141.  ©Der Nachtwächter

 

Plötzlich war der Strom weg und nichts ging mehr. Alex runzelte die Stirn und stieß einen missbilligenden Grunzlaut aus. Zuerst nicht wegen des Stromausfalls an sich, sondern weil er nun das Ende des Films verpassen würde. Zugegebenermaßen ein nur mittelmäßiger Streifen, aber es hätte ihn doch interessiert, wie er wohl geendet hätte. Doch sein Ärger über das verpasste Ende verebbte schnell und er fragte sich, wie zur Hölle gerade hier der Strom ausfallen konnte. Schließlich war das hier eines der modernsten Bauwerke der Stadt, vollgestopft mit der neusten Technik. Selbst wenn jemand die Hauptstromleitung gekappt hätte, so müsste dann doch mindestens ein Notstrom-generator einspringen. Schließlich war eine autarke Stromversorgung elementar für dieses Gebäude. Und gerade weil ein Stromausfall hier eigentlich gar nicht sein konnte, wurde aus seinem Ärger langsam aber sicher ein immer größeres Misstrauen. Er seufzte leise in Anbetracht der Probleme, die wohl auf ihn zukommen würden und erhob sich langsam aus seinem Sessel. Als er sich streckte, um die Müdigkeit aus seinen Knochen zu vertreiben, stieß er mit seinem Kopf unsanft an die Deckenlampe, die genau so wie sein Fernseher und der Rest der elektronischen Einrichtung dieses Zimmers den Geist aufgegeben hatte. Manchmal verfluchte er wirklich seine Körpergröße von fast genau zwei Metern. In seinem Beruf als Sicherheitsbeamter war sie zwar zusammen mit seinem Körper-gewicht von stolzen 230 Pfund recht vorteilhaft, aber manchmal war eine so hünenhafte Statur einfach nur lästig. Er schnallte sich jetzt in der Dunkelheit sein Pistolenhalfter um, zog seine Jacke dann an und ließ den Strahl seiner Taschenlampe prüfend durch den Raum wandern. Ein hoch auf die Batterien! Allerdings wusste Alex nicht, wie viel Kapazität sie noch hatten und er entschloss sich nur davon Gebrauch zu machen, wenn es unbedingt notwendig sein sollte. Außerdem schadete das Licht nur seiner Fähigkeit, etwas im Dunklen wahrzunehmen. Diese Geschichte hier ließ seine ganzen alten Instinkte wieder aufleben, die er sich in seiner Zeit als Polizist angeeignet hatte. Wieso fiel in einem Gebäude wie diesem, dass einer Cryonic-Firma gehörte, der Strom aus? Ohne eine intakte Stromver-sorgung konnten die ganzen toten Spinner, die sich von seinem Arbeitgeber hatten so einfrieren lassen, nicht sehr lange frisch gehalten werden. Also müssten doch eigentlich sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Dass aber seit mehr als zwei Minuten nichts passierte, um all die Leichen davon abzuhalten aufzutauen, brachte in ihm sämtliche Alarmglocken dazu aufzuläuten. Zwar ließ ihn der Gedanke an den Gestank von 500 nicht mehr tiefgefrorenen Leichen in einer so heißen Juli Nacht erschaudern, aber viel wichtiger war die Tatsache, dass sich jemand am Notfallsystem zu schaffen gemacht haben musste. Und dass