169.  ©Ein Stück vom Glück

 

Das Leben, wie ein ständiger Treppenlauf. Sein Rücken schmerzte. Der Muskelkater in seinen Beinen brannte noch vom Vortag. Auch die folgenden Arbeitsstunden werden mit seinem Körper kein Erbarmen haben. Das T-Shirt, der Hosenbund, sein ganzer Körper waren schweißdurchtränkt, der Stoff klebten auf seiner Haut, mit Dreck überzogen. An eine Erholung war noch lange nicht zu denken. Wie ein Packesel schleppte er sich mit den randvoll beladenen Bauschutteimern zum Container, wo er mit letzter Kraft die Kübel nacheinander auf die Kante hievte, um ihren Inhalt in den Stahlbehälter zu versenken. Seit drei Tagen entkernte er bereits die Dachgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses. Eigentlich hatte er nichts gegen harte und anstrengende Arbeit. Es war schließlich sein Job, doch diese Baustelle übertraf alles, was er bisher an Arbeit erlebt hatte. An die fünfzig/sechzig Mal war er bereits die fünf Stockwerke nach unten gegangen und musste sich dementsprechend oft wieder nach oben schleppen. Dazu kamen noch die Abrissarbeiten und das Verfüllen der Eimer. Man sollte meinen, dass der Weg nach oben mit den leeren und im Vergleich fast schon federleichten Eimern eine Erholung darstellte, doch das Gegenteil war der Fall. Es ist schlimmer, gegen die Schwerkraft seinen Körper die Stufen, deren Anzahl er genauso oft gezählt hatte wie er sie vergessen hatte, hoch zu bugsieren. Jeder Tritt war mit einer Kniebeuge im Sport zu vergleichen, und bei fünftausend Kniebeugen ist man schon im Bereich des Leistungssports angelangt. Dieser Leistungssport wird für ihn an jenem Tage, etwa zur Mittagszeit, zum Hochleistungssport gesteigert. Es war jetzt die Zeit, in der der Chef mit der ersten Fuhre des Materials, welches zum Wiederaufbau der Wohnung benötigt wurde, vorbeikommen wollte. Wie er diese Baustelle verfluchte. Dieser Job war die schlimmste Tortur die er jemals erlebt hatte und die sengende Sonne war an diesen Tagen auch keine Wohltat. Innerlich schimpfte er darüber, dass es an diesem Haus keine Möglichkeit gab, eine Müllrutsche anzubringen, und am zweiten Tag nach der Frühstückspause war er kurz davor gewesen, die Eimer in die Ecke zu feuern und nach Hause zu gehen, wenn auch nur in Gedanken, denn eine Arbeit einfach hinzuschmeißen konnte er sich in diesem Leben nicht mehr erlauben. Diesen Job durfte er auf keinen Fall verlieren. Keiner würde ihm jemals wieder eine Chance geben. Ihm, dem ungelernten Ex-Häftling, der ja eine dreiköpfige Familie zu ernähren hatte. Seine ganze Berufserfahrung bestand also nur aus der Erledigung von Tätigkeiten auf dem Bau, für die man ja keine Berufsausbildung benötigte. Sein jetziger Chef war der Einzige, der sich vor einem Jahr bereit erklärte, dem gerade aus der Haft Entlassenen einen Arbeitsplatz zu geben. Der neue Arbeitgeber war keiner von diesen Ausbeutertypen, für die der junge Mann vor seiner Haft des Öfteren arbeiten musste, solche, die meinten, sich mit einem ungelernten Bauhelfer alles erlauben zu können. Sicher, sein Chef forderte auch einiges von seinen Angestellten ab, aber er entlohnte das auch entsprechend. Er habe auch ganz unten angefangen und weiß, was es heißt, hart zu knüppeln, betonte der Unternehmer immer wieder. Kurz vor Mittag kam dieser dann zusammen mit einem Gesellen und brachte sowohl Baumaterial als auch belegte Brötchen mit. Obwohl noch nicht, wie geplant, der ganze Bauschutt aus der Wohnung verschwunden war, gab es keinen Ärger für den Bauhelfer. Die drei aßen einträchtig zusammen die Brötchen. Dann schafften sie zu dritt das Material nach oben und nahmen jeder auf dem Weg nach unten etwas von dem Müll mit. So ging alles