203.  ©Busentführung in Pará

 

Seit zwei Stunden saßen Kathrin und ich auf dem Busbahnhof der Stadt Imperatrix. Der Bus wurde ausgewechselt, und so hatten wir eine längere Pause, die wir mit Kartenspielen verbrachten. Es war bereits abends, und wir befanden uns vor dem dortigen Restaurant an einem Tisch und übten unsere gewöhnliche Tätigkeit aus, die uns in solchen Momenten stets die Zeit vertrieb. Rommé, eine Runde folgte der anderen. Vor dem flachen Gebäude standen ein paar Stühle und Tische, an denen wartende Reisende saßen. Zwei Busse standen nebeneinander auf dem Parkplatz. Leise brummten die Kühlungssysteme und erinnerten mich an riesige Insekten. Nach dem Zwisch-enstopp in Imperatrix fuhr unser Buszügig die Schnellstraße in Richtung Norden entlang. Die letzten Häuser der sich hinziehenden Stadt zogen an den Fenstern vorüber. Neben mir auf der anderen Seite des Mittelgangs befanden sich eine Frau und ein Mann. Sie saß schläfrig am Fenster, den Kopf an der Scheibe angelehnt, und er saß direkt vor dem Bordfernseher, der schräg über ihm befestigt war. Die Bildqualität des Fernsehers war grässlich, und der laute, rauschende Ton strapazierte arg meine Nerven. Ich fragte mich, weshalb in Gottes Namen niemand dieses provo-zierende Geflacker ausschalten konnte. Mein Blick fiel auf den Mann, der keine Anstalten machte, den Knopf zu bedienen. Hat er irgendetwas? Er starrt so eigenartig in die Luft. Der flimmernde und rauschende Fernseher nervt mich zunehmend. Kurz entschlossen stand ich auf und betätigte den Drehknopf. Auf Aus. Geschafft. Mit einem Mal war es still im Bus. Kein bläulich graues Licht erhellte mehr die Gesichter der Reisenden. Nur die typischen Fahr-geräusche waren zu vernehmen. Die Bordbeleuchtung war ebenfalls ausgeschaltet. Wie üblich wurden die Vorhänge der Fahrerkabine zugezogen, damit die von vorne einfallenden Lichtkegel der entgegenkommenden Fahrzeuge nicht die schlaf-enden Passagiere störten. Müde legte ich meinen Kopf an Kathrins Schulter. Ich döste ein, alles schien so zu werden wie auf meiner Tour mit dem Greyhoundbus quer durch Kanada. Alles wie gehabt, dachte ich. Bus fahren ist weltweit eigentlich immer dasselbe. Ich war gerade am einschlafen, als der Bus nach gut einstündiger Fahrt zu schaukeln begann. Ließ die Qualität der Straße dermaßen nach, oder war es eine Umleitung? Müde schauten Kathrin und ich aus dem Fenster, strengten unsere Augen an und bemerkten, dass wir nun auf einem sandigen Waldweg fuhren. Die Scheinwerfer bahnten sich in der Dunkelheit ihren Weg. Nach einigen Metern stoppte der Bus. Zuerst vermutete ich eine Panne, doch konnte ich mir nicht vorstellen, dass dies der Grund war, die Hauptstraße zu verlassen. Oder ging es ab nun über eine schlammige Sandpiste weiter? Hatte ich nicht gelesen, dass die Strecke Goiânia-Brasilia-Belém komplett asphaltiert ist? Im Augenwinkel vernahm ich hier eine schlagartige Bewegung. Etwas Metallenes blitzte auf. Der Mann auf der anderen Seite sitzende war nun mit schnellen Bewe-gungen aufgesprungen, hatte einen Revolver gezogen und ließ ihn nun in alle Richtungen kreisen. Dabei schrie er einige Sätze auf Portugiesisch, seine Augen dabei wild aufreißend. Mein erster Gedanke war, dass er völlig ausrastete und wütend über die Unterbrechung der Fahrt war. Möglicherweise laufe er im Kopf nicht ganz rund. Er machte ja schon zuvor einen seltsamen Eindruck. Der Mann schien mir völlig durch geknallt. Diese Annahme verflog sehr bald, denn der Mann hämmerte mit seiner Faust gegen die Fahrerkabine. Die Tür flog auf, und ein zweiter Typ mit übergezogener Strumpfmaske kam hinzu. Auch er hielt eine Waffe in der Hand. Eines wurde klar: Die Lage war sehr ernst. Dies war ein Überfall. Unser Bus wurde entführt! Fassungslos starrte ich die beiden Männer an. Das kann doch nur ein böser Alptraum sein. Die Angelegenheit schien seit Anfang an, seit dem Verlassen des Busbahnhofs von Imperatrix, eine abgemarterte Sache zu sein. Draußen war absolute Dunkelheit. Mitten im Urwald stand unser Reisebus auf einem Sandweg. Der Motor war mittlerweile aus, und die Notbeleuchtung glimmte vor sich hin. Wie viel Pech kann man eigentlich auf einer Reise haben, fragte ich mich. Wie kriminell ist dieses Land, dieses verfluchte Brasilien?! War Rio nicht schon genug? Hatte man unsere Naivität nicht schon bestraft? Gingen nicht bereits Geld und Wertgegenstände am Strand der Copacabana verloren? Der Mann mit der Strumpfmaske trat nach hinten durch, u. sein Komplize mit dem Revolver blickte zu mir, redete auf mich ein und zeigte auf den Innengang. Ich verstand kein einziges Wort, und mein Herz raste. Sollte ich mich auf den Gang knien? War ich, weil ich zufällig in der ersten Reihe saß, das erste Opfer? Sollte ich mich nun hinhocken oder hinlegen? Hält er mir gleich die Knarre an den Kopf, um der Ernsthaftigkeit des Überfalls Nachdruck zu verleihen? Bei solchen Entführungen müssen doch westliche Touristen als erstes dran glauben, oder nicht? Nackte Angst lähmte mich. Ich hörte bereits den todbringenden Knall des Revolvers und sah mein Blut auf den Gang spritzen. Ele não fala português! Ele não entienda ti! Kathrins eindringliche Worte kamen im rechten Moment. Nachdem Kathrin dem Entführer verständlich machen konnte, dass ich seine Worte nicht verstehe, wurde er ungeduldig. Er meinte, ich solle nun endlich mein Geld auf den Gang legen. Nun verstand auch ich halbwegs das Gesagte. Nicht ich sollte mich auf den Mittelgang legen, sondern mein Geld sollte sich schnellstmöglich dort befinden. Nervös griff ich in meine Hosentaschen. Mir wurde noch heißer, als mir eh schon war. Ich drehte mich zu Kathrin und flüsterte: Hast du noch Geld? Ich habe nur noch Kleingeld!! Nein, ich glaube nicht. Ich gab dir doch vorhin alles. Du weißt doch, wir wollten erst in Belém wieder Reiseschecks umtauschen. Was soll ich denn jetzt machen? Lege das Kleingeld einfach schnell auf den Gang, es ist ja dunkel hier im Bus. Ich nahm einen Realschein u. eine Handvoll Münzen und legte sie auf den Boden des Reisebusses. Leise klimperte das Geld. Ich schrak bei diesem Geräusch zusammen. Was passiert, wenn er diese dürftigen Almosen bemerkt? Er wird sich auf den Arm genommen fühlen und wütend werden. Diese Gedanken bereiteten mir große Sorgen, waren wir doch als Ausländer und Touristen ohne weiteres erkennbar. Ich erwartete bereits die nächsten drohenden Worte, doch der Mann ging mit seiner Waffe weiter und befahl den Insassen des Busses, die Augen zu schließen und den Kopf zu senken. Im Bus herrschte bedrückende Stille, nur das tiefe, angst erfüllte Atmen und leise Wimmern der Leute war zu vernehmen. Mit fest zugedrückten Augen presste ich mich in den Sitz. Meine Hände krallten sich in das Polster. Es wird schon gut ausgehen. Sie wollen sicherlich nur das Geld, und dann verschwinden sie, flüsterte Kathrin und ergriff meine Hand. Es war ein beruhigendes Gefühl, ihre Hand zu spüren. Ich war überaus froh, dass sie neben mir saß, und drückte ihre Hand fest. Mit dem Zeigefinger streichelte ich über ihre Haut. Ich atmete tief ein und betete, dass die Sache ein rasches und gutes Ende finden würde. Ging nicht auch der abendliche Überfall in Rio de Janeiro ist glimpflich über die Bühne? Uns wurde einiges an Geld und Reise-schecks abgenommen. Armbanduhren u. meine Fotokamera gingen ebenfalls verloren, doch hatten wir nicht Glück, dass Kathrin und ich nicht verletzt wurden? So schnell, wie die Männer an der Copacabana kamen, so schnell waren sie auch wieder in der Dunkelheit verschwunden. Konnte es nicht auch im Bus so schnell über die Bühne gehen? Das Geräusch der klimpernden Münzen unterbrach von Zeit zu Zeit die Stille. Hinter uns jammerte leise ein jüngeres Ehepaar. Direkt neben mir hörte ich schweres Atmen. Vorsichtig blinzelte ich mit einem Auge und sah den Mann mit der Strumpfmaske. Sein Gesicht war hässlich verzogen. Die Waffe hielt er schussbereit in der Hand. Bedrohlich und kalt ragte der Lauf mit der schwarzen Mündung in den Raum. Ich erwartete, dass er uns ein zweites Mal an-sprechen und mehr Geld verlangen würde. Ich kniff meine Augen wieder zu und