dieser jemand sehr wahrscheinlich noch hier war. Alex konnte sich nicht vorstellen, was es irgendwem bringen sollte, all die Leichen aufzutauen. Der einzige Grund dafür nun hier den Strom abzuschalten war, er dann ungehindert in den Tiefkühlbereich zu kommen. In ihm stieg der grausame Verdacht auf, dass es nicht die Toten waren, die einen Einbrecher dort interessieren könnten. Wenn sich diese Ahnung bestätigen sollte, saß er wirklich bis zum Hals in der Scheiße. Er hatte auf einmal Probleme damit, am Klos in seinem Hals vorbeizuatmen. Sollte tatsächlich jemand davon Wissen, dass er die Leichen als Versteck benutzte und dieses Wissen nun zur eigenen Bereicherung ausnutzen wollte, würde sich das ziemlich negativ auf Alex’ Zukunftsplanung auswirken. Spätestens in einer Woche würde er mit Betonschuhen an den Füßen auf dem Grund des Wannsees liegen. Die Mafia war in puncto finanzielle Verluste sehr sehr nachtragend. Aber das hatte er schon damals gewusst als er damit begonnen hatte, sich mit der ehrenwerten Gesellschaft einzulassen. Zwar hatte ihn das seinen Polizeijob gekostet, aber diesen Preis war er bereit gewesen zu bezahlen. Das Geld hatte letztlich den Ausschlag gegeben. Der Tod war ihm allerdings etwas zu teuer. Fieberhaft überlegte er, wer wohl davon Wind bekommen haben könnte, dass er im Gefrierschrank von Cryo Tec Drogen für Michelangelo „Das Messer“ Panucchi versteckte. Ihm fiel niemand spezielles ein. Doch Alex wusste auch, dass er nicht gerade der Schweig-samste war, wenn er einmal einen über den Durst getrunken hatte. Letztendlich spielte es aber auch gar keine große Rolle, wer ihn beklauen wollte. Hier ging einzig und allein um seien Arsch. Alex begann still vor sich hinzu fluchen als er darüber nachdachte, dass er vor fünf Minuten noch mit Jean Claude Van Damme ja so mit gefiebert hatte, und nun selbst in so einer scheiß verzwickten Situation hier steckte, die ihn sein Leben kosten könnte. Er musste diesen Schweinehund aufhalten, der ihn beklauen wollte. Zielstrebig und mit ausgeschalteter Taschenlampe, um den anderen nicht vorzuwarnen, ging er in Richtung Gefrierabteilung. Anstelle der offenen Türe, die er erwartet hatte, war hier aber alles ruhig. Etwas zu ruhig, aber das lag daran, dass die Kühlanlage nicht lief. Obwohl die Türe geschlossen und von innen nicht zu öffnen war, blieb das dumpfe Gefühl in seiner Magengegend. Er musste da rein gehen und sich versichern, dass wirklich alles in Ordnung war. Es stand einfach viel zuviel auf dem Spiel. Mit einem leisen Knarren öffnete er die schwere Eisentüre des Gefrierbereichs. Jedes Mal wenn er diesen Raum betrat, dankte er dessen Erbauern dafür, dass die Tür nicht zufallen konnte. Bei -60°C und ohne Schutzanzug, von dem man annahm, dass ein einfacher Wachmann so etwas nicht benötigte, war es keine sehr angenehme Vorstellung, hier eingesperrt zu sein. Seine entsicherte