110.   © 60 Minuten bis ...

 

Die Dinge haben sich zugespitzt. Lohnt es sich noch, in den Ring zu steigen? Seltsam, wie bedeutungslos mir inzwischen sein Betrug vorkommt. Was spielt es noch für eine Rolle, mit wem dieser Hundesohn im Bett gelegen hat. Von mir aus kann‘s die gesamte Formel-1 Mannschaft gewesen sein. Buntgewürfelter, promiskuitiver Haufen, das ganze Pack. Von einem dieser Burschen wird er sich den Virus garantiert geholt haben. Ich hätte es wissen müssen. Diese Sorte Globetrotter ist nicht treu. Für die ist Liebe etwas, dass sie allenfalls in einem Hollywood-schinken akzeptieren und auch da eher als Umweg zum erfüllten Sexualleben belächeln. Tiefer gehende Gefühle scheinen hier gar keinen Platz mehr zu haben in diesen triebgesteuerten Köpfen. Und ich? Mein Coming out ist doch erst 6 Monate her. Ich habe mit allen Fasern gewünscht, endlich, endlich meinen Weg gefunden zu haben. Ich wurde geliebt, begehrt, schwebte auf Wolken und ließ mich fallen. Fallen in die erste erfüllende Liebe meines Lebens, überzeugt, meine Zwillingsseele gefunden zu haben, den Mann der mich auffangen, halten, anlernen, besitzen und führen würde. Erfahren wie er war, konnte das nur eine Bindung fürs Leben bedeuten. Immerhin hatte er sich ausgetobt, war doppelt so alt wie ich mit meinen erst Neunzehn, und im Rennsportbetrieb ein As. Ich habe zu ihm aufgesehen, in jeder Beziehung. Roberto war, nach einer immer peinlicher werdenden Serie meine Homo-sexualität zu leugnen, der erste Mann in meinem Bett und das Ergebnis war überwältigend. Ich ergab mich auf ganzer Linie. Beendete noch am gleichen Tag die Beziehung mit Helena ohne jegliches Bedauern. Da war nichts mehr zu vertuschen, nichts mehr zu kitten, nichts mehr zu überlegen. Ich war schwul und zum ersten Mal bereit, es zuzugeben. Es laut herauszuschreien, es kompromisslos zu leben. Es folgte ein halbes Jahr reinen Glücks und dann der Absturz in eine Hölle die mich zerstörte. Ausspuckte wie einen dummen Jungen, dessen euphorische Erwart-ungen ans Leben allenfalls zur Lachnummer für die Szene reichten. Einer Szene, aus der ER sich offensichtlich nie gelöst hatte, auch nicht, nachdem ich bei ihm eingezogen war. Er bestieg sie noch immer, diese männlichen Grou-pies. Wählte sie aus, wie er mich ausgewählt hatte. Und dachte nach einiger Zeit nicht einmal mehr daran, dies vor mir zu verbergen. Vor einigen Tagen begann es. Nach der Siegesfeier der Crew, bei der ich noch an seiner Seite saß, strahlend über den Sieg seines Unternehmens, glücklich und so stolz auf ihn, das es mich fast zerriss. Und ver-trauensselig und dumm, wie ich jetzt wusste. Ich hatte es nicht bemerkt. Hielt seine Laudatio auf den Sieger für den berechtigten Stolz eines Rennstallbesitzers, der auf den richtigen Fahrer gesetzt hatte. Keinen Moment kam mir der Gedanke, mein Mann, der Mann, der mich jede Nacht leidenschaftlich liebte, könne das geringste sexuelle Interesse an diesem Hetero haben, der mit seiner blonden Geliebten schnäbelte und für seine außerehelichen Eskapaden mit den Schönen der Nacht ebenso bekannt war, wie im einschlägigen Model-Milieu. Wie immer war ich mehr als bereit gewesen, meinen geliebten Roberto zu entlasten und nach der Siegesfeier die Abwicklung mit den Organi-satoren der Feier durchzuziehen. Er würde ja zu Hause auf mich warten und unsere ganz persönliche kleine Liebes-feier arrangieren. Doch dann überstürzten sich die Ereignisse. Während meiner Abrechnung mit dem Party Service lief der Fernseher in der Pantry. Wir waren so in die Zahlen vertieft, dass keiner dem Programm besondere Auf-merksamkeit schenkte. Bis die Stimme der Nachrichten Sprecherin plötzlich fast hysterisch kippte. Daher fordern wir sie auf, den Apparat eingeschaltet zu lassen und auf unsere nächsten Meldungen zu warten. Wie? Was? Worauf? Was ist los? Ein Meteorit?, rief der Barkeeper und sah eher erheitert als besorgt aus. Ach schon wieder, der Koch streckte seinen weißbemützten Schädel durch die Schwingtür zur Küche, das Ding soll doch angeblich Millionen von Kilometern an der Erde vorbeidriften. Nicht mehr, eben nicht mehr, rief der Liftboy und versuchte, in der Aufzugtür stehend, die Fahrt nach oben aufzuhalten. Der Gigant hat die Richtung geändert, es wird eng für die Erde. Alles lachte, aber ich beendete sofort die Abrechnungsmodalitäten und verschob das Ganze auf den nächsten Tag. Rober-to zu sehen und seine in diesem Zusammenhang etwas seltsamen Ängste aufzufangen, war mir plötzlich unendlich wichtig. Ich raste in Robertos rotem Porsche durch das nächtliche Berlin u. missachtete jede Geschwindigkeits-beschränkung. Als sich die Aufzugtüren jetzt zu unserem Loft lautlos öffneten, hörte ich ihn schon. Die Laute kamen aus unserem Schlafzimmer und sie waren mir nur allzu bekannt. Ich stand wie erstarrt in dem offenen Durchgang zwischen Kaminzimmer und Schlafraum. Die Szene auf dem riesigen Bett hätte ausgezeichnet auf das Cover eines Homopornos gepasst. Roberto und der Sieger des Tages in voller Aktion. Und dann geschah das absolut Unfassliche. Roberto sah mir direkt in die Augen. Er unterbrach seine lustvolle Tätigkeit nicht für den Bruchteil einer Sekunde, entließ mich nicht aus seinem siegesbewussten Blick. Dies war eine Machtprobe, wie würde ich reagieren. Wie weit konnte er mich demütigen. Er lächelte und drückte seinen stöhnenden Gespielen, der mich nicht sehen konnte, hart in die Kissen. Auch hier war die Rollenverteilung deutlich zu erkennen. Er dirigierte das Geschehen und der Andere unterwarf sich. Es war überdeutlich, so und nicht anders war auch unsere Beziehung bisher abgelaufen, und er ließ mich mit dieser Vorstellung wissen, dass es auch nie anders sein würde. Was danach geschah, ist verborgen hinter einem Nebel von Schmerz und Wut. Ich war wie betäubt aus dem Zimmer gerannt, in den Porsche gestiegen und durch die nur noch schwach belebte Stadt gebraust. Fünfzehn Minuten später schnitt man mich mitten auf der Avus aus meinem Gefährt. Ehe ich das Bewusstsein verlor, erfüllte mich ein seltsames Gefühl der Befriedigung, Robertos geliebter Porsche war nur noch Schrott. Drei Tage später liege ich also nun hier, in einem Krankenzimmer, das von einer seltsamen Unruhe erfüllt ist, die ich noch nicht einordnen kann und der Chefarzt hat mir gerade eröffnet, dass ich meine Verletzungen überleben werde, der Bluttest allerdings ergeben hat, dass ich HIV positiv bin. Er hat es seltsam unbeteiligt gesagt, so als spiele es gar keine Rolle, dass er mit dieser Diagnose meine gesamte Zukunft zerstört. Und er verlässt den Raum, ohne mir Gelegenheit zu geben, auch nur eine Reaktion zu zeigen, Fragen zu stellen, meine Panik in den Raum zu brüllen wie ein Tier. Die Oberschwester ist an meinem Bett stehen geblieben und etwas wie resigniertes Mitleid ist in ihrem Blick. Herr Billinger, Sie werden in zehn Minuten mit ihrem Bett abgeholt und in einen nahe gelegenen ehemaligen Bunker evakuiert. Die Welt hat sich nun während ihres koma-tösen Zustandes entscheidend verändert, der Meteorit, ihre Stimme brach ab und der Satz hing wie inhaltslos in der Luft.. Ich sehe sie verständnislos an. Er wird uns treffen, sagt sie endlich fast tonlos. Er wird die ganze Erde ver-nichten und das schon in einer knappen Stunde. Wir haben jede mögliche Vorsorge getroffen, aber unser aller Chancen sind minimal. Verzeihen Sie unserem Chef, dass er sich nicht die Zeit genommen hat, mit Ihnen zu sprechen, er wird die Stunde, die uns allen noch bleibt, mit den Menschen verbringen, die ihm nahe stehen. Er hat das Haus bereits verlassen. Sie löst die Rollen an meinem Bett und öffnet weit die Tür, um das Gefährt hindurch zu dirigieren. Mein gesamtes Denken setzt aus, ich schließe die Augen und fühle mich wie in einem entsetzlichen Alptraum. Ich muss nur wach werden, unbedingt, jetzt, sofort. Keuchend bemühe ich mich um etwas, das gar nicht eintreten kann. Ich bin wacher als ich es je in meinem Leben war. Roberto, Meteorit, HIV positiv, es ist zu viel, es ist zu viel, wer treibt da sein satanisches Spiel mit mir? Als ich meine Augen öffne, steht Roberto im Türrahmen. Was immer auch geschah, was immer er ist und je sein wird, ich bin der Mensch, mit dem er die letzten Minuten seines Lebens verbringen will. Ich öffne weit die Arme und er stürzt sich hinein, als habe er nachlanger Irrfahrt seinen Heimathafen erreicht. Wir vergaßen die Welt um uns, eine Welt, die es in knapp sechzig Minuten nicht mehr geben würde.

 

 

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110.  ©60 minutes to ...

 

Things have come to a head. Is it still worth getting in the ring? Strange how insignificant his deception now seems to me. What else does it matter who this son of a dog was in bed with? From my point of view, it could have been the entire Formula 1 team. Diced, promiscuous bunch, the whole pack. He's guaranteed to have got the virus from one of these guys. I should have known. This type of globetrotter is not faithful. For them love is something that they only accept in a Hollywood ham and even smile at it as a detour to a fulfilled sex life. Deeper feelings seem to have no more place in these instinct-driven minds. And me? It was only 6 months ago that I came out. I wished with all my fibers that I had finally, finally found my way. I was loved, desired, floated on clouds and let myself fall. Falling into the first fulfilling love of my life, convinced that I have found my twin soul, the man who would receive, hold, learn, own and lead me. Knowing what he was like could only mean a bond for life. After all, he had let off steam, was twice my age when I was only nineteen, and an ace in the racing business. I looked up to him in every way. After an increasingly embarrassing series of denial of my homosexuality, Roberto was the first man in my bed and the result was overwhelming. I surrendered all along the line. On the same day ended the relationship with Helena without any regrets. There was nothing left to cover up, nothing to cement, nothing to think about. I was gay and ready to admit it for the first time. Shout it out loud, live it uncompromisingly. It was followed by half a year of pure happiness and then the crash into a hell that destroyed me. Spit out like a stupid boy whose euphoric expectations for life were at best enough to make the scene laugh. A scene from which HE obviously had never left, not even after I moved in with him. He was still climbing them, those male groupies. Chose her as he picked me. And after a while didn't even think of hiding it from me. It started a few days ago. After the crew's victory celebration, where I was still sitting by his side, beaming at the victory of his company, happy and so proud of him that it almost tore me apart. And trusting and stupid, as I now knew. I would not have noticed it. He held his laudation for the winner for the justified pride of a racing team owner who had bet on the right driver. It never occurred to me for a moment that my husband, the man who loved me passionately every night, might have the slightest sexual interest in this straight guy who beaked his blond lover and was also known for his extramarital escapades with the beauties of the night, as in the relevant model milieu. As always, I was more than ready to relieve my beloved Roberto and, after the victory celebration, go through with the organization of the celebration. He would wait for me at home and arrange our very own little love celebration. But then events precipitated. While I was being billed to the party service, the TV was on in the pantry. We were so absorbed in the numbers that no one paid special attention to the program. Until the voice of the news announcer suddenly fell almost hysterically. We therefore ask you to leave the device switched on and wait for our next reports. As? What? On what What's happening? The bartender called out, looking more amused than concerned. Oh again, the cook stuck his white-capped skull through the swinging door to the kitchen, the thing is supposed to be drifting millions of kilometers past the earth. Not anymore, not anymore, called the elevator boy and tried, standing in the elevator door, to stop the journey upstairs. The giant has changed direction, it is getting tight for the earth. Everyone laughed, but I ended the billing modalities immediately and postponed the whole thing to the next day. Seeing Roberto and absorbing his somewhat strange fears in this context was suddenly extremely important to me. I sped through nighttime Berlin in Roberto's red Porsche and ignored any speed limit. When the elevator doors to our loft opened silently, I could already hear him. The sounds came from our bedroom and I knew them all too well. I stood frozen in the open passage between the fireplace room and the bedroom. The scene on the huge bed would have fit perfectly on the cover of gay porn. Roberto and the winner of the day in full action. And then the absolutely incredible happened. Roberto looked me straight in the eye. He did not interrupt his lustful activity for a split second, did not release me from his victory-conscious gaze. This was a test of strength how would I react. How far could he humiliate me? He smiled and pressed his moaning playmate, who couldn't see me, hard into the pillow. Here, too, the distribution of roles was clearly visible. He directed the event and the other submitted. It was abundantly clear that this was how our relationship had gone before, and he let me know with this idea that it would never be any different. What happened after that is hidden behind a fog of pain and anger. I ran out of the room as if stunned, got into the Porsche, and roared through the city, which was now less busy. Fifteen minutes later I was cut out of my vehicle in the middle of the Avus. Before I lost consciousness, I felt a strange sense of satisfaction, