155.  ©Edwins Reise zur Sonne

 

Edwin war ein besonderes Kind. Zwar war er ein armes Kind, weil er seine Hände und Beine nicht richtig bewegen konnte, aber er konnte sich wunderschöne und spannende Geschichten ausdenken, die er dann seiner kleinen Schwester hier so erzählte, wenn diese von der Schule heimkam. Sie musste ihm oft seine Schulaufgaben mit bringen, die er dann zu Hause nachmachte, weil ihm der lange Schultag zu anstrengend war. Oft schrieb er für die Lehrerin eines seiner erfundenen Märchen, und die las es dann der Klasse vor. Vor dem Haus wuchsen gerade die Sonnenblumen. Hoch aufgereckt standen sie und streckten sich der Sonne entgegen. Und dann begannen sie ihre Blüten zu entfalten, sie sahen nun selber aus wie kleine Sonnen. Kein Wunder, wenn Edwin nun ein Sonnenmär-chen schreiben wollte. Er möchte gerne die Sonne besuchen. Aber wie soll er denn dort hinauf kommen? In seiner Fantasie stellte er eine Leiter auf, aber die reichte kaum bis zum untersten Sonnenstrahl. Während er zu den großen Blumen hinauf schaute, kam ihm vor, als bewegte sich eine der Sonnenblume, es sah auch aus, als würde sie ihm zuwinken. Tatsächlich saß da drauf ein winziges Kerlchen mit braunen Höschen und Sonnenblumen gelbem Hemd. Ich kann dir einen Wunsch erfüllen, sprach es, aber wohlgemerkt, nur einen! Natürlich wusste Edwin sofort, was er sich wünschte, und ohne lange zu überlegen, sagte er: Eine Reise zur Sonne! Komm morgen früh, wenn noch alles schläft, hinaus zu dieser Sonnenblume, ich gieße sie heute Nacht mit meinem Zauberwasser, so dass sie morgen bis zur Sonne wächst, versprach der Zwerg. Edwin war zwar etwas krank, aber diese Reise wollte er unbedingt machen. Also schlich er sich, als es gerade zu dämmern begann, aus dem Haus und in den Garten. Tatsächlich, da wuchs ein gewaltiger Sonnenblumenbaum! So dick, dass er ihn mit den Armen kaum umschlingen konnte, und so hoch, so hoch, dass kein Ende abzusehen war. Der Zwerg stand darunter und sagte noch einmal: Du kannst hinaufsteigen, aber denk dran, nur den einen Wunsch kann ich dir erfüllen! Doch den letzten Satz hörte Edwin nicht. Sofort ergriff er den ersten Blattstängel und zog sich nach oben. Von einem Blatt zum anderen klettert er geschickt weiter. Kein Arm, kein Bein schmerzte ihn mehr. Weit unten sah er, wie die Kinder der Schule zustrebten, er lachte und rief einen Gruß hinunter, aber niemand hörte ihn. Es war einfach eine Freude, so nun zu klettern, immer höher zu gelangen. Er konnte nun schon auf den Kirchturm hinuntersehen und winkte übermütig dem Wetterhahn zu. Flieg herauf, wenn du mit mir zur Sonne willst!, rief er. Doch der Hahn warf ihm nur besorgte Blicke zu. Allmählich wurde es immer wärmer, je näher er nun der Sonne kam. Edwin begann zu schwitzen. Er konnte aber seine Jacke nicht ausziehen, da er ja beide Hände brauchte, um sich festzuhalten. Und der Durst plagte ihn nun auch, doch weit und breit gab es nichts zu trinken. Als er in ein Sonnenblumenblatt biss um vielleicht etwas Saft zu bekommen, schmeckte es sehr rau und trocken und er spuckte es sofort wieder aus. Endlich, am Abend, als die Sonne schon tief stand und bald untergehen würde, erreichte Edwin das Ende, das heißt die Spitze der Blume und hatte nur noch einen Riesenschritt auf die Sonne hinüber zu machen. Au, war die noch heiß! Auch wenn es schon spät am Tag war. Doch nun sah er, wie die Sonnenblume, auf der er