188.  ©Zeit ist Geld / oder? ...

 

Unterwegs zu einem Kundenbesuch saß ich auf dem Beifahrersitz im Auto meines Abteilungsleiters. Schon innerhalb der Ortschaft war mir bei dessen Fahrstil sehr unwohl. Bei der dritten Ampel, die er bei gelb überfahren hatte, fragte ich noch höflich, warum er es so eilig habe. Seine Antwort lautete: Zeit ist Geld! Als er auf der Landstraße sämtliche Verkehrsschilder u. Geschwindigkeitsbegrenzungen ignorierte, bat ich eindringlich: Könnten Sie bitte etwas langsamer fahren? Doch er lachte mich nur aus und meinte, dass Frauen doch sehr schlechte Beifahrer wären. In diesem Zuge setzte er seinen Blinker und überholte in halsbrecherischer Geschwindigkeit drei Lastwagen, obwohl eine unübersichtliche Kurve vor uns lag! Dieses gefährliche Überholmanöver gab mir den Rest! Sie halten jetzt hier sofort an und lassen mich aussteigen. Ich rufe mir ein Taxi! Einige Jahre später stand ich bei einer Betriebsver-sammlung auf der Bühne und erhielt vor Kollegen und Vorgesetzten, anlässlich meines 25-jährigen Dienstjubilä-ums, viele Dankesworte sowie Blumensträuße. Als Abschlussredner kam mein damaliger rasanter Abteilungsleiter, welcher mittlerweile zu den Vorständen zählte, mit einem überdimensionalen Blumengebinde lächelnd auf mich zu. Über Mikrofon sprach er zu den Hunderten von Menschen im Saal: Dieser Frau bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, denn sie hat vor Jahren vermutlich mein Leben gerettet! Nicht nur ich war gespannt, welche Worte dieser Einleitung folgen würden. Im ganzen Raum herrschte absolute Stille. Er erzählte von der damaligen, lange zurückliegenden Autofahrt, als ich zum ersten und zum letzten Mal als Beifahrerin in seinem Wagen gesessen war. Sie erklärte mir damals, dass ihre Tochter ihren Vater nie kennenlernen konnte, da er kurz vor deren Geburt unverschuldet bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, verursacht von einem Raser wie mir! Meine Damen und Herren, ich bin nicht stolz auf mein damaliges, halsbrecherisches Fahrverhalten. Ich hatte bis dahin sogar noch Vergnügen daran, wenn meine Beifahrer schweißgebadet oder bleich im Gesicht mein Fahrzeug ver-ließen. Aber ich bin stolz auf diese Frau, die sich als einzige getraut hat, mir gehörig die Leviten zu lesen! Ab diesem Tag, jedes Mal, wenn ich wieder mein Gaspedal durchtreten oder wieder zum unvorsichtigen Überholmanöver ansetzen wollte, hörte ich die Stimme dieser Frau: Verursacht von einem Raser wie mir!

  

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Ein Mann sitzt mit seinem 17-jährigen Sohn im Zug. Mit großen Augen schaut der junge Mann aus dem Fenster und fragt: Papa, ist das eine Kuh? Der Vater lächelt und antwortet: Ja, mein Sohn. Aufgeregt spricht der Junge weiter: Papa, diese Blumen sind Sonnenblumen, oder? Die Antwort lautet wieder: Ja, mein Sohn. Viele weitere Fragen folgen: Papa, ist das ein Lastwagen?, eine Tanne?, ein Hubschrauber?, ein hoher Berg? Stets folgt dieselbe Antwort: Ja, mein Sohn. Zwischendurch zeigt der Vater in eine Richtung und sagt: Schau, mein Sohn, der Vogel ist ein Bussard, dieser Baum ist eine Eiche und dort ist ein Rapsfeld. Ein Fahrgast, der den beiden gegenübersitzt, spricht den Vater nach einer Weile an: Bei allem Respekt, das Verhalten Ihres Sohnes ist doch sehr merkwürdig. Gespreizt weist er ihn darauf hin, dass es heutzutage doch sehr gute Kliniken für Fälle wie diesen gäbe und die Medizin in alle Richtungen große Fortschritte mache. Der Vater unterbricht ihn: Wie recht Sie doch haben!, ruft er u. fährt freund-lich fort: Von solch einer Fachklinik kommen wir gerade. Mein Sohn hat vor zwölf Jahren sein Augenlicht verloren und kann seit wenigen Tagen wieder sehen. Sichtlich beschämt senkt der Mann den Blick. Nach einer Weile aber wendet er sich dem Jungen zu; Junger Mann, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Und nach einer Pause sagt er noch: Und ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir eben aufgezeigt, dass ich vieles Wertvolle im Leben gar nicht mehr wahrnehme, weil ich es für selbstverständlich gehalten habe.

 

 

 

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188.  ©Time is money / right? ...

 

On the way to a customer visit, I sat in the passenger seat of my head of department's car. Even within the village, I was very uncomfortable with his driving style. At the third traffic light, which he had passed at yellow, I politely asked why he was in such a hurry. His answer was: time is money! When he ignored all traffic signs and speed limits on the country road, I asked urgently: Could you please drive a little slower? But he just laughed at me and said that women are very bad passengers. In the course of this, he turned on his indicator and overtook three trucks at breakneck speed, even though a blind bend lay ahead of us! This dangerous overtaking maneuver did the rest for me! You will stop here immediately and let me get out. I'll call a taxi! A few years later I was on stage at a works meeting and received many words of thanks and bouquets of flowers in front of colleagues and superiors on the occasion of my 25th anniversary with the company. As the final speaker, my then fast-paced department head, who was now a member of the board, came up to me with an oversized bouquet of flowers, smiling. He spoke over the microphone to the hundreds of people in the hall: I owe special thanks to this woman because she probably saved my life years ago! Not only I was curious to see which words would follow this introduction. There was absolute silence in the whole room. He talked about the long past drive back when I was a passenger in his car for the first and last time. She explained to me at the time that her daughter could never get to know her father, because shortly before her birth he had died through no fault of her own in a traffic accident caused by a speedster like me! Ladies and gentlemen, I am not proud of my breakneck driving behavior back then. Until then, I even had fun when my passengers left my vehicle bathed in sweat or pale in the face. But I am proud of this woman who was the only one who dared to read the riot act properly for me! From that day on, every time I stepped on my gas pedal again or wanted to start a careless overtaking maneuver, I heard the voice of this woman: Caused by a speeder like me!

  

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A man is sitting on the train with his 17-year-old son. The young man looks out the window with wide eyes and asks: Dad, is that a cow? The father smiles and replies: Yes, my son. The boy continues excitedly: Dad, these flowers are sunflowers, aren't they? The answer is again: yes, my son. Many more questions follow: Dad, is that a truck?, A fir tree?, A helicopter? A high mountain? The answer is always the same: Yes, my son. In between, the father points in one direction and says: Look, my son, the bird is a buzzard, this tree is an oak and there is a field of rape. A passenger sitting across from the two speaks to his father after a while: With all due respect, your son's behavior is very strange. He pointed out that nowadays there are very good clinics for cases like this and that medicine is making great strides in all directions. The father interrupts him: How right you are! He calls and continues in a friendly manner: We have just come from such a specialist clinic. My son lost his sight twelve years ago and has been able to see again for a few days. Obviously ashamed, the man looks down. But after a while he turns to the boy; Young man, I have to apologize to you. And after a pause he says: And I want to thank you. You have just shown me that I no longer notice a lot of valuable things in life because I took it for granted.