127.  ©Am Ufer des Sees

 

Bedrückt saß Nick am Ufer des smaragdgrünen Sees und starrte in die mondhelle Nacht. Annie hatte ihn kurz zuvor ja verlassen. Hab sie verloren!, dachte er so wehmütig, während er hinüber nach Brodersdorf starrte. Kühl wehte der Wind, seit die Sonne hinter den silberfarbenen, schneebedeckten Alpengipfeln versank, vom Ufer herüber. Aus seiner linken Hosentasche holte er ein zerknülltes Zigarettenpäckchen hervor, fischte eine heraus und steckte sie in den Mundwinkel. Liebe bereitet Schmerzen!, dachte er während er die Zigarette mit seinem billigen Feuerzeug anzündete und sich fragte, ob Annie schon in der Stadt sei. Nick schnippte den glühenden Zigarettenstummel in das dunkle Wasser bevor er beide Angeln überprüfte. An den Haken hingen die Köderfische. Bill lag mit dem Gesicht nach unten auf der alten Rosshaardecke. Langsam setzte er sich auf, starrte auf Nicks breiten Rücken. Nichts angebissen?, fragte er gähnend. Nein. Die Fische haben sich während des Tages vollgefressen. Hat Annie dich verlassen? Bill sank zurück auf die Decke. Nicks Kopf sank auf seinen mageren Brustkorb. Bitte Bill, geh weg!, sagt er flehentlich. Nur eine Frage! Tschuldige! Nick stand weiter so regungslos am Seeufer. Immer mehr Lichter in Brodersdorf erloschen. Kein guter Tag! Ihm schwindelte, die Angeln tanzten wie Heuschrecken vor seinen Augen. Bill warf trockenes Holz auf das niedergebrannte Feuer. Es war kühl geworden, wie meist nach heißen Tagen. Eine Gänsehaut überzog seine nackten Unterarme. Willst hier übernachten oder gehst mit mir zurück nach Brodersdorf? Bitte Bill, verschwinde. Ich muss nachdenken, mit mir ins Reine kommen. Nick setzte sich ans Ufer, sein Kopf von den Handflächen gestützt. Bill wärmte seine Hände über dem Feuer. Soll ich auf dich warten?, fragt er besorgt, denn er wollte Nick nicht alleine zurück lassen. Nick war manchmal unberechenbar. Verschwinde endlich bevor ich dir eine aufs Maul haue!, schrie Nick. Bill war gekränkt, das ihn Nick wie einen räudigen Hund davonjagen wollte. Komm endlich, gehen wir heim, flehte er. Lass mich in Ruhe und hau ab! Nick sprang auf und ging mit geballten Fäusten näher. Nur die Ruhe, Nick! Geh ja schon! Nach einigen Metern sah er verstohlen über die linke Schulter zurück. Nick saß wieder am Ufer und starrte ins dunkle Wasser. Die Schwimmer trieben auf der glatten Wasser-oberfläche. Wenn keine Fische anbeißen, kann Nick Josef keine verkaufen. Ohne Fisch kein Geld, ohne Geld keinen billigen Fusel, ohne Fusel kein Vergessen. Liebe ist nicht schön. Mit Annie ist es nicht mehr schön. Sie ist nicht mehr schön. Aber sie kocht für mich, wäscht für mich, redet mit mir und gelegentlich schläft sie mit mir. Erträgt meine Launen. Manchmal schlage ich ihr ins Gesicht, vor allem dann, wenn Annie über meine Sauftouren jammert oder mir vorwirft, ich sei faul Nick lebte von den gestohlenen Fischen. Er verkaufte sie an  Josef, der sie  wiederum an seine Gäste weiterverkaufte. Nick versoff das Geld sofort wieder. Nick sprang auf. Jemand kam. Hätte die Glut austreten sollen! Hat sonn Penner gesehen u. will sich hier anwärmen! Zweige zerbrachen unter der Last schwerer Stiefel. Wenn Bill zurückkommt, geb ich ihm so eine aufs Maul. Im Halbdunkel der Glut erschien die Kontur eines großen, kräftigen Mannes. Albin Hartmann, jener Polizist, der Nick seit Jahren beim Schwarz fischen erwischen wollte, stand breitbeinig, beide Daumen im Ledergürtel, neben den Glutresten und grinste höhnisch. Guten Abend, Albin! Wieder mal erfolglos auf der Verbrecherjagd? Nick entblößte seine nikotingelbe Zähne. Geht dich ein Dreck an. Was machst du um diese Zeit hier draußen? Gewöhnlich schläfst du um diese Zeit bei Josef deinen Rausch aus. Albin, sogar ich brauch auch mal frische Luft. Ist ein wunderbar lauer Abend. Nick grinste provozierend. Für dich noch immer Inspektor oder Herr Hartmann, verstanden! Hartmann spuckte verächtlich auf den taufeuchten Boden. Beschwichtigend hob Nick beide Hände. Im Osten baute sich ein Gewitter auf, Wetter-leuchten erhellte die Nacht. Durch die Äste der alten Pappeln pfiff ein kalter Wind. Nick fror in seinem kurzärmeligen Hemd. Wird ein Gewitter geben, dachte