herauf gestiegen war, allmählich zu schrumpfen begann und immer kleiner und kleiner wurde. Warte doch, bleib doch da!, rief er ihr zu, doch die Blume war schon wieder recht klein geworden. Nun bekam Edwin Angst: Da komme ich ja nicht mehr hinunter! Bin ich jetzt hier auf der Sonne gefangen? Schnell versuchte er das Haus der Frau Sonne zu erreichen und klopfte an ihre Türe. Ein altes Hutzelweibchen im Nachthemd, schon mit Schlafhaube auf dem Kopf, öffnete. Was willst denn du hier!? fragte es etwas ungehalten, denn es war gerade auf dem Weg ins Bett. Vor Schreck wusste Edwin gar nicht, was er sagen sollte. Die Sonne hatte er sich ganz anders vorgestellt! Als eine schöne Frau im goldenen Kleid, lieb und freundlich, vielleicht war das auch nur ihre Dienerin? Ah, guten Tag stotterte er, Ich möchte gerne zur Frau Sonne, sagte er mit seiner festesten Stimme. Die bin ich doch, aber jetzt ist es spät, und ich muss schlafen gehen. Reden wir morgen früh weiter, wollte sich die Frau Sonne verabschieden und war auch schon wieder in ihrem Haus verschwunden. Noch einmal getraute Edwin nicht zu klopfen. Aber wo kann ich denn schlafen? Glaubst du, dass ich hier ein Bett finde, und hungrig bin ich auch, und müde, rief er durch die Tür, bekam aber keine Antwort mehr. Am liebsten hätte er geweint, so müde und hungrig war er und so verlassen. Die Sorge, wie er wieder auf die Erde zurück käme, drückte ihn auch schwer. Zu Hause sitzen sie jetzt beim Essen, niemand wird mich hier oben finden. Mit diesen trüben Gedanken legte sich Edwin auf die Bank vor dem Haus der Frau Sonne. Sie hatte ihn wirklich noch so eine Decke und ein Kissen heraus geworfen, denn es begann tatsächlich kalt zu werden, als die Sonne sich vor der dunklen Nacht verborgen hatte. Doch er konnte nicht gut schlafen, immer wieder blickte er auf die Türe, ob sie sich nicht öffnete. Endlich trat ein junges Mädchen heraus. Guten Morgen, kleiner Junge, was machst du denn hier? fragte es mit einer glockenhellen Stimme. Ich bin gestern auf einer Sonnenblume herauf geklettert, um die Frau Sonne zu bitten, heuer auch im Winter zu scheinen, aber jetzt ist die Blume weg, und ich kann nie mehr hinunter. Das Mädchen schaute ihn mitleidig an. Das war aber eine große Anstrengung, zu mir herauf zu steigen. Ich bin die Sonne, beginne gerade wieder mein tägliches neues Leben. Noch bin ich jung, werde aber bis abends sehr schnell alt. Über Nacht kann ich mich dann erholen. Aber bis zum Ende des Jahres bin ich doch schon sehr müde, so dass meine Wege kürzer sind und meine Bahn nicht mehr so steil. Deshalb kann ich dann auch nicht mehr über den Berg zu deinem Haus scheinen, so erzählte die Sonne, die mittlerweile eine erwachsene junge Frau geworden war. Doch du weißt es ja, im Frühling beginne ich dann wieder höher zu klettern und schenke dir neue Wärme. Jetzt aber muss ich dich verabschieden, sonst verbrennst du hier bei mir hier oben. Frau Sonne zog ihren längsten Sonnenstrahl zu sich heran, half Edwin beim aufsteigen und rief ihm noch zu: Glückliche Reise und komm gut zu Hause an! Und dann ging es im Hui abwärts und in Sekundenschnelle war Edwin wieder zu Hause und in seinem Bett, gerade als die Mutter nach ihm sehen wollte, ob er heute schon wieder zur Schule gehen könne. Als Edwin aber von seiner Reise zur Sonne zu erzählen begann, ließ sie ihn noch gerne einen Tag zu Hause, um sich ganz gesund zu schlafen.

