehen. Nicht ungefährlich, ein falscher Schritt und, aber sie mussten weiter, durften keine Zeit verlieren, wenn nicht alles umsonst gewesen sein sollte. Einer war schon eine Stunde früher im Werk eingetroffen, schwang sich auf den Schneeräumer und versuchte ziemlich vergebens, den Massen Herr zu werden. Dann trafen nach und nach auch die anderen ein, begaben sich zu ihren Spinden und waren pünktlich um sechs auf ihrem Posten. Routine wie jeden Tag, dachten sie und wussten nicht, was auf sie noch zukommen würde. Gegen 7.30 Uhr ging beim örtlichen Polizeiposten ein Anruf ein. Ein Mann sagte, er habe auf dem Weg zur Arbeit eine Gruppe Männer gesehen, die schwer beladen in Richtung Aueralm unterwegs gewesen seien. Bevor der Diensthabende noch nach dem Namen des Anrufers fragen konnte, hatte dieser schon aufgelegt. Der Polizist zuckte mit den Schultern, machte einen Eintrag ins Dienstbuch und vergaß die Angelegenheit, nicht wissend, was er vielleicht bei etwas mehr Aufmerksamkeit hätte verhindern können. Oben auf der Aueralm war noch alles dunkel. Um diese Jahreszeit war die Familie Hirschanger nicht mehr jeden Tag auf der Hütte. Je nach Wetter manchmal an den Wochenenden, um den wenigen Bergwanderern einen warmen Platz mit einem einfachen Essen und Getränken anzubieten. Rechts neben dem Eingang zur Gaststube gab es einen fensterlosen Schutzraum, der das ganze Jahr über für jedermann zugäng-lich war. Die Männer drängten in den Raum, einer von ihnen drehte einen Schalter gleich neben der aus massiven Bohlen gefertigten Eingangstüre und aus ein paar deckenwärts gerichteten Strahlern ergoss sich ein erstaunlich warmes Licht über den Raum. Unten im Werk war die Frühschicht schon mitten bei der Arbeit. Einige von ihnen waren mit der Transportseilbahn rauf zur Bergstation gefahren, wo das Werk den benötigten Kalkstein zur Zement-herstellung abbaute und mittels der Seilbahn in Transportbehältern talwärts brachte. Bei diesem Schnee und Wind war das Arbeiten alles andere als ein Vergnügen und immer wieder mussten sie wegen des Wetters mit der Talfahrt warten. Auf der Aueralm indessen leerten die Männer ihre Rucksäcke und brachten allerlei technisches Gerät zum Vorschein. Besonders ins Auge fiel ein Kurbelkasten und drei Rollen mit Draht sowie eine Lafette, in die einer der Männer eine Rolle des Drahtes einspannte. Ein anderer schulterte die Lafette mittels eines speziellen Tragege-stelles während  zwei andere jeweils eine der verbliebenen Rollen in ihren Rucksäcken verstauten. Dazu noch zwei längliche in braunes Papier gewickelte Pakete. Wortlos nickten sie sich zu und verließen die Hütte, wobei einer der Männer das Ende des Drahtes von der Lafette mehrfach um den Tür Knauf wickelte. Kannst losmarschieren, sagte er, ist alles fest. Die Nacht war mittlerweile nun dem Tag gewichen und die Uhr zeigt noch gute zwanzig Minuten bis zur morgendlichen Brotzeit oder Jausen, wie die aus dem Österreichischen stammenden Arbeiter sagten. Wie jeden Tag um diese Zeit machten sich der Bergtanner Florian und seine Schwester, die Theresa, auf, um pünktlich allerlei Essbares aus ihrer Bäckerei ins Werk zu schaffen. Das Besondere heute war, dass auch der kleine Bruder Maximilian mit dabei sein durfte. Ob des vielen Schnees hatte der eine besondere Gaudi. Langsam rollte der Draht von der Lafette. Die zweite Rolle wurde eingespannt u. schließlich noch die dritte. Die Männer kamen nur sehr langsam voran, langsamer als ursprünglich geplant, und das gefiel ihnen gar nicht. Es war schon gegen neun und sie hatten ihr Ziel noch nicht erreicht. Ein paar Minuten noch, sagte einer u. tatsächlich, schemenhaft war durch das Schnee-treiben einer der Masten der Seilbahn zu erkennen. Macht’s euch parat, sagte der von vorhin. Die Männer nickten, entnahmen ihren Ruck-säcken die länglichen Pakete und verschwanden im Schnee, wobei einer vorher noch den Rest von der Lafette abspulte und den Draht hinter sich herzog. Im Werk hatte währenddessen vor wenigen Minuten ein kurzer Sirenenton den Beginn der Pause angekündigt. Florian und Theresa teilten aus, die Männer griffen zu und ließen es sich schmecken. Dampfender Kaffee machte die Runde. Auf den Maximilian achtete jetzt niemand u. neugierig wie er war, war er auch schon draußen u. flugs bei der Seilbahn. Diese hatte es ihm immer schon angetan. Er stieg in eine der Gondeln, schaukelte etwas hin u. her, stieg schließlich wieder aus und kletterte hinüber zum Führerstand, von dem er wusste, dass darin immer einer der Arbeiter irgendwelche Schalter und Hebel bediente, damit die Gondel losfahren konnte. Die Männer hatten ihre Arbeit am Masten verrichtet und eilten zurück zur Alm. Nur noch wenige Minuten, dann war die Morgenpause im Werk zu Ende. Sie mussten es auf jeden Fall noch vorher schaffen. Schwer atmend erreichten sie endlich die Hütte. Alles in Ordnung, stieß einer hervor und ließ sich augen-blicklich auf einen der Stühle fallen. Das Ende des Drahtes war mittlerweile vom Tür Knauf wieder abgewickelt und fest mit dem Kurbelkasten verbunden worden. Na denn, brummte einer, nahm die Kurbel, drehte beherzt ein paar Umdrehungen, sah in die Gesichter seiner Kumpanen, sagte erneut: Na denn, und drückte den Knopf auf dem Kasten. In einer ohrenbetäubenden Detonation ging der Sirenenton unter, der das Ende der Pause anzeigte. Wie gelähmt erstarrten die Männer. Was war geschehen? Sekunden später stürzten sie hinaus, aber der Schnee nahm ihnen jede Sicht. Es war nichts zu sehen, einfach nichts! Wo ist der Maximilian? Hat jemand den Maximilian ge-sehen?, plötzlich die aufgeregte Stimme Theresas zu vernehmen. Die Männer, immer noch wie gebannt, schüttelten den Kopf. Niemand hatte den Kleinen gesehen. Maximilian!, schrie die verzweifelte Schwester in den Schnee hinaus. Maximilian! Keine Antwort. Auf der Aueralm packten die Männer ihre Rucksäcke. Die Lafette, der Draht, notdürftig gerollt, der Kurbelkasten, alles musste wieder hinunter ins Tal und schleunigst entsorgt werden. Keine Spur durfte zu ihnen führen. Sie hatten alles bis ins Kleinste geplant. Ja, sie hatten einen der Masten gesprengt, als Signal, dass sie mit dem weiteren Raubbau ihrer Berge nicht mehr einverstanden waren. Alles Schreiben und De-monstrieren hatte nichts gefruchtet und da waren sie, der harte Kern, wie sie sich selber gerne bezeichneten, auf diese Idee gekommen. Jetzt würde man sie hören, die Proteste, und die Politiker etwas tun, tun müssen! Es war gerade noch so ausgegangen. Die Sprengung musste in der Pause erfolgen, damit niemand auf der Seilbahn war. Es sollte und durfte niemand dabei zu Schaden kommen. Von dem kleinen Maximilian wussten sie allerdings nichts und deshalb kam er in ihrem Plan auch nicht vor. Die Seilbahn ist im Arsch!, schrie einer im Werk. Sie haben es von oben gemeldet. Einer der Masten soll gesprengt worden sein! Gesprengt? Wozu denn gesprengt?, schrien sie jetzt alle durcheinander. Dazwischen immer wieder hier Theresas verzweifelte Rufe, nach dem Bruder Maximilian! Maximilian! Maximilian war in den Führerstand gelangt und hatte gerade damit be-gonnen, die verschiedenen Knöpfe und Hebel zu bedienen, als es plötzlich diesen fürchterlichen Knall gegeben hatte. Voller Angst, er habe etwas schlimmes angestellt, verließ Maximilian eilends den Führerstand, lief hinaus in den Schnee und hetzte weg, weg von der Seilbahn, weg vom ganzen Werk, hinunter in den Ort, nach Hause, nur nach Hause. Er wusste nicht, dass sie oben im Werk nach ihm suchten.

 

 

 

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205.  ©What we do not know!

 

The men left the place early in the morning. Weatherproof cloaks protected them from the drifting snow down in the valley. Up here in the higher elevations she would expect a cutting wind. Like tiny, sharp needles, the snow would be frozen to ice and batter their faces. In silence, the group trudged uphill at a moderate pace. The men pressed heavy rucksacks into the ground, on which they briefly left their mark. Almost at the same time, or just a little later, the lights went on occasionally in the houses. The men on the morning shift got ready for their hard day at the local cement works. The people here couldn't be picky because there weren't many employers. Some also worked for the bigger farmer. Hard work that didn’t bring much in either. The men on the mountain didn't have much in common with the others at the plant. They didn't even know each other and some didn't know about the other. Snow lashed at the men and they slowed their pace. There was hardly anything to be seen. Not without risk, a wrong step and, but they had to keep going, they couldn’t lose any time if it wasn’t all in vain. One of them had arrived at the plant an hour earlier, swung himself onto the snow plow, and tried rather unsuccessfully to control the masses. Then the others gradually arrived, went to their lockers, and were at their post at six o'clock sharp. Routine like every day, they thought, not knowing what to expect. A call came in at the local police station at around 7:30 a.m. One man said that on the way to work he saw a group of men who were heavily laden towards the Aueralm. Before the person on duty could ask for the name of the caller, he had already hung up. The policeman shrugged his shoulders, made an entry in the service book and forgot the matter, not knowing what he could possibly have prevented with a little more attention. Up on the Aueralm everything was still dark. At this time of year the Hirschanger family was no longer at the hut every day. Sometimes on the weekends, depending on the weather, to offer the few mountain hikers a warm place with a simple meal and drink. To the right of the entrance to the dining room there was a windowless shelter that was accessible to everyone all year round. The men pushed into the room, one of them turned a switch right next to the entrance door made of massive planks and a couple of spotlights directed towards the ceiling poured an astonishingly warm light over the room. Downstairs at the plant, the morning shift was already in the middle of work. Some of them had taken the transport cable car up to the mountain station, where the plant mined the limestone required for cement production and brought it down to the valley in transport containers by cable car. With this snow and wind, working was anything but a pleasure and because of the weather they had to wait again and again to go downhill. At the Aueralm, meanwhile, the men emptied their rucksacks and brought out all kinds of technical equipment. A crankcase and three rolls of wire as well as a carriage in which one of the men clamped a roll of wire caught the eye. Another shouldered the carriage using a special carrying frame, while two others stowed one of the remaining roles in their rucksacks. In addition, two elongated packages wrapped in brown paper. Without a word they nodded to each other and left the hut, one of the men wrapping the end of the wire from the mount around the door knob several times. You can march off, he said, everything is firm. The night had now given way to day and the clock still shows a good twenty minutes until the morning snack or snack, as the workers from Austria said. As every day at this time, Florian and his sister, the There-sa, set out to get all sorts of food from their bakery to the factory on time. The special thing today was that little brother Maximilian was allowed to be there too. He had a lot of fun with all the snow. Slow the wire rolled off the carriage. The second roll was clamped and finally the third. The men were moving very slowly, more slowly than originally planned, and they didn't like it at all. It was already around nine and they had not yet reached their destination. A few more minutes, one of them said, and indeed one of the masts of the cable car could be seen through the drifting snow. Get ready, said the guy from earlier. The men nodded, took the elongated packages out of their rucksacks and disappeared into the snow, with one of them first unwinding the rest of the carriage and pulling the wire behind him. Meanwhile, a short siren sounded at the plant a few minutes ago, announcing the start of the break. Florian and Theresa distributed the food, the men grabbed it and enjoyed it. Steaming coffee made the rounds. Nobody paid any attention to Maximilian now and curious as he was, he was already outside and quickly at the cable car. She had always done it to him. He got into one of the gondolas, rocked a bit, finally got out again and climbed over to the driver's cab, where he knew that one of the workers in there was always operating switches and levers so that the gondola could drive off. The men had done their work on the mast and hurried back to the alpine pasture. Only a few more minutes, then the morning break at the plant was over. You definitely had to do it first. Breathing hard, they finally reached the hut. Everything's okay, said one, and immediately dropped into one of the chairs. The end of the wire had meanwhile been unwound from the door knob and firmly attached to the crankcase. Well then, grumbled someone, took the crank, turned it a few turns, looked into the faces of his companions, said again: Well then, and pressed the button on the box. The sound of the siren that signaled the end of the pause was drowned out in a deafening detonation. The men froze as if paralyzed. What happened? Seconds later they rushed out, but the snow robbed them of all sight. There was nothing to be seen, just nothing! Where's the Maximilian? Has anyone seen Maximilian? Suddenly to hear Theresa's excited voice. The men, still spellbound, shook their heads. Nobody had seen the little one. Maximilian! Shouted the desperate sister out into the snow. Maximilian! No Answer. At the Aueralm the men packed their rucksacks. The carriage, the wire, rolled up in a makeshift manner, the crankcase, everything had to be returned to the valley and disposed of as quickly as possible. No trace was allowed to lead to them. They had planned everything down to the last detail. Yes, they had blown one of the masts as a signal that they no longer agreed to the further overexploitation of their mountains. All writing and demonstrating hadn't worked and that's when they, the hard core, as they liked to call themselves, had this idea. Now they would be heard, the protests, and the politicians would have to do something! It had just ended that way. The demolition had to take place during the break so that nobody was on the cable car. Nobody should or should be harmed. They knew nothing about little Maximilian, however, and that is why he was not part of their plan. The cable car is screwed! Shouted someone at the plant. They reported it from above. One of the masts is said to have been blown! Blown up? What was the point of being blown up? They were all shouting in confusion. In between, here again and again Theresa's desperate calls for brother Maximilian! Maximilian! Maximilian had got into the driver's cab and had just started to operate the various buttons and levers when suddenly there had been that terrible bang. Fearing that he had done something bad, Maximilian hurried out of the driver's cab, ran out into the snow and rushed away, away from the cable car, away from the whole factory, down to town, home, just home. Little did he know they were looking for him up at the plant.