Nick. Schwerfällig stapfte Hartmann zum Ufer. Du solltest deine Ruten besser festmachen, ein dicker Fisch könnte sie dir sonst ins Wasser ziehen. Bist wieder mal pleite, stimmt´s. Der glaubt, ich bin ein Vollidiot? Nick besaß nie eine Genehmigung. Die gehören mir nicht! Hab mich auch schon gefragt, wem sie gehören! Ich nehme sie mit. Der Besitzer kann sie bei mir im Büro holen. Glaube, die gehören einem verfluchten Schwarzfischer. Hartmann nahm beide Ruten an sich. Nick konnte er nichts beweisen, aber, ohne Angelruten konnte Nick den Fischern von Brodersdorf keine Fische stehlen. Warum hasst du mich, Albin? Hab dir nichts getan und du bist du hinter mir her wie ein Hund nach seinem Schwanz. Solltest lieber nachschauen, was deine Alte treibt. Hartmann zerrte Nick an seinem Sommerhemd in die Höhe! Hör mir zu, Klugscheißer! Hartmanns Atem roch nach Zwiebeln, seine Schläfen schwollen bedrohlich an. Nick Horn! Trockene Tage brechen an! Ohne Ruten keine Fische. Ohne Fische, keine Kohle. Nickilein wird durstig sein ohne Fusel! Er betonte jedes Wort mit einem Fingerstupser auf Nicks Brust. Dann legte Hartmann salutierend den Zeigefinger an den Rand seiner Uniformkappe. Hartmann hatte sich zwei Schritte entfernt, da rief ihm Nick hinterher: Gute Nacht, Inspektor! Vergiss nicht nachzusehen mit wem es deine Alte so gerade treibt. Hartmanns Faust landete krachend in Nicks Gesicht. Ich krieg dich! Ich schwöre, ich reiß dir den Hintern auf! Ein letzter, hasserfüllter Blick, dann verschwand Hartmann mit Nicks Angelruten im angrenzenden Wäldchen. Nick wischte das Blut mit dem Handrücken aus dem Gesicht. Dann kicherte er leise. Schließlich begann er zu lachen. Immer lauter, bis sein Gewieher die Nachtstille zerriss und den Gesang der Frösche und Grillen übertönte. Seine Lachtränen vermischten sich mit dem Blut und tropften rosa aufs Hemd. Sollte mir wirklich eine Arbeit suchen! Mein Leben ist ein Chaos! Nichts geschaffen, den Freund vorhin weggejagt und Annie hat mich verlassen. Lange Zeit saß Nick nachdenklich neben den Glutresten. Schritte näherten sich, kam Hartmann zurück? Hi, Nick!, begrüßte ihn Bill. Bill! Warum kommst du zurück? Er kämpfe gegen die in ihm auflodernde Wut. Dann fiel sein Blick auf die beiden Angelruten in Bills Händen. Bring dir deine Angeln, dachte du würdest sie noch brauchen. Wo nur hast du die her? Vor lauter Überraschung blieb sein Mund offen. Aus Hartmanns Dienstwagen. Standen vor Josefs Kneipe, die Ruten auf dem Rücksitz. Hat glatt vergessen seine Karre abzuschließen. Wird blöd dreinschauen, wenn er aber merkt das sie fort sind. Hättest nicht herkommen sollen. Was, wenn Hartmann zurückkommt? Kommt nicht! Muss erst seinen Autoschlüssel suchen, hat er im Zündschloss stecken lassen. Hab den Schlüssel ins Gebüsch geschmissen! Bill lachte wiehernd über seinen Streich und reichte Nick die Angeln. Übrigens, soll dir von Annie was ausrichten. Vor deiner Hütte. Hat mich zurückgeschickt, soll auf dich aufpassen, hat sie gesagt, sie macht sich Sorgen, weißt du. Von Annie? Wo hast du sie getroffen? Brauch kein Kindermädchen, verdammt!, keifte Nick und ging wieder ans Ufer. Nur mehr wenige Lichter waren in Brodersdorf eingeschaltet. Donnergrollen kündete das Gewitter an, der Wind frischte stürmisch über den See herüber auf. Erste Blitze erhellten die Dunkelheit. Los, gehen wir zurück! Die Ruten lass hier, Hartmann könnte sie bei dir suchen. Bill stand neben Nick, legte seine Hand auf dessen linken Oberarm. Annie sorgt sich um mich? Nick schaute noch immer nach Brodersdorf, wo die letzten Lichter erloschen. Und sie gibt dir eine letzte Chance, soll ich sagen. Die Allerletzte! Nick stellte wieder die Angelruten auf. Bis Morgen waren sie vor Hartmann sicher. Dann trottete er wortlos neben Bill heimwärts. Ein Blitz färbte den schwarzen Nachthimmel in oranges Licht, der Donner wurde lauter. Erste Regentropfen fielen auf den ausgetrockneten Boden. Nick legte seinen Arm um Bills Schulter und begann Verdis Triumphmarsch zu pfeifen, bald begleitet von Bills.. la laa… la la la, la la la, la laa… la la.  Als der Nieselregen in einen Wolkenbruch überging, erreichten sie die ersten Häuser von Brodersdorf.

 

  

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127.  ©On the shore of the lake

 

Nick sat depressed on the shores of the emerald green lake, staring into the moonlit night. Annie had left him shortly before. Lost her! He thought so wistfully as he stared over at Brodersdorf. The wind has been blowing cool since the sun sank behind the silver-colored, snow-capped Alpine peaks, over the shore. He took a crumpled packet of cigarettes out of his left trouser pocket, fished one out, and tucked it in the corner of his mouth. Love is painful! He thought as he lit the cigarette with his cheap lighter and wondered if Annie was already in town. Nick flicked the glowing cigarette butt into the dark water before checking both hinges. The bait fish hung on the hook. Bill was face down on the old horsehair blanket. He sat up slowly, staring at Nick's broad back. He asked, yawning. No. The fish ate themselves full during the day. Did Annie leave you? Bill sank back on the ceiling. Nick's head sank on his skinny chest. Please Bill, go away! He says pleadingly. Just one question! Sorry! Nick continued to stand motionless on the lakeshore. More and more lights went out in Brodersdorf. Not a good day! He felt dizzy, the hinges danced like locusts before his eyes. Bill threw dry wood on the burned fire. It had gotten cool, as it usually did after hot days. Goosebumps covered his bare forearms. Do you want to spend the night here or are you going back to Brodersdorf with me? Please Bill, get out of here. I have to think, come to terms with myself. Nick sat on the bank, his head propped on his palms. Bill warmed his hands over the fire. Shall I wait for you? He asks, worried, because he didn't want to leave Nick alone. Nick was unpredictable at times. Get out of here before I hit you in the mouth! Nick yelled. Bill was offended that Nick wanted to chase him away like a mangy dog. Come on, let's go home, he pleaded. Leave me alone and get away! Nick jumped up and walked closer with clenched fists. Take it easy, Nick! Go already! After a few yards he glanced back over his left shoulder. Nick sat back on the bank and stared into the dark water. The swimmers floated on the smooth surface of the water. If there are no fish, Nick Josef cannot sell any. Without fish there is no money, without money no cheap booze, without booze you cannot forget. Love is not beautiful It's not nice with Annie anymore. She is no longer beautiful. But she cooks for me, washes for me, talks to me and occasionally sleeps with me. Bear my whims. Sometimes I slap her in the face, especially when Annie whines about my binge drinking or accuses me of being lazy. Nick makes a living from the stolen fish. He sold them to Josef, who in turn sold them to his guests. Nick drowned the money again immediately. Nick jumped up. Someone came. The embers should have come out! Has seen sun bums and wants to warm up here! Branches broke under the weight of heavy boots. When Bill comes back I'll give him one on his face. In the semi-darkness of the embers the outline of a tall, strong man appeared. Albin Hartmann, the policeman who had wanted to catch Nick fishing for years, stood with his legs apart, both thumbs in the leather belt, next to the remains of the embers and sneered. Good evening, Albin! Again unsuccessful on the hunt for criminals? Nick bared his nicotine-yellow teeth. Doesn't matter to you. What are you doing out here at this hour? Usually you sleep off your intoxication with Josef at this time. Albin, even I need some fresh air from time to time. It's a wonderfully mild evening. Nick grinned provocatively. Still an inspector or Mr. Hartmann for you, understood! Hartmann spat contemptuously on the dewy floor. Nick raised both hands soothingly. A thunderstorm was building up in the east and glowing weather lit up the night. A cold wind whistled through the branches of the old poplars. Nick froze in his short-sleeved shirt. There's going to be a thunderstorm, Nick thought. Hartmann trudged heavily to the bank. You'd better tie up your rods, otherwise a big fish might pull them into the water. You're broke again, right. Who thinks I'm a complete idiot? Nick never had a permit. They don't belong to me! I also wondered who they belong to! I'll take her with me. The owner can pick them up at my office. Believe they belong to a bloody black fisherman. Hartmann took both rods. He couldn't prove anything to Nick, but without fishing rods Nick couldn't steal any fish from the Brodersdorf fishermen. Why do you hate me albin Didn't hurt you and you're after me like a dog after its tail. Better to see what your old woman is up to. Hartmann pulled Nick up by his summer shirt! Listen to me smartass! Hartmann's breath smelled of onions and his temples swelled ominously. Nick Horn! Dry days are coming! No fish without rods. Without fish, no coal. Nickilein will be thirsty without booze! He emphasized each word with a nudge on Nick's chest. Then Hartmann saluted and put his index finger on the edge of his uniform cap. Hartmann was two paces away when Nick called after him: Good night, Inspector! Don't forget to see who your old woman is up to. Hartmann's fist crashed into Nick's face. I get you! I swear I'll rip your butt off! One last, hateful look, then Hartmann disappeared with Nick's fishing rods into the adjacent wood. Nick wiped the blood off his face with the back of his hand. Then he giggled softly. Finally he started laughing. Louder and louder until its whine tore through the night silence and drowned out the singing of the frogs and crickets. His tears of laughter mixed with the blood and dripped pink on his shirt. Should really look for a job! My life is a mess! Made nothing, chased the friend away earlier and Annie left me. For a long time Nick sat pensively next to the remains of the embers. Footsteps approached, did Hartmann come back? Hi Nick !, Bill greeted him. Bill! Why are you coming back He fights against the anger that flares up inside him. Then his gaze fell on the two fishing rods in Bill's hands. Bring your fishing rods, thought you'd still need them. Where did you get it from? His mouth stayed open in sheer surprise. From Hartmann's company car. Standing in front of Josef's bar, rods in the back seat. Forgot to lock his car. Will look stupid, but when he realizes that they are gone. Shouldn't have come here. What if Hartmann comes back? Does not come! Has to look for his car key first, he left it in the ignition. Threw the key in the bushes! Bill neighed at his prank and gave Nick the fishing rod. By the way, let Annie tell you something. In front of your hut. Sent me back to take care of you, she said, she's worried, you know. From Annie? Where did you meet her No need for a nanny, damn it! Nick snapped and went back to the bank. Only a few lights were switched on in Brodersdorf. A rumble of thunder announced the thunderstorm, the wind freshened stormily across the lake. The first flashes of lightning brightened the darkness. Let's go back! Leave the rods here, Hartmann could look for them with you. Bill stood next to Nick, put his hand on Nick's left upper arm. Annie cares about me? Nick was still looking at Brodersdorf, where the last lights went out. And she gives you one last chance I should say. The very last! Nick put the fishing rods back up. They were safe from Hartmann by morning. Then he trotted home next to Bill without a word. A flash of lightning colored the black night sky in orange light, the thunder grew louder. The first raindrops fell on the parched ground. Nick put his arm around Bill's shoulder and began to whistle Verdi's triumphal march, soon accompanied by Bill ... la laa ... la la la, la la la, la laa ... la la. When the drizzle turned into a downpour, they reached the first houses in Brodersdorf.