viel schneller und machte sogar fast ein bisschen Spaß. Es war jemand da, mit dem er ein paar Worte wechseln konnte, was ein wenig von der Schwere der Arbeit ablenkte. Den Arbeitskollegen konnte der Bauhelfer nicht genau einschätzen. Ist er wirklich nett oder tut dieser nur so und verachtet mich in Wirklichkeit? Mit solchen Gedanken schaffte sich der Ex-Sträfling ein weiteres Problem, denn ständig hatte er immer das Gefühl, dass er nur wegen seiner Vergangenheit von seinen Mitmenschen verurteilt wurde. Doch diese Gedanken wollte er sich zukünftig nicht mehr machen. Er versuchte, zu jedem freundlich zu sein und bekam meistens auch freundliche Worte zurück. Es gibt nicht viele, die von seinen Vorstrafen wissen, und Knacki steht ihm ja nun wirklich nicht auf der Stirn geschrieben. Am späten Nachmittag war dann alles geschafft und er hoffte sehr, dass er am nächsten Tag nicht gleich zur nächsten Abriss, oder einer Bauaufräumstelle geschickt wird. Viel lieber würde er dem Gesellen beim Aufbau der Wände helfen. Ab und zu hat er schon bei solchen Arbeiten mitgemacht, auch in anderen Firmen. Da konnte er zeigen, dass auch er, der Ungelernte ohne Schulabschluss, wirklich einiges mehr drauf hatte als Mauern einzureißen und Dreck zu schleppen. Als der Vierundzwanzigjährige den Wohnungsschlüssel ins Schloss steckt und langsam die Tür öffnete, strahlte ihn seine fünfjährige Tochter mit ihren großen braunen Augen aus der Küche entgegen. Bei diesem Anblick wusste er, warum er die Eimer nicht in die Ecke gepfeffert hatte. Vergessen war der schmerzende Körper und als die Kleine mit offenen Armen den Flur entlanglief, hob er sie leicht wie eine Feder vom Boden hoch und drückte sie fest an sich. Dabei überlegte er, wie seine Frau wohl reagieren wird, wenn er ihr erzählt, dass er mit seinem Chef noch ein Gespräch unter vier Augen hatte. Der Firmeninhaber hatte ihn, was noch niemand zuvor getan hatte, für seinen Arbeitseinsatz und seine Zuverlässigkeit gelobt. Diese Anerkennung wurde noch mit einem Euro Lohnerhöhung pro Stunde unterstrichen. Auch wenn sich das nach nicht so viel anhörte, würde es am Ende des Monats, nach Abzügen, doch so um die Hundertzwanzig Euro ausmachen. Zudem hatte der Unternehmer betont, dass er es nicht bereue, den jungen Mann eingestellt zu haben, und er hoffe, dass der Familienvater ihm auch keine Gelegenheit dazu geben würde. Da war es nun wieder, hatte der Vorbestrafte gedacht, so nett die Menschen dir auch entgegentreten, ein letzter Zweifel an deiner Seriosität wird immer bleiben. Einmal Häftling, immer Häftling. Auch wenn ihn das ein bisschen traurig machte, umso glücklicher war er darüber gewesen, dass er am nächsten Tag würde zeigen dürfen, diesen einen Euro mehr auch wert zu sein. Er sollte, wie er es sich erhofft hatte, beim Aufbau der Wohnung mitarbeiten, und wenn er sich da bewährte, wollte der Chef ihn öfter bei solchen Arbeiten einsetzen. Mit sich und der Welt zufrieden schloss er die Wohnungstür und ging mit der Kleinen auf dem Arm in die Küche, aus der es schon appetitanregend duftete. Seine Frau, die er schon aus Jugendtagen kannte und die immer zu ihm gehalten hatte, stand am Herd. Die Zweiundzwanzigjährige hatte ihn, im Gegensatz zu den anderen und vor allem auch im Gegensatz zu ihm selbst, nie als Versager gesehen. Seine über alles geliebte Frau schenkte ihm erst ein Lächeln und dann einen Kuss. Die Zeit war endgültig zu Ende, wenn auch längst noch nicht vergessen, in der er versucht hatte, seine Familie aus lauter Verzweiflung durch Verbrechen zu ernähren. Einmal eine falsche Entscheidung getroffen, für ein Leben gezeichnet. Doch jetzt hatte auch er endlich mal ein Stück vom Glück.