spürte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn sammelte. An den Schläfen perlten die ersten Tropfen ab. Ich hörte das Wimmern der Mitreisende hinter mir. Ein verkrampftes Schluchzen bereitete mir Gänsehaut. Meine größte Furcht war, dass wir als Geiseln genommen oder Kathrin und ich getrennt würden. Während ich das Horrorszenario im Kopf weiter ausspielte, drehte sich der Maskierte um und ging nach draußen, von wo das Rumpeln der Gepäckfachklappen zu hören war. Der andere Mann lief auf und ab, und eine jüngere Frau sammelte das Geld mit einem Hut vom Fußboden auf. Die Gesamtsituation war nicht mehr durchschaubar. Welche Rolle spielte die Frau? War sie Mit Komplizin oder wurde sie dazu ge-zwungen, das Geld einzusammeln? Offen blieb auch, ob sich draußen weitere Komplizen befanden. Der Busfahrer fiel als möglicher Komplize aus. Er saß auf einem Sitz, schüttelte seinen gesenkten Kopf und hielt seine Arme vor dem Bauch verschränkt. Einige Minuten später verschwanden die Entführer mit den eingesammelten Wertge-genständen. Der Überfall schien überstanden, die Busentführung hatte ihr Ende gefunden. Behutsam erhoben sich die ersten Leute. Kathrin und ich trauten der Lage noch nicht recht und blieben noch einen Moment ruhig sitzen. Wir fragten uns, ob nicht noch eine andere Person zum Täterkreis dazugehöre, und die ganze Sache noch einmal kippen könne. Nach weiteren Minuten stand fest, der Überfall war über-standen. Es kam immer mehr Bewegung im Bus auf. Männer und Frauen griffen zum Handgepäck und eilten ins Freie. Eine Frau mit einem runden Blechkuchen in der Hand lief völlig verwirrt hin und her. Einige Leute liefen Hals über Kopf davon. Manche kamen zurück, nahmen weitere Habseligkeiten und verschwanden anschließend ebenfalls im Dunkeln. Was ist denn das jetzt hier? Ist die Sache nun vorbei? fragte ich Kathrin. Ich weiß nicht. Die Leute verhalten sich sehr merkwürdig, antwortete sie und schaute sich um. Sollen wir auch ins Freie gehen? Lass uns lieber noch ein Weilchen warten. Wer weiß, was dort draußen so passiert! Nach einigen Minuten kehrte wieder Ruhe ein. Mit etwa fünfzehn Verbliebenen saßen wir im verwaisten Bus. Die meisten Leute waren aus Furcht vor einer Rückkehr der Entführer verschwunden. Als auch wir uns endgültig sicher fühlten, gingen wir ins Freie. An der frischen Luft empfing uns ein funkelnder Sternen-himmel, wie er hätte schöner nicht sein können. Für mich war es der schönste und klarste, den ich je gesehen hatte. Ehrfurchtsvoll betrachteten wir die Milchstraße und sprachen über das soeben Erlebte. Mit ungeschnürten Stiefeln, die Weste mit den Papieren in der Hand, starrte ich zum Himmel und erschauerte. Das zweite Mal während unser Tour durch Brasilien kam es knüppeldick, und mir war bange bei dem Gedanken, was uns womöglich in Amazonen erwarte. Als wir wieder den Bus betraten, wurden wir von den anderen Insassen angeschaut, als kämen wir von einem anderen Planeten. Kathrin stellte den verbliebenen Frauen freundlich ein paar banale Fragen. Scheu gaben sie als Antwort nur unverständliches Zeug. Die Frau in der ersten Reihe las in der Bibel und betete leise. Immer wieder schloss sie ihre Augen u. murmelte vor sich hin. Nach der überstandenen Aufregung wurde ich von einem euphorischen Glücksgefühl gepackt, schaltete das Radio am Fahrersitz ein und tat eine Kassette in das Gerät. Brasilianische Musik dudelte in der Nacht. Lieder erklangen, die uns die gesamte Reise über begleiteten. Fast hätte ich mich hinter das Lenkrad gesetzt. Der Zündschlüssel steckte noch. Das Leben kehrte im Bus wieder zurück. Man kam ins Gespräch, und freundliche Worte wurden gewechselt. Eine junge Frau schenkte uns einen Lolli, und wir gaben ihr als kleine Aufmerksamkeit im Gegenzug einen Schluck aus unserer Trinkflasche. Die Zeit nahm ihren Lauf, Müdigkeit kam wieder auf, u. wir legten uns auf die Sitze u. dämmerten vor uns hin. Die Situation war grotesk. In einem verlassenen Reisebus saßen wir im dunklen brasilianischen Urwald auf einer von Gott verlassenen Sandpiste. Kurz zuvor wurden wir Opfer einer