142.  ©Befristete Ewigkeit!

 

Das ist wieder so ein Abend, der das Ende des Tages ankündigt und unmerklich zu Ende geht; er wird nahtlos in eine dunkle Nacht übergehen. Er steht am großen Fenster seiner Wohnung unter dem Dach des alten Hauses und blickt auf die bereits einsetzende Dämmerung nieder, die die Stadt langsam einhüllt, die Umrisse der Häuser unscharf werden lässt und erste vereinzelte Lichter vorwitzig versuchen das Grau zu durchdringen. Die Hektik des Tages ist im Verklingen, die Stille beginnt sich auszudehnen. Hier her oben, über den Dächern der Stadt sind die Geräusche nur gedämpft zu hören. Gedanken überschlagen sich, man hat eigentlich gar keinen Einfluss darauf. Bilder ziehen vorbei, Erinnerung an Gerüche werden wach. Betörende Gerüche, schwer den Geist einschläfernd; Sinne schärfend, Bilder aus längst vergangener Zeit, Jahrhunderte gleiten vorbei wie ein langer Zug mit Abteilen. Jedes Abteil ist besetzt mit fremden, manchmal jedoch auch bekannten Gestalten, bleichen Gesichtern. Man wird es müde, all diese Wesen im Gedächtnis zu behalten. Nur manchmal verbleiben Eindrücke u. Erinnerungen, oft ganz tief ins Innerste verbannt, als Schuld bestehen. Ihre Verzweiflungsschreie verhallend in der Unendlichkeit, werden doch hin und wieder im Unterbewusstsein wahrgenommen. Sein Blick ruht auf den Dächern der Stadt, die für ihn zu Heimat geworden ist. Es gibt noch viele Seelen hier, denen man sich nähern kann, ihre Eignung zum kurzzeitig gemein-samen Weg testen kann. Ihr Blut rettet seine Existenz, hält ihn am Leben, oder wie immer man das nennen soll, was ihn weiter treibt, das ihn atmen und suchen lässt. Durch die geöffneten Flügel des Fensters dringt etwas kühlere Nachtluft herein. Er schlingt das eine Ende des Umhanges um die Schulter und gleitet lautlos in die Nacht hinaus. Als er aus dem dunklen Park gegenüber heraustritt, unterscheidet er sich kaum von den vorbei eilenden Menschen. Er wird hier noch kaum beachtet, kaum wahrgenommen. Seit vielen Jahren nun hat er sich hier einen Freundeskreis aufgebaut, der aus teilweise wissenden, teilweise ahnungslosen Menschen besteht. Viele aus diesem Kreis sind durch ihn in die Gemeinschaft der Untoten herüber geführt worden, manche davon weggezogen oder auch in der Dunkelheit des Vergessens dann verschwunden. Heute muss es wieder einmal geschehen! Er lechzt nach Auffrisch-ung, aber auch nach einer, wenn auch vielleicht nur kurzen Gemeinsamkeit. Aber er lechzt auch nach intelligenten Gesprächen, Wort Duellen mit hellem Geist und Niveau. Er greift in die Tasche des Umhanges. Die Karte für das Opernhaus steckt zwischen den Falten. Der Freischütz, eine Oper von Weber, kommt seiner Gemüts-verfassung am Nächsten. Außerdem erlaubt das oft düstere Bühnenbild seiner Gestalt ein müheloses Eintauchen in die Dunkelheit des Raumes. Das Raunen der Menschen, das Atmen rundherum, die umfassende Musik lassen sein Sinne umherirren im Raum, seine dunklen Augen suchen die anmutig geneigten Häupter schön gewachsener Frauen im Raum, die hier so schlanken Hälse, gebogen um zu lauschen. Manchmal kräuseln sich feine Locken, die sich aus sorgfältig hoch-gesteckten Frisuren lösten, sie zittern leicht durch die Bewegung des Kopfes. Dort, ja dort vorne bewegt sich ein zarter Hals, gekrönt von goldenen Locken, aufgesteckt zu einer entzückenden Frisur; nur ein langer Ohrring ziert die elegante Silhouette des Hauptes. Und das Licht der Seitenlampen lässt den Flaum auf der Haut wie einen zarten Strahlenkranz sichtbar werden. Die Musik Webers füllt den Raum, lässt das Blut in seinem Körper rauschen. Eine ungeheure Erregung erfüllt sein Innerstes. Er hat sein Opfer gefunden, das Ziel seiner Wünsche und Begierde. Der zweite Akt ist beendet, die Menschen strömen zu den erleuchteten Außenräumen um sich zu erfrischen. Er versucht diese schlanke, biegsame Gestalt nicht mehr aus den Augen zu lassen und er bahnt sich einen Weg durch die homo-gene Masse der sich leise unterhaltenden Besucher. Nun steht er hinter ihr, hört ihr helles gedämpftes Lachen und bewundert das zarte Zurückwerfen des Kopfes. Ihr Begleiter löst sich und strebt dem Buffet zu. Diese Gelegenheit hier nutzt der dunkel gekleidete Mann hinter ihr und berührt sanft ihren Ellenbogen. Ihr erstaunter Blick, ihre Abwehr versinken in seinen dunklen Augen und sind in diesem Moment bereits verloren. Wie in Trance geht sie mit ihm ein paar Schritte in die dunkle Nische nebenan, kann den Blick nicht von ihm wenden. Sie spürt eine totale Kraftlosigkeit, Willensschwäche und lässt sich in seine Arme fallen, ohne sich wehren zu können. Er nähert sich ihrem Mund, sieht die vollen Lippen sich öffnen und lässt sich hinein fallen in diesen Strudel von Begierde und Erleichterung. Niemand hat es gemerkt, die Menschen plaudern weiter, trinken ihre Gläser leer. Nur der völlig ratlose Begleiter lässt seinen Blick suchend durch die Menge gleiten, in der Hand zwei Gläser mit Champagner. Der Mann in dem dunklen Umhang verdeckt jedoch die Lichtgestalt in seiner Umarmung gegen Blicke, sie wird un-sichtbar für die anderen. Seine Lippen gleiten nun langsam an ihrem schlanken, biegsamen Hals entlang und er vergräbt seinen Mund seitwärts darin. Es war nur ein kurzes Aufbäumen, ein kleiner Schmerz und sie betrat die Welt der Finsternis, der befristeten Ewigkeit. Irgendwann wird es vielleicht eine Erlösung geben. Sich gegenseitig haltend, verschmolzen zu einer Einheit gehen sie auf den Ausgang zu und verschwinden in der Nacht.

