167.  ©Das Gewissen kommt wieder hoch

 

Ich bin Lukas und ging in die 4. Klasse als ich erstmals merkte, was es heißt einen Fehler zu machen und diesen später zu bereuen. Es war ein normaler Mittwoch. Ich ging morgens aus dem Haus und machte mich auf den Weg zur Schule. Im ersten Unterrichtsblock hatten wir ein Diktat geschrieben, dann spielte ich mit meinen Freunden in der Pause Fußball. Alles schien wie immer. Doch dann ging ich wieder in den Klassenraum und stellte erschrocken fest, dass meine Flasche Apfelschorle ausgelaufen ist. Meine ganze Schultasche war sehr nass von außen und innen. Einige in der Klasse lachten und ich musste die Pfütze wegmachen. Dieser Moment war mir echt unangenehm. Doch viel schlimmer noch: als ich einen Blick in die Tasche warf, stellte ich fest, dass mein Englischbuch so stark in Mittleidenschaft gezogen worden ist, dass alle Seiten verklebt waren. Und ich kannte die Regel die immer in den Büchern stand: Verunreinigte Bücher müssen ersetzt werden. In der letzten Stunde hatten wir Englisch, doch zu meinem Glück wurde das Buch heute nicht gebraucht. Ich hatte richtig Angst, dass ich das Buch ersetzen muss. Und wie sollte ich das bloß meinen Eltern erklären? Zuhause nahm ich das Buch aus der Tasche. Die Seiten waren wie aneinandergeklebt und beim Aufmachen des Buches zerstörte ich eine Seite komplett. Was sollte ich nun tun? Ich traute es mir einfach nicht, meinen Eltern davon zu erzählen. Ich fürchtete den Ärger, den ich bekommen würde. Vielleicht hätten sie mich dann angeschrien oder ich hätte Hausarrest bekommen. Jedenfalls wusste ich, dass ich spätestens bei der Rückgabe der Bücher ein Problem bekommen würde. Es schien ausweglos. Doch dann kam mir ein Plan, mit welchem ich aus der Situation herauskommen wollte. Mir kam die Idee, das Buch eines Mitschülers zu stehlen, um dieses dann am Ende des Schuljahres als mein eigenes auszugeben. Am übernächsten Tag hatten wir wieder Englisch. Nun schlich ich mich während der Pause in die Klasse und ging dann an die Tasche meines Mitschülers Niklas. Dass ich mir ausgerechnet Niklas ausgesucht habe, war nur Zufall. Mein Herz pulsierte. Es hätte jeden Moment eine Lehrkraft in den Raum kommen können und ich wäre ertappt worden. Doch ich nahm das Englischbuch aus Niklas Tasche heraus und steckte es in meine. Dann ging ich wieder nach draußen. Ich atmete durch, da ich nicht erwischt worden bin. Aber noch war ich nicht durch mit meinem Plan. In der vierten Stunde hatten wir Englisch und Niklas bemerkte, dass sein Buch nicht in seiner Tasche ist. Ich verspürte ein hohes Gefühl von Scham und eine starke Angst aufzufliegen. Was ist, wenn mich doch irgendwer gesehen hat und einen Verdacht schöpft? Niklas war sich ziemlich sicher, das Buch eingepackt zu haben, konnte aber auch nicht ganz ausschließen es vergessen zu haben. Er wollte Zuhause nochmal nachschauen. Zu meinem Glück kam die Überlegung eines mög-lichen Diebstahls nicht auf. Als ich wieder Zuhause war, nahm ich das geklaute Buch aus meiner Tasche. Ich strich den Namen von Niklas so durch, dass man ihn nicht mehr entziffern konnte. Dann schrieb ich meinen Namen hinein. Alles sah nun so aus, als wäre es mein Buch. In der folgenden Woche sprach Niklas vor der Klasse an, dass er sein Buch auch Zuhause nicht gefunden hat. Er bat seine Mitschüler und Mitschülerinnen nochmal bei sich nachzu-sehen, ob jemand das Buch vielleicht ausversehen eingesteckt hatte. Ich schämte