Entführung. Opfer eines in Lateinamerika alltäglichen Überfalls. Alles überspannend ein einzigartiger Sternenhimmel. Die funkelnden Himmelskörper leuchteten in voller Kraft. Von einem Moment zum anderen waren Motorengeräusche zu hören, und das Licht von nahenden Scheinwerfern erhellte Büsche u. Bäume des Waldes. Unbeschreiblicher Trubel begann ganz plötzlich. Die eingetroffene Polícia Federal lief mit schnittigen Uniformen und schweren Waffen umher. Polierte Pumpguns, Maschinenpistolen und langläufige Revolver wurden von den Männern der Bundespolizei herum-getragen. Gleichzeitig mit der Polícia Federal trafen drei Fernsehteams mit tragbaren Lichtfluter u. Kamera Ausrüstungen ein. Auch die hier verschwund-enen Reisenden waren wieder aus dem Nichts aufgetaucht. Ein buntes, quirliges Durcheinander entstand. Es wurde gefilmt, gestikuliert und diskutiert. Interviews wurden bereitwillig gegeben, als wenn es das Normalste der Welt sei. Mitten im Geschehen stolzierten die Uniformierten mit erhobenen Waffen und betraten den Bus. Seht her, es ist alles wieder unter Kontrolle. Die nächtliche Situation wurde äußerst peinlich. Leute, die den kleinsten Verstand besaßen, drängten sich in den Vordergrund und gaben die größte Anzahl an Interviews. Da war unter anderem die Frau, die zuvor wie besessen mit dem Blechkuchen umherlief. Sie gab den Fernsehteams ihre Erlebnisberichte in ihrer ganz besonderen Art ab. Mit den Armen rudernd, erzählte sie aus-schweifend von der Entführung, als ob sie hier der Mittelpunkt des gesamten Geschehens war. Dem Fernsehen war es recht. Die Kameraleute filmten alles, wirklich alles, was ihnen vor die Linse kam. Den Bus, die Sandstraße, die Leute, die stolzierende Polícia Federal und den Innenraum des Busses. Alles kam vor das Kameraobjektiv. Jeder wollte die besten Aufnahmen machen. Reporter gaben vor laufender Kamera überspitzt dramatische Meldungen, ganz in der typischen Art u. Weise des Reality-TV. Ernsthafte Befragungen wurden von Seiten der Bundespolizei nicht durchgeführt, Protokolle wurden, soweit ich beobachten konnte, nicht aufgenommen. Der Hauptteil der Polícia Federal verschwand dann auch sehr bald. Die Fernsehteams rückten ebenfalls genauso schnell ab, wie sie aus der Dunkelheit gekommen waren. Ihre Arbeit war getan. Aktuelle, brand-heiße Bilder waren aufgenommen worden. Nun, auf der Suche und Jagd nach weiteren spektakulären, nächtlichen Erlebnissen ging es weiter, dabei in Kontakt mit der Polizei bleibend oder ganz einfach den Polizeifunk abhörend. Es wurde festgestellt, dass eine alte Frau verschwunden war. Eine Suchaktion wurde gestartet, Männer liefen in den dunklen Wald. Vor lauter panischer Angst traute sich die alte Frau nicht mehr zurück zum Bus u. blieb im sumpfigen Dickicht des Waldes. Mit zerkratzten, aufgeschürften Beinen kehrten die Männer jedoch stolz zurück. Erfolg war zu verbuchen. Langsam und unsicher wankte die Frau zum Bus, umringt von den drauf los redenden Männern. Mein Blick fiel auf den jungen Busfahrer, der ebenfalls heftig umlagert wurde. Männer und Frauen redeten auf ihn ein, u. laute Wortfetzen flogen durch die Nacht. Nach ausführlichen Diskuss-ionen wurde beschlossen, nach Belém weiterzufahren. Ich war froh über diese Entscheidung, denn ich wollte diesen Ort endlich verlassen. Die aufregenden Stunden der Nacht hatten reichlich Nerven gekostet. Halbtot fiel ich nun neben Kathrin in den Sitz und schlief auf der Stelle fest ein. Als ich in der Frühe aufwachte, fuhren wir bereits durch die Vororte der Amazonasstadt Belém. Alles war wieder normal. Es schien, als sei alles nur ein böser Traum gewesen. Nochmals dachte ich über das Geschehene nach, und mir wurde klar, dass in Lateinamerika das Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden ungleich größer ist als in Mitteleuropa. Ich stellte mir nun vor, was bei einer früheren Ankunft der Polizei passiert wäre. Entweder hätten die Entführer wohl die Nerven verloren und wären Amok gelaufen, oder die schwer bewaffnete Staatspolizei hätte den Bus gestürmt, dann hätte niemand etwas zu lachen gehabt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Entführer klein beigegeben hätten. Was konnten sie auch verlieren? Die Polizei in Lateinamerika geht hier rustikaler zu Werke als anderswo, da schießt man gleich zurück. Bei unserer Ankunft in Belém wurden die Fahrkarten eingesammelt, damit keine nachträglichen Schadenersatz-ansprüche gestellt werden konnten. Das Kapitel Nächtliche Busentführung hinter Imperatrix wurde hiermit ge-schlossen, abgehakt und zu den Akten gelegt. Beim Aussteigen klopfte ich dem Busfahrer behutsam auf die Schulter und reichte ihm meine Hand. Mit einem gequälten Lächeln erwiderte er meine Verabschiedung. Er sah übermüdet und um Jahre gealtert aus. Kathrin und ich nahmen die zum Glück unangetasteten Rucksäcke aus dem Gepäckfach und liefen den Bürgersteig entlang. Die Sonne strahlte. Kein Wölkchen trübte den Himmel. Ein herrlicher Tag …

 

 

 

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203.  ©Bus hijacking in Pará

 

Kathrin and I had been sitting at the bus station in Imperatrix for two hours. The bus was changed, so we had a long break that we spent playing cards. It was already evening, and we were at a table in front of the restaurant there, doing our usual activities, which always passed the time at such moments. Rummy, one round followed the other. In front of the low building were a few chairs and tables with waiting travelers. Two buses were parked side by side in the parking lot. The cooling systems hummed softly and reminded me of huge insects. After the stopover in Imperatrix, our bus drove briskly along the expressway to the north. The last houses of the dragging city passed the windows. Next to me on the other side of the aisle were a woman and a man. She sat sleepy by the window, her head resting against the pane, and he was sitting directly in front of the on-board television, which was attached diagonally above him. The picture quality of the television was horrible, and the loud, noisy sound was a strain on my nerves. I wondered why in God's name no one could turn off this provocative flicker. My eyes fell on the man who made no move to operate the button. Does he have anything? He's staring into the air so strangely. The flickering and roaring television bothers me more and more. Immediately I got up and turned the knob. On off. Made. Suddenly it was quiet on the bus. No more bluish gray light illuminated the faces of the travelers. Only the typical driving noises could be heard. The on-board lighting was also switched off. As usual, the curtains in the driver's cab were drawn so that the beams of light coming in from the front of the oncoming vehicles did not disturb the sleeping passengers. Tired I put my head on Kathrin's shoulder. I dozed off, everything seemed to be the same as on my tour with the Greyhound bus across Canada. Everything as usual, I thought. Traveling by bus is actually always the same all over the world. I was just falling asleep when the bus began to rock after a good hour's drive. Was the quality of the road so bad or was it a detour? Tired, Kathrin and I looked out the window, strained our eyes and noticed that we were now driving on a sandy forest path. The headlights made their way in the dark. After a few meters the bus stopped. At first I suspected a breakdown, but I couldn't imagine that this was the reason to leave the main road. Or did you continue down a muddy sand runway from now on? Didn't I read that the Goiânia-Brasilia-Belém route was completely paved? In the corner of my eye I heard a sudden movement. Something metallic flashed. The man on the other side had jumped up with quick movements, had drawn a revolver and was now circling it in all directions. As he did so he shouted a few sentences in Portuguese, his eyes widening wildly. My first thought was that he was completely freaked out and angry about the interruption in the journey. It may not run completely smoothly in the head. He made a strange impression before. The man seemed completely banged to me. That assumption soon