 

 

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142.  ©Limited eternity!

 

This is another evening that heralds the end of the day and imperceptibly comes to an end; it will merge seamlessly into a dark night. He stands at the large window of his apartment under the roof of the old house and looks down at the already onset of dusk, which is slowly enveloping the city, blurring the outlines of the houses and cheekily trying to penetrate the gray. The hustle and bustle of the day is fading, the silence begins to expand. Up here, over the roofs of the city, the noises can only be heard muffled. Thoughts roll over, you actually have no control over them. Pictures pass by, memories of smells are awakened. Beguiling smells, heavily lulling the mind; Sharpening the senses, images from bygone times, centuries glide by like a long train with compartments. Each compartment is occupied by strange, sometimes well-known figures, pale faces. You get tired of remembering all these beings. Only sometimes impressions and memories remain, often banished very deeply, as guilt. Your screams of desperation fading into infinity, but are perceived every now and then in the subconscious. His gaze rests on the roofs of the city that has become home to him. There are still many souls here who can be approached and tested for their short-term path together. Your blood saves his existence, keeps him alive, or whatever you call it, whatever drives him on, that makes him breathe and search. Somewhat cooler night air penetrates through the open sash of the window. He wraps one end of the cloak around his shoulder and slides silently out into the night. When he steps out of the dark park opposite, he hardly differs from the people hurrying by. He is hardly noticed here, hardly noticed. For many years now, he has built up a circle of friends here, which consists of partly knowing and partly unsuspecting people. Many from this circle have been brought over into the community of the undead through him, some have been pulled away from it or have disappeared into the darkness of oblivion. It has to happen again today! He longs for refreshment, but also for something, even if only for a short time, togetherness. But he also longs for intelligent conversations, word duels with a bright mind and level. He reaches into the pocket of the cloak. The ticket for the opera house is between the folds. Der Freischütz, an opera by Weber, comes closest to his state of mind. In addition, the often gloomy stage setting of his figure allows effortless immersion in the darkness of the room. The murmuring of the people, the breathing all around, the comprehensive music let his senses wander around the room, his dark eyes search for the gracefully inclined heads of beautiful women in the room, the slender necks here, bent to listen. Sometimes fine curls, released from carefully pinned up hairstyles, curl slightly from the movement of the head. There, yes there in front, a delicate neck, crowned by golden curls, pinned on in a delightful hairstyle moves; only a long earring adorns the elegant silhouette of the head. And the light from the side lamps makes the fuzz on the skin visible like a delicate halo of rays. Weber's music fills the room, makes the blood rush in his body. A tremendous excitement fills his innermost being. He has found his victim, the target of his desires and desires. The second act is over, people flock to the lighted outdoor spaces to freshen up. He tries not to take his eyes off this slim, flexible figure and he paves his way through the homogeneous mass of quietly conversing visitors. Now he stands behind her, hears her bright, muffled laugh and admires the gentle throwing back of her head. Your companion loosens and strives towards the buffet. The dark-clad man behind her takes this opportunity and gently touches her elbow. Her astonished look, her defenses sink into his dark eyes and are already lost in this moment. As if in a trance, she takes him a few steps into the dark alcove next door, but cannot take her eyes off him. She feels total powerlessness, weak will and lets herself fall into his arms without being able to defend herself. He approaches her mouth, sees the full lips open and lets himself fall into this vortex of desire and relief. Nobody noticed, people keep chatting, drinking their glasses empty. Only the completely perplexed companion lets his gaze wander through the crowd, in his hand two glasses with champagne. The man in the dark cloak, however, hides the figure of light in his embrace from glances; she becomes invisible to the others. His lips now slide slowly along her slim, flexible neck and he buries his mouth sideways in it. It was only a short rebellion, a little pain and she entered the world of darkness, of limited eternity. At some point there may be some redemption. Holding each other, fused into one, they walk towards the exit and disappear into the night.