Waffe hielt er in der einen Hand, die Taschenlampe direkt darunter in der anderen, als er den Raum betrat. Die Kältewelle, die ihm entgegenschlug zeigte ihm, dass die Toten hier nun noch relativ frisch gehalten wurden. Mit einer Mischung aus Angst und Konzentration knipste er die Taschenlampe an und sah sich gespannt um. Außer den Leichen und ihm war niemand da. Und es gab auch keine Anzeichen dafür, dass schon jemand hier gewesen war. In seiner relativ langen Polizistenkarriere hatte Alex schon einige brenzlige Situationen erlebt, er konnte sich aber an keine erinnern, nach der er so extrem erleichtert gewesen war. Nachdem der größte Teil der Anspannung nun so plötzlich von ihm abgefallen war, musste er unwillkürlich lächeln. Er musste sich das ganze Horrorszenario wohl nur eingebildet haben. Das kam davon, wenn man zu viele drittklassige Actionfilme ansah. Seine Hochstimmung verflog so schnell wie sie gekommen war, als er hinter sich Schritte hörte. Außer ihm sollte doch niemand hier sein! Er drehte sich um und sah gerade noch, wie die Türe ins Schloss geworfen wurde und hörte, wie jemand ein paar Mal rhythmisch dagegen schlug. Für Alex hörte sich das wie ein höhnisches Lachen an. Als wäre das noch nicht genug, ging die Beleuchtung an, und die Kühlung begann wieder zu arbeiten. Was zur Hölle geht hier verdammt noch mal vor!!?, brüllte Alex mehr verzweifelt als wütend. Wie auf ein Stichwort quakte sein Funkgerät. Ciao Alex. Hattest du wirklich gedacht, ich würde nicht erfahren, dass du in die eigene Tasche arbeitest, indem du den Stoff streckst?, erklang eine Stimme, die zwar durch atmosphärisches Rauschen verzerrt war, aber dennoch nur einem einzigen Menschen gehören konnte. Eigentlich habe ich dich fast schon gemocht. Aber ich kann es dir nicht durchgehen lassen, dass du mich bescheißt. Das ist sehr schlecht für die Disziplin und den Respekt. Das verstehst du doch, oder? Alex sackte zusammen. Es war völlig unnötig zu antworten. Das Messer war bestimmt schon auf dem Weg nach draußen. Und er selbst war so gut wie tot. Vor morgen früh würde ihn hier niemand finden. Das waren noch 9 Stunden. Die Kälte hier drinnen würde ihr übriges tun. Nachdem er alle Alter-nativen durchgegangen war, und sich sicher war, dass es keinen anderen Ausweg gab, wurde er ganz ruhig. Er nahm seine Pistole aus dem Halfter und steckte sich den Lauf in den Mund. Er würde bestimmt nicht qualvoll an der Kälte verrecken, die sich schon durch seinen ganzen Körper zog. Wenn er schon sterben musste, dann auf seine eigene Art. Als er abdrückte verfluchte er seine Raffgier, die ihn einmal Mehr in so eine Scheißlage gebracht hatte. Das Beste daran war wohl, dass es ein nächstes Mal nicht geben würde. Nach diesen letzten Gedanken begann sein Gehirn sich an der Wand hinter ihm zu verteilen. Kein schöner Anblick, aber das interessierte Alex schon längst nicht mehr.

