177.  ©Gewissensbisse? Umarmung des Glücks?

 

Das was ganz spontan kommt, sind die ehrlichsten Zeilen. Ja, das ist wohl so. Somit dürften dies die ehrlichsten Zeilen sein, die ich in diesem Jahr schreibe. Ich sitze auf meinem Sofa, eingemummelt in meine Kuscheldecke u. tippe Wort für Wort, ohne großartig darüber nachzudenken. Ohne Schnickschnack Wörtern, ohne schlechtem Gewissen. Ein wenig ist es mir aber schon unangenehm. Wie gesagt, es sind ziemlich ehrliche Zeilen, aber ich brauche sie. Für mich. Um sie schlicht und ergreifend los zu werden. Sich etwas von der Seele zu schreiben nennt man das. Und das habe ich schon mein Leben lang getan. Immer dann, wenn sich etwas Überwältigendes nun abgespielt hat, habe ich den Laptop in die Hand genommen oder eines meiner Millionen Notizbücher, Tagebücher, sonstige Zettel oder Blöcke. Die Zahl Million ist natürlich übertrieben, aber ich habe und hatte ja in der Tat, schon immer einen Hang für Papeterie-Kram. Wie auch immer, jedenfalls habe ich schon immer meine Gedanken und Gefühle zu Papier gebracht, und sehr lange Zeit habe ich das nur für mich alleine gemacht. Selbsttherapie sozus-agen. Oder zumindest eine Art Selbstreflexion. Ja, dieses Wort trifft es hier sehr, sehr gut. Ich kann von mir be-haupten, dass ich ein sehr reflektierter Mensch bin, wahrscheinlich übertreibe ich es manchmal mit der Analyse meiner Umgebung, meiner Mitmenschen und meinem eigenen Seelenleben. Aber irgendwie muss ich einfach über das nachdenken, was mich beschäftigt. Eigentlich ist es, zumindest für mich selbst, ein gutes Zeichen, wenn ich das tue, denn dann weiß ich, dass ich das, was mir so durch den Kopf spukt, auch angenommen habe und ich dabei bin, es zu verarbeiten. Was wohl auch der Grund ist, warum ich das schreiben kann, was ich jetzt eben schreibe. Weil ich mich mit dem Gedanken angefreundet habe, dass dieses Jahr alles andere als einfach war. Und doch war es notwen-dig, um genau dort zu stehen, wo ich aber jetzt stehe. Jetzt muss ich ja wohl doch ganz kurz etwas gefühlsduselig werden, aber um den metaphorischen Ort zu beschreiben, an dem ich mich gerade befinde, benötigt es ein oder zwei kitschige Bilder: Ich treibe in einem weißen, kleinen Papierboot und habe alle an Bord, die ich zum glücklich sein brauche. Das sind ganz schön viele Menschen und eigentlich ist es erstaunlich, dass sie alle in meinem kleinen Leben, ähm Boot Platz haben. Jedenfalls tun sie das tatsächlich und es geht mir richtig gut hier. Klar, es gibt die ein oder andere Welle, die sich an meiner schwimmenden Nussschale mal bricht, aber das macht im Grunde nichts. Einige Menschen, waren nicht mutig genug, um mit mir die Weltmeere zu durchqueren, harte Lektionen waren es, große Wellen, die sie aus meinem Boot geworfen haben. Und einige Zeit war ich auch sehr traurig darüber. Aber wisst ihr was? Das Gefühl alleine weiter zu segeln hatte ich aber nie. Nicht eine kleine Sekunde lang. Denn die aller wichtigsten sind bei mir geblieben. Und neue, unglaubliche Menschen habe ich mit an Bord geholt. Und als ich von Neuem erkannt habe, wie wunderbar meine Besatzung ist, umso glücklicher und gestärkter ging ich aus dem Sturm dieses Jahres hervor. So, Stopp! Das war mehr als genug an kitschig emotionalen Bildüberschuss. Eigentlich möchte ich euch von dem einen Moment erzählen, an dem ich ganz bewusst das Glück wieder in die Arme schloss. Also, es gab viele schöne Augenblicke, die dazu beigetragen haben, aber es gab irgendwie diesen einen Moment, wo all das Alte von mir abgefallen ist. Und lustig erweise war das ein Moment, in dem ich ganz alleine war, ohne meine Besatzung. Aber nun von vorne. Es geschah an einem Tag im Außendienst in meinem neuen Job, ein Tag, über den ich anschließend einen Erlebnisbericht schreiben sollte. Ihr könnt euch vorstellen, dass der Text aufgrund meiner Euphorie nach diesen für mich geschichtsträchtigen Stunden, wirklich gut geworden ist. Wie auch immer, ich durfte einen Tag in einem Hotel in Kaltern verbringen und sollte anschließend noch eine kurze Herbstwanderung machen. Ich beschloss auf die Leuchtenburg zu wandern, dieses Ziel hatte ich schon lange lange Zeit vorher im Visier, habe es aber irgendwie nie geschafft, den Marsch anzugehen. Da ich etwas unter Zeitdruck war, weil ich später meinen Sohn abholen musste, ging ich ziemlich schnellen Schrittes los. Es war der letzte Herbsttag des Jahres und auch ziemlich schwül. Ich hatte angesichts dieser drückenden Temperaturen zu viel an u. war zu schnell unterwegs. Eigentlich wollte ich ja diese Wanderung auch genießen, aber die Zeit erlaubte es mir schlichtweg nicht. Und es ging steiler auf diesen verdammten Hügel hinauf, als ich erwartet hatte. Als meine Puste ziemlich schnell ausging, erinnerte ich mich wieder mal daran, dass ich viel zu wenig Sport machte, aber ganz ehrlich: Mir fehlt als allein, erziehende und wieder arbeitende Mama schlichtweg die Zeit dafür. Mir fehlt die Zeit, endlich mal wieder in der frischen Morgen-luft joggen zu gehen. Mir fehlt die Zeit zum Reisen, mir fehlt die Zeit zum Schreiben (ich würde nämlich viel mehr schreiben, wenn ich denn könnte, zum Malen ja, ich male, bzw. würde ich es gern wieder mal und endlich mal wieder ein gutes Buch zu lesen oder einfach mal nichts zu tun. Die Zeit für mich selbst. Aber mein Leben ist beinah minutiös verplant. Das ist oft hart und ganz ehrlich: Manchmal möchte man halt einfach die Zeit haben, die einem zusteht. Und die habe ich nicht und ich fragte mich, als ich da diesen Hügel erklomm, der mir in jenem Moment wie ein 2000er vorkam, ob es mich so zu einer schlechteren Mutter macht, wenn ich manchmal den Wunsch habe, nur für mich zu sein. Und ich fragte mich, keuchend und schwitzend, ob ich verrückt sei, dass ich deshalb ein schlechtes Gewissen hatte. Ich ärgerte mich etwas über mich selbst und darüber, meine Gedanken, die ich schließlich doch für ganz okay befand, verurteilt zu haben. Und ich ärgerte mich, dass ich an diesem