 

 

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155.  ©Edwin's Journey to the Sun

 

Edwin was a special child. He was a poor child because he couldn't move his hands and legs properly, but he could think of wonderful and exciting stories that he would tell his little sister here when she came home from school. She often had to bring him his homework, which he then did at home because the long day at school was too exhausting for him. He often wrote one of his made-up fairy tales for the teacher and she read it to the class. Sunflowers were just growing in front of the house. They stood tall and stretched out towards the sun. And then they began to unfold their flowers, they now looked like little suns themselves. No wonder Edwin wanted to write a sun fairy tale. He would like to visit the sun. But how is he supposed to get up there? In his imagination he set up a ladder, but it barely reached the lowest ray of the sun. As he looked up at the large flowers, it seemed to him as if one of the sunflowers was moving, it also looked as if it was waving to him. In fact, there was a tiny fellow with brown panties and a sunflower yellow shirt sitting on it. I can grant you one wish, it said, but mind you, only one! Of course, Edwin knew immediately what he wanted, and without thinking twice, he said: A trip to the sun! Tomorrow morning, when everyone is still asleep, come out to this sunflower, I'll water it with my magic water tonight, so that it will grow to the sun tomorrow, the dwarf promised. Edwin was a little sick, but he really wanted to make this trip. So, just as it was getting dark, he snuck out of the house and into the garden. Indeed, a huge sunflower tree was growing there! So thick that he could hardly wrap his arms around him, and so high, so high that there was no end in sight. The dwarf stood below and said again: You can go up, but remember, I can only grant you one wish! But Edwin didn't hear the last sentence. He immediately grabbed the first stem of the leaf and pulled himself up. He skilfully climbs on from one leaf to the other. No arm, no leg hurt him anymore. Far below he saw the children heading for school, he laughed and called out a greeting, but no one heard him. It was just a pleasure to climb like this, to get higher and higher. He could now look down at the church tower and waved cockily to the weathercock. Fly up if you want to go to the sun with me! He shouted. But the rooster only gave him worried looks. Gradually it got warmer the closer he got to the sun. Edwin began to sweat. But he couldn't take off his jacket because he needed both hands to hold on. And thirst plagued him now, too, but there was nothing to drink far and wide. When he bit into a sunflower leaf to get some juice, it tasted very rough and dry and he spat it out again immediately. Finally, in the evening, when the sun was already low and would soon set, Edwin reached the end, that is, the tip of the flower, and only had to take one giant step towards the sun. Oh, it was still hot! Even if it was late in the day. But now he saw how the sunflower on which he had climbed gradually began to shrink, getting smaller and smaller. Wait a minute, stay there! He called to her, but the flower was already quite small again. Now Edwin got scared: I can't go down there! Am I trapped here on the sun now? He quickly tried to reach Frau Sonne's house and knocked on her door. An old female Hutzel in a nightgown, already with a sleeping cap on her head, opened the door. What do you want here !? it asked a little indignantly because it was on its way to bed. Edwin didn't know what to say in shock. He had imagined the sun to be very different! As a beautiful woman in a golden dress, dear and friendly, maybe that was just her servant? Ah, good afternoon he stuttered, I would like to go to Frau Sonne, he said in his firmest voice. I am, but it's late now and I have to go to sleep. If we go on talking tomorrow morning, Frau Sonne wanted to say goodbye and had already disappeared back into her house. Once again Edwin didn't dare knock. But where can I sleep? Do you think I'll find a bed here, and I'm hungry too, and tired, he called through the door, but got no more answer. He would have loved to cry, he was so tired and hungry and so abandoned. Worry about how he would get back to earth also weighed heavily on him. At home they are now eating, no one will find me up here. With these gloomy thoughts, Edwin lay down on the bench in front of Frau Sonne's house. She really had thrown another blanket and pillow for him, because it actually started to get cold when the sun had hidden from the dark night. But he couldn't sleep well, he kept looking at the door to see if it wasn't opening. At last a young girl stepped out. Good morning little boy what are you doing here? it asked in a voice as clear as a bell. Yesterday I climbed up a sunflower to ask Frau Sonne to shine in winter this year too, but now the flower is gone and I can never go back down. The girl looked at him pityingly. But it was a great effort to climb up to me. I am the sun, just starting my new life every day. I'm still young, but I'll get old very quickly by evening. I can then recover overnight. But by the end of the year I'll be very tired, so my routes are shorter and my path is no longer as steep. That's why I can no longer shine over the mountain to your house, said the sun, which had meanwhile become a grown young woman. But you know it, in spring I start climbing higher again and give you new warmth. But now I have to say goodbye to you, otherwise you will burn up here with me up here. Frau Sonne pulled her longest ray of sunshine towards her, helped Edwin get up and called out to him: Happy journey and arrive home safely! And then things went downhill and in a matter of seconds Edwin was back home and in his bed, just as his mother wanted to see if he could go to school again today. But when Edwin began to talk about his journey to the sun, she was happy to leave him at home for a day to get some healthy sleep.