 

 

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141.  ©The night watchman

 

Suddenly the power was gone and nothing worked anymore. Alex frowned and grunted disapprovingly. At first not because of the power failure itself, but because he would now miss the end of the film. Admittedly a mediocre flick, but he would have been interested in how it would have ended. But his anger about the missed ending quickly subsided and he wondered how the hell the power went out here. After all, this was one of the most modern buildings in the city, crammed with the latest technology. Even if someone had cut the main power line, at least one emergency power generator would have to step in. After all, a self-sufficient power supply was essential for this building. And precisely because there couldn't have been a power failure here, his anger slowly but surely turned into a growing distrust. He sighed softly at the problems that were likely to arise and slowly rose from his chair. As he stretched to get the tiredness out of his bones, his head bumped rudely against the ceiling lamp, which, like his television and the rest of the electronics in this room, had given out. Sometimes he really cursed his height of almost exactly six feet. In his job as a security guard it was quite advantageous together with his body weight of an impressive 230 pounds, but sometimes such a huge stature was just a nuisance. Now in the darkness he buckled on his pistol holster, then put on his jacket and let the beam of his flashlight wander through the room, examining it. Cheers to the batteries! However, Alex did not know how much capacity they still had and he only decided to use it when it was absolutely necessary. Besides, the light only damaged his ability to perceive something in the dark. This story revived all of his old instincts learned from his time as a policeman. Why was there a power cut in a building like this owned by a Cryonic company? Without an intact power supply, all the dead weirdos that had been frozen by his employer couldn't be kept fresh for very long. So appropriate measures should actually be initiated immediately. But the fact that nothing had happened for more than two minutes to keep all the corpses from thawing made all the alarm bells ring in him. The thought of the smell of 500 corpses that were no longer frozen made him shudder on such a hot July night, but more importantly the fact that someone must have tampered with the emergency system. And that this someone was very likely still here. Alex couldn't imagine what it would do anyone to thaw all the corpses. The only reason for switching off the electricity here was to be able to get into the freezer area unhindered. The cruel suspicion arose in him that it was not the dead that might interest a burglar there. If this suspicion were to be confirmed, he was really up to his neck in the shit. He suddenly had trouble breathing past the toilet in his throat. Should someone actually know that he was using the corpses as a hiding place and now wanted to use this knowledge for their own enrichment, that would have a pretty negative effect on Alex’s future planning. In a week at the latest, he would be lying on the bottom of the Wannsee with concrete shoes on. The Mafia was very, very unforgiving about financial losses. But he had already known that when he had started to get involved with the honorable company. It had cost him his police job, but that was the price he had been willing to pay. In the end, it was the money that made the difference. Death was a little too expensive for him, however. He wondered feverishly who might have got wind of the fact that he was hiding drugs for Michelangelo "The Knife" Panucchi in the freezer of Cryo Tec. He couldn't think of anything in particular. But Alex also knew that he wasn't exactly the most taciturn once he had had a drink. In the end, it didn't really matter who was trying to steal from him. This was all about his ass. Alex began to swear quietly to himself when he thought about the fact that five minutes ago he had been so feverishly with Jean Claude Van Damme, and that he was now in such a shitty, tricky situation that could cost him his life. He had to stop this bastard who was trying to steal from him. Determined and with the flashlight switched off so as not to warn the other person, he walked towards the freezer. Instead of the open door that he had expected, everything was quiet here. A little too quiet, but that was because the cooling system wasn't running. Although the door was closed and could not be opened from the inside, the dull feeling in his stomach area remained. He had to go in there and make sure everything was really okay. There was just too much at stake. With a low creak, he opened the heavy iron door of the freezer area. Every time he stepped into this room, he thanked its builders that the door could not close. At -60 ° C and without a protective suit, which it was assumed that a simple security guard would not need, it was not a very pleasant idea to be locked here. He was holding his unlocked weapon in one hand and the flashlight directly below it in the other as he entered the room. The cold wave that hit him showed him that the dead were now kept relatively fresh here. With a mixture of fear and concentration, he switched on the flashlight and looked around intently. There was nobody there except for the corpses and himself. And there was no sign that anyone had been here before. In his relatively long career as a police officer, Alex had experienced a few sticky situations, but he couldn't remember any of the times after which he had been so extremely relieved. Now that most of the tension had suddenly dropped from him, he couldn't help smiling. He must have just imagined the whole horror scenario. That's what came of watching too many third-rate action films. His elation evaporated as quickly as it had come when he heard footsteps behind him. Nobody should be here except him! He turned around and just saw the door being thrown into the lock and heard someone banging against it rhythmically a few times. To Alex it sounded like a sneering laugh. As if that weren't enough, the lights came on and the cooling started working again. What the fuck is going on here !!? Alex yelled in more desperation than anger. As if on cue, his radio quacked. Ciao Alex. Did you really think I wouldn't find out that you were working in your own pocket by stretching the fabric? Came a voice that was distorted by atmospheric noise, but could only belong to one person. Actually, I almost liked you. But I can't let you get away with shitting me. It's very bad for discipline and respect. You understand that, don't you? Alex sagged. It was completely unnecessary to answer. The knife must have been on its way out. And he himself was as good as dead. Nobody would find him here before tomorrow morning. That was another 9 hours. The cold in here would do the rest. After going through all the alternatives and being sure that there was no other way out, he became very calm. He took his pistol from its holster and put the barrel in his mouth. He certainly wasn't going to die in agony from the cold that was already running through his body. If he was going to die, then in his own way. When he pulled the trigger, he cursed his greed that had put him in such a shitty position once more. The best part was that there wouldn't be a next time. After these final thoughts, his brain began to spread on the wall behind him. Not a pretty sight, but Alex didn't care anymore.