vanished as the man pounded the driver's cab with his fist. The door flew open and a second guy in a stocking mask came over. He too had a gun in his hand. One thing became clear: the situation was very serious. This was a raid. Our bus was hijacked! I stared at the two men in disbelief. It can only be a bad nightmare. The matter seemed to have been a tortured affair from the start, since leaving the Im-peratrix bus station. Outside it was total darkness. In the middle of the jungle, our coach stood on a sandy path. The engine was off now and the emergency lights glowed. How much bad luck can you have on a trip? I asked myself. How criminal is this country, this damned Brazil ?! Wasn't Rio enough already? You didn't have our naivete already punished? Have you not already lost your money and valuables on Copacabana Beach? The man in the stocking mask stepped back and his accomplice with the revolver looked at me, talked to me, and pointed to the inner corridor. I didn't understand a single word and my heart was racing. Should I kneel in the hallway? Was I the first victim because I happened to be in the front row? Should I now squat or lie down? Is he about to put the gun to my head to emphasize the seriousness of the robbery? Western tourists must be the first to believe in such kidnappings, don't they? Fear paralyzed me. I could already hear the fatal bang of the revolver and see my blood spurt on the corridor. Ele nicht fala português! Ele nicht entienda ti! Kathrin's urgent words came at the right moment. After Kathrin was able to make it clear to the kidnapper that I didn't understand his words, he became impatient. He said I should finally put my money in the hallway. Now I also halfway understood what was being said. I shouldn't lie down in the aisle, but my money should be there as soon as possible. I nervously reached into my trouser pockets. I got even hotter than I already was. I turned to Kathrin and whispered: Do you still have money? I only have change! No I do not think so. I gave you everything earlier. You know, we only wanted to exchange travelers checks again in Belém. What should I do now? Just put the change in the aisle, it's dark here on the bus. I took a real note and a handful of coins and put them on the floor of the coach. The money jingled softly. I started at the sound. What if he notices these meager handouts? He will feel fooled and angry. I was very concerned about these thoughts, as we were easily recognizable as foreigners and tourists. I was waiting for the next threatening words, but the man walked on with his gun and ordered the occupants of the bus to close their eyes and bow their heads. There was an oppressive silence on the bus, only the deep, fearful breathing and the low whimpering of the people could be heard. With my eyes tightly shut, I pressed myself into the seat. My hands clutched the cushion. It'll turn out fine. They surely only want the money, and then they disappear, whispered Kathrin and took my hand. It was comforting to feel her hand. I was delighted that she was sitting next to me and I gave her hand a tight squeeze. I stroked her skin with my index finger. I took a deep breath and prayed that this would end quickly and happily. Didn't the evening attack in Rio de Janeiro also go smoothly? Some money and travelers checks were taken from us. Wristwatches and my camera were also lost, but weren't we lucky that Kathrin and I weren't injured? As quickly as the men came to Copacabana, as quickly they were gone into the darkness. Couldn't it also happen so quickly on the bus? The sound of the clinking coins broke the silence from time to time. Behind us, a young couple whined softly. I heard heavy breathing right next to me. I blinked one eye carefully and saw the man in the stocking mask. His face was twisted ugly. He held the weapon ready to fire. The barrel with the black muzzle protruded threateningly and coldly into the room. I expected that he would approach us a second time and ask for more money. I closed my eyes again and felt sweat build up on my forehead. The first drops rolled off the temples. I heard my fellow travelers whimpering behind me. A cramped sob gave me goose bumps. My greatest fear was that we would be taken hostage or that Kathrin and I would be separated. While I continued to play out the horror scenario in my head, the masked man turned around and went outside, from where the rumble of the luggage compartment flaps could be heard. The other man ran up and and a younger woman picked up the money from the floor in a hat. The overall situation was no longer transparent. What role did the woman play? Was she an accomplice or was she forced to collect the money? It also remained open whether there were other accomplices outside. The bus driver failed as a possible accomplice. He was sitting on a seat, shaking his bowed head and keeping his arms crossed over his stomach. A few minutes later, the kidnappers disappeared with the valuables they had collected. The attack seemed to be over, the bus hijacking had come to an end. The first people rose cautiously. Kathrin and I didn't quite trust the situation and sat quietly for a moment. We asked ourselves whether another person might not belong to the group of perpetrators and could turn the whole thing over again. After a few more minutes it was clear that the attack was over. There was more and more movement on the bus. Men and women grabbed their hand luggage and hurried outside. A woman with a round sheet cake in her hand paced back and forth, completely confused. Some people ran away headlong. Some came back, took more belongings and then also disappeared into the dark. What is this here now? Is it over now? I asked Kathrin. I do not know. People act very strangely, she replied, and looked around. Shall we go outside too? Let's wait a while longer. Who knows what's going on out there! After a few minutes, calm returned. We sat in the orphaned bus with about fifteen people left. Most of the people had disappeared for fear of the kidnappers returning. When we too finally felt safe, we went outside. In the fresh air we were greeted by a sparkling starry sky that couldn't have been more beautiful. For me it was the most beautiful and clearest I had ever seen. We looked in awe at the Milky Way and talked about what we had just experienced. With untied boots, vest and papers in hand, I stared at the sky and shuddered. The second time during our tour through Brazil it was rock solid, and I was afraid of what might await us in the Amazons. When we got back on the bus, the other occupants looked at us as if we were from another planet. Kathrin kindly asked the remaining women a few mundane questions. They shyly answered only incomprehensible stuff. The woman in the first row was reading the Bible and praying softly. Again and again she closed her eyes and mumbled to herself. After surviving the excitement, I was seized with a feeling of euphoria, turned on the radio in the driver's seat and put a cassette into the device. Brazilian music played in the night. Songs rang out that accompanied us throughout the journey. I almost got behind the wheel. The key was still in the ignition. Life came back on the bus. A conversation started and friendly words were exchanged. A young woman gave us a lollipop and we gave her a sip from our water bottle as a small gift in return. Time ran its course, tiredness came up again, and we lay down on the seats and twilighted in front of us. The situation was grotesque. In an abandoned coach we sat in the dark Brazilian jungle on a sandy track that God had forsaken. Shortly before, we were kidnapped. Victim of a common raid in Latin America. A unique starry sky spans everything. The sparkling celestial bodies shone in full force. From one moment to the next the noise of the engine could be heard, and the light from the approaching headlights illuminated the bushes and trees of the forest. Indescribable hustle and bustle began all of a sudden. The newly arrived Polícia Federal was walking around in sleek uniforms and heavy