mich innerlich, als einziger im Raum zu wissen, dass es kein Versehen, sondern ein richtig gemeiner Diebstahl war. Und mir war auch bewusst, dass er das Buch am Ende ersetzen müsste und fühlte mich richtig schlecht dabei. Aber es gab für mich in dem Moment kein Zurück mehr und entschied mich das ganze nun durchzuziehen. Also vergingen die Wochen und das Thema verflachte vorerst. Ich nutzte das geklaute Buch und er schaute in das Buch seines Tischnachbarn. Doch mit dem Ende des Schuljahres kam das Thema wieder auf. Nun forderte uns unser Englischlehrer Herr Meier dazu auf, die Bücher bis zum Ende der Woche abzugeben. Niklas hingegen sagte, dass er sein Buch einfach nicht wiederfinde. Er habe bei sich zuhause alles abgesucht, aber nichts gefunden. Herr Meier erwiderte daraufhin: Dann wird mir wohl nun nichts anderes übrigbleiben, als eine Rechnung an deine Eltern zu schreiben. Niklas betonte nochmal, dass er sich wirklich den Verlust des Buches überhaupt gar nicht erklären könne. Er reagierte aber doch vergleichsweise gefasst. Vermutlich hat er wohl bereits damit gerechnet, dass er das Buch nun ersetzen müsste, wenn es nicht wiederauftaucht. Auch mit seinen Eltern habe er bereits darüber gesprochen. Seine Eltern hätten nicht einmal geschimpft. Stattdessen hätten sie ihn sogar gelobt, dass er es ihnen von selbst erzählt hat. Auf dem Rückweg dachte ich nochmal über alles nach. Nun wusste ich also sicher, dass er bzw. seine Eltern das Buch ersetzen müssen. Wieder kam mir ein Schamgefühl, als ich daran dachte, dass andere Menschen für etwas bezahlen sollten, was ich verbockt habe. Ich stellte mir erstmals die Frage: Musste das ganze wirklich sein? Wahrscheinlich hätten meine Eltern auch gar nicht so heftig reagiert, wie ich es am Anfang befürchtete. Oft stellt man es sich schlimmer vor als es ist. Mir kam zu diesem Zeitpunkt der Gedanke die Wahrheit zu gestehen. Aber ich hatte einfach nicht den Mut dazu. Also ließ ich es wie es ist. Ich gab das geklaute Buch unter meinem Namen ab und niemand bemerkte etwas. Die Eltern von Niklas bekamen eine Rechnung für das angeblich verlorengegangene Buch. Wie hoch die Rechnung war, wusste ich selbst nicht. Nach den Sommerferien wechselten wir übrings auf die weiterführenden Schulen. Ich kam auf eine Sekundarschule, während Niklas auf das Gymnasium kam. Wir waren nun also auf unterschiedlichen Schulen. Das Thema rückte damit für mich erstmal in den Hintergrund. Ich lernte neue Mitschülerinnen kennen und fühlte mich wohl an der neuen Schule. Im Unterricht zeigte ich in den folgenden zwei Jahren überragende Leistungen. Eines Tages bat unsere Lehrerin Frau Brinkmann meine Eltern und mich zum Gespräch. Sie sagte, dass ich mich auf der neuen Schule leistungsmäßig erheblich verbessert hätte und ich ihrer Meinung nach auf dem Gymnasium besser aufgehoben wäre. Ich hing sehr an meiner derzeitigen Schule, doch ich wollte mir die Chance nicht nehmen lassen. So wechselte ich im darauffolgenden Schuljahr auf das Gymnasium. Schnell stellte ich fest: es ist jene Schule, welche auch Niklas besucht. Er war nun in meiner Parallelklasse. So kamen bereits nach wenigen Tagen an der neuen Schule die Erinnerungen an meinen Diebstahl zurück. Einmal standen wir uns in größerer Runde auf dem Schulhof gegenüber. Es war ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass ich ihm vor drei Jahren Unrecht getan habe, er aber nichts davon wusste. Wieder kam mir der Gedanke ihm die