 

 

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169.  ©A piece of happiness

 

Life like a constant flight of stairs. His back hurt. The sore muscles in his legs were still burning from the day before. The following hours of work will also have no mercy on his body. The T-shirt, the waistband, his whole body were soaked in sweat, the fabric stuck to his skin, covered in dirt. Recovery was still a long way off. Like a packhorse, he dragged himself to the container with the rubble bins loaded to the brim, where with the last of his strength he heaved the buckets one after the other onto the edge to sink their contents into the steel container. He has been gutting the attic apartment of an apartment building for three days. In fact, he didn't mind hard and strenuous work. It was his job after all, but this construction site exceeded anything he had ever seen in terms of work. He had already gone down the five floors about fifty or sixty times and accordingly had to drag himself up again often. Then there was the demolition work and the filling of the buckets. One would think that the way up with the empty and in comparison almost feather-light buckets was a recovery, but the opposite was the case. It is worse, against gravity, to maneuver his body up the stairs, the number of which he had counted as many times as he had forgotten them. Every kick could be compared to a squat in sports, and five thousand squats are already in the realm of competitive sports. On that day, around lunchtime, this competitive sport is turned into a high-performance sport for him. It was now the time when the boss wanted to come over with the first shipment of the material that was needed to rebuild the apartment. How he cursed this construction site. This job was the worst ordeal he had ever experienced and the scorching sun was no relief on those days either. Inwardly he grumbled that there was no way to put a rubbish chute on this house, and on the second day after breakfast he'd been on the verge of throwing the buckets in the corner and going home, if only in his mind, because in this life he could no longer allow himself to simply quit a job. There was no way he could lose this job. Nobody would ever give him another chance. Him, the unskilled ex-prisoner who had to support a family of three. So all of his professional experience consisted of doing construction jobs that didn't require any professional training. His current boss was the only one who agreed a year ago to give the man who had just been released from prison a job. The new employer was not one of those types of exploiters for whom the young man often had to work before his imprisonment, those who believed that they could do anything with an unskilled construction worker. Sure, his boss also demanded a lot from his employees, but he paid that accordingly. The entrepreneur repeatedly emphasized that he started at the very bottom and knows what it means to bludgeon hard. Shortly before noon he came with a journeyman and brought building materials and sandwiches with him. Although all the rubble had not yet disappeared from the apartment as planned, there was no trouble for the construction worker. The three of them ate the rolls together in peace. Then the three of them got the material upstairs and each took some of the trash on the way down. It all went much faster and was almost a bit of fun. There was someone to exchange a few words with, which detracted a little from the heaviness of the work. The construction assistant could not accurately assess the work colleague. Is he really nice or is he just pretending and really despising me? With such thoughts, the ex-convict created another problem, because he always had the feeling that he was only condemned by his fellow men because of his past. . But he didn't want to worry about these thoughts in the future. He tried to be kind to everyone and mostly got kind words in return. There aren't many people who know about his criminal record, and Knacki really isn't written on his forehead. In the late afternoon everything was done and he very much hoped that the next day he wouldn’t be sent to the next demolition or a construction clearing site. He would much rather help the journeyman with the construction of the walls. From time to time he has already participated in such work, also in other companies. There he was able to show that he, the unskilled without a school leaving certificate, really had a lot more to do than tear down walls and drag dirt. When the twenty-four-year-old put the key in the lock and slowly opened the door, his five-year-old daughter beamed at him with her big brown eyes from the kitchen. Seeing that, he knew why he hadn't pounded the buckets in the corner. The aching body was forgotten and when the little one ran down the hallway with open arms, he lifted her up off the floor lightly like a feather and hugged her tightly. He wondered how his wife would react if he told her that he had a one-to-one conversation with his boss. The company owner had praised him for his hard work and reliability, which no one had done before. This recognition was underlined with a wage increase of one euro per hour. Even if that didn't sound like that much, at the end of the month, after deductions, it would still be around a hundred and twenty euros. In addition, the entrepreneur had emphasized that he did not regret having hired the young man, and he hoped that the father would not give him the opportunity to do so either. There it was again, the convict had thought, no matter how nicely people approach you, one final doubt about your seriousness will always remain. Once a prisoner, always a prisoner. Even if that made him a little sad, he was all the happier that he would be able to show the next day that he was worth that one euro more. He was supposed to help build the apartment, as he had hoped, and if he proved himself there, the boss wanted to use him more often in such work. Satisfied with himself and the world, he closed the apartment door and went into the kitchen with the little one in his arms, from which it already smelled appetizing. His wife, whom he had known from his youth and who had always stood by him, was at the stove. The twenty-two-year-old, in contrast to the others and above all in contrast to himself, had never seen him as a failure. His beloved wife first gave him a smile and then a kiss. The time had finally come to an end, if by no means forgotten, when he had tried to feed his family through crime out of sheer desperation. Once a wrong decision was made, it was drawn for a lifetime. But now he too was finally lucky.