Nachmittag nicht früher aufge-brochen war, und die eigentlich schon lang geplante Wanderung zu unternehmen, um mit mehr Gemütlichkeit und mehr Genuss, dieses solo Pfad zu begehen, wenn ich denn schon endlich mal alleine war! Stattdessen fuhren meine Gedanken wieder mal ihre Lieblingsachterbahn u. an all dem Guten u. auch Schlechten der letzten Monate vorbei. Rauf und runter. Spielten alle Szenen immer und immer wieder durch. Machten mich traurig und wütend und stolz und überglücklich. Ich wunderte mich, wie viel emotionsgeballtes Leben in einer kleinen Welt wie der meinen, so doch Platz hat. Wahnsinn, oder? Jedenfalls sprintete ich beinahe den Waldweg hinauf, schwitzte wie ein Schwein und war froh, irgendwann doch angekommen zu sein. Die Hitze hatte sich gelegt und die Leuchtenburg warf ihren riesigen Schatten auf mich. Und dann war es plötzlich still. Um mich herum waren keine anderen Wanderer mehr. Keine Geräusche aus dem Tal konnte ich vernehmen und das Erstaunlichste, in meinem Kopf wurde es auch leise. Endlich. Dieses majestätische Steindings, das hier auch noch aus der Nähe betrachtet wirklich hübsch anzusehen war, erhob sich vor mir, hieß mich Willkommen und verbot mir jeglichen weiteren Gedanken. Mir wurde klar, dass ich gerade eine ganze Burg und nur einen ganzen Miniaturberg für mich alleine hatte. Das war zugegebenermaßen ziemlich cool und ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen auf abenteuerlicher Entdeckungstour. In die Burg rein, in jede Tür hineingespäht, nach oben geblickt und ringsum. Um die Burg herum und Aussichtsfetzen erhascht. Eine Fahne, die im Wind über meinem Kopf herum wehte. Und dann war da mehr als nur ein Fetzen. Da war eine wund-ervolle Aussicht, die ganz allein mir gehörte. Mir alleine. Ich kletterte auf die Burgmauer, von der aus ich wirklich diese Errungenschaft vollends genießen wollte und blendete meine zitternden Knie und meine Höhenangst aus. Ich wollte mir ein Andenken schaffen und hey: Sollte ich nicht meinen Kopf ausschalten? So hatte es mir die Leucht-enburg angetragen und ich tat es dann auch. So saß ich da, mit zitternden Beinen, zufrieden und doch etwas an-dächtig und spürte, wie eine Welle des Glücks mein Papierboot an stupste. Wie ich tatsächlich, mal ganz für mich war. Ich spürte, wie schön es war, dass, wenn ich gleich von meinem persönlichen, symbolischen 2000er Berg hin-unterstieg, ich nicht alleine war, sondern ich all jene Menschen nur um mich haben würde, die ich liebte. Die mich liebten. Denen ich jede stürmische Welle wert war und die ich niemals aus meinem kleinen Boot fort gehen lassen würde. Tief im Inneren nahm ich Abschied. Nicht nur vom Sommer, nein, auch von diesem großen Jahr der Verän-derung, es endete für mich an diesem letzten Herbsttag, Ende September. Ich fand, das war ein guter Zeit-punkt nun ein neues Jahr einzuläuten. Dazu muss nicht unbedingt Silvester sein. Ein viel zu heißer Herbsttag und eine kleine Burg reichen da schon völlig aus.

 

 

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177.  ©Remorse? Hug of happiness?

 

What comes spontaneously are the most honest lines. Yes, that is probably the case. So these should be the most honest lines I write this year. I sit on my sofa, wrapped in my blanket and type word for word without thinking too much. No frills words, no guilty conscience. But it's a little uncomfortable for me. As I said, the lines are pretty honest, but I need them. To me. To simply get rid of them. It's called writing something from your soul. And I've done that all my life. Whenever something overwhelming happened, I picked up the laptop or one of my millions of notebooks, diaries, other pieces of paper or pads. The number million is of course an exaggeration, but I have always had a penchant for stationery stuff. Anyway, I've always put my thoughts and feelings on paper, and for a very long time I've only been doing this for myself. Self-therapy, so to speak. Or at least some kind of self-reflection. Yes, that word applies very, very well here. I can say of myself that I am a very reflective person, I probably sometimes exaggerate it with the analysis of my surroundings, my fellow human beings and my own soul life. But somehow I just have to think about what's on my mind. Actually, at least for myself, it is a good sign if I do that, because then I know that I have also accepted what has haunted my head and that I am in the process of processing it. Which is probably the reason why I can write what I am writing now. Because I made friends with the idea that this year was anything but easy. And yet it was necessary to stand exactly where I am now. Now I have to get a bit emotional for a moment, but to describe the metaphorical place where I am right now, it takes one or two cheesy pictures: I am floating in a white, small paper boat and have everyone on board who do I need to be happy That's a lot of people and it's actually amazing that they all have room in my little life, um boat. Anyway, they actually do, and I'm doing really well here. Sure, there are waves that break on my floating nutshell, but that doesn't really matter. Some people were not brave enough to cross the oceans with me, it was hard lessons, big waves that threw them out of my boat. And for a while I was very sad about it. But you know what? But I never had the feeling of sailing on by myself. Not for a tiny second. Because the most important ones stayed with me. And I brought new, incredible people on board. And when I realized again how wonderful my crew is, the happier and stronger I emerged from this year's storm. So stop! That was more than enough of a cheesy emotional excess of images. Actually, I would like to tell you about the one moment when I consciously embraced happiness again. So, there were a lot of nice moments that contributed to it, but there was somehow that one moment when all the old fell away from me. And funny enough it was a moment when I was all alone, without my crew. But let's start at the beginning. It happened on a day in the field at my new job, a day that I was then supposed to write an experience report about. You can imagine that the text turned out really good because of my euphoria after these hours, which for me were steeped in history. Anyway, I was allowed to spend a day in a hotel in Kaltern and then I should go on a short autumn hike. I decided to hike to the Leuchtenburg, this goal I had in my sights a long time before, but somehow I never managed to tackle the march. Since I was a little pressed for time because I had to pick up my son later, I started walking rather quickly. It was the last day of autumn of the year and it was also quite humid. In view of these oppressive temperatures, I was wearing too much and was traveling too fast. Actually, I wanted to enjoy this hike too, but the time simply didn't allow me. And it was steeper up that damn hill than I expected. When my breath ran out pretty quickly, I reminded myself again that I did too little sport, but to be honest: As a single, raising and working mom, I simply don't have the time for it. I don't have the time to finally go jogging in the fresh morning air again. I don't have the time to travel, I don't have the time to write (because I would write a lot more if I could, for painting yes, I paint, or I would like to read a good book again and finally again or just doing nothing. The time for myself. But my life is almost meticulously planned. That is often tough and very honest: Sometimes you just want to have the time that you deserve. And I don't have that and I asked me as I climbed that hill that felt like a 2000s at that moment, whether it makes me a worse mother when I sometimes want to be just to myself, and I wondered, panting and sweating whether I was crazy that I felt guilty about it. I was angry at myself and at having condemned my thoughts, which I finally found okay. And I was angry that I had that afternoon not set out earlier and to undertake the hike that had actually been planned for a long time in order to walk this solo path with more comfort and more enjoyment, when I was finally alone! Instead, my thoughts drove once again to their favorite roller coaster and all the good and bad of the last few months. Up and down. Played through all the scenes over and over again. Made me sad and angry and proud and overjoyed. I was amazed at how much emotion-packed life there is in a small world like mine. Crazy, right? In any case, I almost sprinted up the forest path, sweated like a pig and was happy to have arrived at some point. The heat had subsided and the Leuchtenburg cast its huge shadow on me. And then suddenly it was quiet. There were no other hikers around me. I couldn't hear any noises from the valley and the most amazing thing was that it went quiet in my head. Finally. This majestic stone thing, which was really pretty to look at from close up, rose in front of me, welcomed me and forbade me to think again. I realized that I just had a whole castle and just a whole miniature mountain to myself. That was admittedly pretty cool and I felt like a little girl on an adventurous journey of discovery. Into the castle, peered into every door, looked up and all around. Around the castle and scraps of views caught. A flag waving in the wind over my head. And then there was more than a scrap. There was a wonderful view that was all mine. Me alone. I climbed the castle wall, from which I really wanted to fully enjoy this achievement and blocked out my trembling knees and my fear of heights. I wanted to create a souvenir and hey: Shouldn't I turn my head off? This is what the Leuchtenburg suggested to me and I did it too. So I sat there with trembling legs, satisfied and yet a little reverent, and felt a wave of happiness nudging my paper boat. How I was actually, once completely to myself. I felt how nice it was that if I immediately descended from my personal, symbolic 2000-meter mountain, I was not alone, but I would have all those people around me whom I loved. Who loved me Which I was worth every stormy wave and which I would never let go of my little boat. Deep down, I said goodbye. Not only from summer, no, also from this great year of change, it ended for me on that last day of autumn, at the end of September. I thought it was a good time to ring in a new year. It doesn't necessarily have to be New Year's Eve. A far too hot autumn day and a small castle are enough.