weapons. Polished pump guns, submachine guns and long-barreled revolvers were carried around by the men of the federal police. At the same time as the Federal Police, three television crews arrived with portable floodlights and camera equipment. The travelers who had disappeared here had also reappeared from nowhere. A colorful, lively mess was created. It was filmed, gesticulated and discussed. Interviews were willingly given as if it were the most normal thing in the world. In the middle of the action, the uniformed men strutted with their weapons raised and entered the bus. See, it's all under control again. The nighttime situation became extremely embarrassing. People with the smallest minds pushed themselves to the fore and gave the greatest number of interviews. Among other things, there was the woman who previously ran around obsessively with the sheet cake. She gave the television teams their reports in a very special way. Rowing her arms, she talked about the kidnapping at length, as if she were the focus of everything. It was fine with television. The cameramen filmed everything, really everything, that came in front of the lens. The bus, the dirt road, the people, the strutting Polícia Federal and the interior of the bus. Everything came in front of the camera lens. Everyone wanted to get the best shots. Reporters gave exaggerated dramatic reports in front of the camera, in the typical manner of reality TV. The Federal Police did not conduct any serious questioning, and as far as I could see, no protocols were recorded. The main part of the Polícia Federal soon disappeared. The television crews were also leaving as quickly as they had come out of the dark. Your job was done. Current, hot pictures were taken. Well, in search and hunt for more spectacular, nocturnal experiences, we continued, staying in contact with the police or simply listening to the police radio. It was found that an old woman had disappeared. A search was started, men ran into the dark forest. Out of sheer panic fear, the old woman didn't dare to go back to the bus and stayed in the swampy thicket of the forest. However, the men returned proudly with their legs scratched and bruised. Success was recorded. Slowly and uncertainly, the woman staggered to the bus, surrounded by the men talking on it. My eyes fell on the young bus driver, who was also violently besieged. Men and women talked to him, and loud scraps of words flew through the night. After extensive discussions it was decided to continue to Belém. I was happy with this decision because I wanted to finally leave this place. The exciting hours of the night had been very nerve-wracking. Half dead I fell into the seat next to Kathrin and fell asleep on the spot. When I woke up in the morning, we were already driving through the suburbs of the Amazon city of Belém. Everything was back to normal. It seemed like it was all just a bad dream. I thought again about what had happened and I realized that the risk of falling victim to a crime in Latin America is far greater than in Central Europe. I now imagined what would have happened if the police had arrived earlier. Either the kidnappers would have lost their nerve and run amok, or the heavily armed state police would have stormed the bus, then nobody would have had anything to laugh about. I couldn't imagine the kidnappers giving in. What could they lose too? The police in Latin America are more rustic here than elsewhere, and they shoot back immediately. When we arrived in Belém, the tickets were collected so that no subsequent claims for damages could be made. The chapter Nocturnal bus hijacking behind Imperatrix was hereby closed, ticked off and put to the files. As I got off I patted the bus driver gently on the shoulder and gave him my hand. He returned my goodbye with a tortured smile. He looked overtired and years old. Kathrin and I took the luckily untouched rucksacks out of the overhead bin and walked down the sidewalk. The sun was shining. Not a single cloud clouded the sky. A wonderful day ...