Wahrheit zu gestehen und die Sache wieder gut zu machen. Doch ich fürchtete, dass sich mein Diebstahl an der Schule herumspricht und ich dann vielleicht ausge-grenzt werden würde. Da wir immer noch in unterschiedlichen Klassen waren, hatten wir zunächst recht wenig miteinander zu tun. Doch mit dem kommenden Schuljahr wurden wir im Fach Religion beide in eine Gruppe eingeteilt. Nun hatten wir jetzt zweimal die Woche gemeinsam Religions-unterricht und saßen wieder gemeinsam in einem Klassenraum. Mir kam nun immer stärker der Gedanke reinen Tisch zu machen. Jedoch fehlte mir dazu immer noch der Mut. Doch wenig später nahmen wir im Unterricht das Thema Schuld und Vergebung durch. Also setzte ich mich nochmal mehr mit dem auseinander, was ich damals eigentlich getan habe. Ich war nun schon 5 Jahre älter und mir auch wesentlich mehr darüber bewusst, ein welch schwerer Vertrauensbruch ein Diebstahl eigentlich ist. Ich schämte mich bei der Vorstellung, wie hinterhältig und gemein es war, sich heimlich an die Tasche eines Mitschülers zu schleichen und ihn zu bestehlen. Es muss ein unangenehmes Gefühl für Niklas gewesen sein festzustellen, dass er sein Buch nicht mehr wiederfinden konnte und er es deswegen ersetzen musste, obwohl er überhaupt nichts dafürkonnte. Nun entschied ich mich endgültig dazu, das Gespräch mit ihm zu suchen und meinen Fehler wiedergutzumachen. Zunächst vertraute ich mich meinem besten Freund Stefan an. Es war das Erste mal, dass ich überhaupt jemandem davon erzählte. Er bekräftigte mich in meinem Vorhaben und sagte, dass dies wahre Größe und Stärke zeigen würde. Natürlich kamen auch immer wieder zweifelnde Gedanken hoch wie: Soll ich es wirklich tun? Was ist, wenn er mir nicht vergibt und sich die Sache herumspricht? Doch ich war stärker als diese Gedanken. Ich wollte das Thema für mich endlich aus der Welt schaffen und den Schaden, den ich damals ange-richtet habe bereinigen. Schlussendlich bat ich Niklas nach der Relistunde am folgenden Donnerstag um ein Gespräch unter vier Augen nach der Schule. Er wirkte verwundert und konnte sich zunächst nicht vorstellen um was es gehen sollte Zumal wir ja bisher auch kaum miteinander zu tun hatten. Trotzdem willigte er ein. So trafen wir uns nach dem Unterricht an einer ruhigen Stelle hinter der Schule. Ich frug ihn, ob er sich denn noch an den Verlust seines Englischbuches vor 5 Jahren erinnern könne. Nach kurzer Bedenkzeit wusste er was ich meinte. Ich gestand ihm dann daraufhin, dass ich das Buch damals geklaut habe, um nicht für mein verunreinigtes Buch aufkommen zu müssen. Ich bat ihn aufrichtig um Vergebung und bot ihm 20€ für das damalige Buch. Im Vorfeld hatte ich mich im Internet über den Kaufpreis des Buches erkundigt. Er erwiderte daraufhin: Ja, es war schon echt fies von dir, wenn es so war wie du es sagst. Aber Respekt! Ich finde es richtig stark, dass du das zugegeben hast, obwohl es sonst niemals aufgefallen wäre. Und kein Problem, ich verzeihe dir. Bevor ich ihm die Wahrheit beichtete, fühlte ich mich wirklich angespannt. Ich fragte mich, wie er bloß reagieren würde. Doch in dem Moment in welchem ich ihm die Wahrheit sagte und sah wie er mir zuhörte, flog der Ballast von mir ab. Da er mir die Sache verziehen hat, konnte ich nun endlich damit abschließen. Niklas und ich wurden in der Folge übrigens gute Freunde, haben viel miteinander gelacht und uns auch außerhalb der Schule mal auf einen Kinobesuch getroffen.

 

 

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167.  ©The conscience comes up again

 

My name is Lukas and I was in the 4th grade when I first realized what it means to make a mistake and to regret it later. It was a normal Wednesday. I went out of the house in the morning and made my way to school. In the first block of lessons we had written a dictation, then I played soccer with my friends during the break. Everything seemed as it always was. But then I went back into the classroom and was shocked to find that my bottle of apple spritzer has leaked. My whole school bag was very wet inside and out. Some of the class laughed and I had to clear the puddle. That moment was really uncomfortable for me. But even worse: when I took a look in my pocket, I noticed that my English book had been so badly damaged that all the pages were gummed up. And I knew the rule that was always in the books: dirty books must be replaced. We had English for the last lesson, but luckily the book was not needed today. I was really scared that I would have to replace the book. And how should I explain this to my parents? At home I took the book out of my pocket. The pages were glued together and when I opened the book I destroyed one page completely. What should i do now? I just didn't dare tell my parents about it. I feared the trouble I was going to get. Maybe then they would have yelled at me or I would have been house arrested. In any case, I knew that I would have a problem when the books were returned at the latest. It seemed hopeless. But then I came up with a plan with which I wanted to get out of the situation. I had the idea to steal a classmate's book and then pass it off as my own at the end of the school year. The day after next we had English again. Now I snuck into class during the break and then went to the bag of my classmate Niklas. It was just a coincidence that I chose Niklas of all people. My heart was pulsing. A teacher could have come into the room at any moment and I would have been caught. But I took the English book out of Niklas pocket and put it in mine. Then I went back outside. I took a deep breath as I wasn't caught. But I wasn't through with my plan yet. In the fourth lesson we had English and Niklas noticed that his book is not in his pocket. I felt a great sense of shame and a great fear of being exposed. What if someone saw me and suspected me? Niklas was pretty sure that he had packed the book, but couldn't completely rule out having forgotten it. He wanted to look again at home. Fortunately for me, the idea of possible theft never came up. When I got home, I took the stolen book out of my pocket. I crossed out Niklas' name so that it could no longer be deciphered. Then I wrote my name in it. Everything now looked like it was my book. The following week, Niklas said in front of the class that he hadn't found his book at home either. He asked his classmates to check again whether someone had accidentally pocketed the book. I was ashamed to be the only one in the room to know that it wasn't an accident, but a really mean theft. And I was also aware that he would have to replace the book in the end and I felt really bad about it. But there was no turning back for me at that moment and decided to go through with the whole thing now. So the weeks passed and the topic flattened out for the time being. I used the stolen book and he looked in the book of the person sitting next to him. But at the end of the school year, the topic came up again. Now our English teacher Mr. Meier asked us to hand in the books by the end of the week. Niklas, on the other hand, said that he simply couldn't find his book again. He searched everything at home but found nothing. Mr. Meier replied: Then I will probably have no choice but to write an invoice to your parents. Niklas emphasized again that he really couldn't explain the loss of the book at all. But he reacted comparatively calmly. Presumably he already expected that he would have to replace the book if it doesn't come back. He has already spoken about it with his parents. His parents wouldn't even have scolded. Instead, they would have even praised him for telling them himself. On the way back I thought about everything again. So now I knew for sure that he or his parents would have to replace the book. I felt ashamed again when I thought that other people should pay for something I screwed up. For the first time I asked myself the question: did it really have to be? My parents probably wouldn't have reacted as violently as I feared at the beginning. Often one imagines it to be worse than it is. It was at this point that the thought occurred to me to admit the truth. But I just didn't have the courage to do it. So I left it as it is. I handed in the stolen book under my name and no one noticed anything. Niklas's parents received an invoice for the book that had allegedly been lost. I didn't know how high the bill was. Incidentally, after the summer vacation we switched to secondary schools. I went to secondary school while Niklas went to high school. So we were now at different schools. For me, the topic moved into the background for the time being. I got to know new classmates and felt comfortable at the new school. For the next two years, I showed outstanding performance in class. One day our teacher, Ms. Brinkmann, asked my parents and me to talk to us. She said that I had significantly improved my performance at the new school and that, in her opinion, I would be better off at grammar school. I was very attached to my current school, but I didn't want to let the chance go. So I switched to high school in the following school year. I quickly realized: it is the school that Niklas also attends. He was now in my parallel class. So after a few days at the new school, the memories of my theft came back. Once we were facing each other in a larger group in the school yard. It felt strange to know that I had wronged him three years ago but he didn't know about it. Again the thought occurred to me to confess the truth to him and to make amends. But I feared that word of my theft would get around at the school and that I might then be marginalized. Since we were still in different classes, we had very little to do with each other at first. But with the coming school year we were both divided into one group in the subject of religion. Now we had religion classes together twice a week and were sitting together in a classroom again. The thought of wiping it clean came more and more to me. However, I still lacked the courage to do so. But a little later we took up the subject of guilt and forgiveness in class. So I got to grips with what I was actually doing back then. I was 5 years older now and I was much more aware of what a serious breach of trust a theft actually is. I was ashamed to think how devious and mean it was to sneak into a classmate's pocket and steal from him. It must have been an uncomfortable feeling for Niklas to find that he could no longer find his book and that he had to replace it, even though he couldn't help it. Now I finally decided to talk to him and make up for my mistake. First of all, I confided in my best friend Stefan. It was the first time I'd even told anyone about it. He affirmed my intention and said that it would show true greatness and strength. Of course, doubtful thoughts kept coming up, like: should I really do it? What if he doesn't forgive me and the word gets around? But I was stronger than these thoughts. I wanted to finally get rid of the topic for myself and clean up the damage I caused back then. Finally, after the relist lesson on the following Thursday, I asked Niklas for a one-to-one conversation after school. He looked puzzled and at first couldn't imagine what it should be about, especially since we haven't had much to do with each other so far. Still, he agreed. So we met after class in a quiet place behind the school. I asked him if he could still remember the loss of his English book 5 years ago. After a moment he knew what I meant. I then confessed to him that I stole the book back then in order not to have to pay for my contaminated book. I sincerely asked his forgiveness and offered him € 20 for the book from the time. In advance, I had inquired about the purchase price of the book on the Internet. He replied: Yes, it was really nasty of you if it was as you say it. But respect! I think it's really strong that you admitted that, although otherwise it would never have been noticed. And no problem, I forgive you. Before I told him the truth, I felt really tense. I wondered how he would react. But the moment I told him the truth and saw how he listened to me, the ballast flew off me. Since he has forgiven me for the matter, I was finally able to finish with it. Incidentally, Niklas and I became good friends as a result, we laughed a lot together and also met to go to the cinema outside of school.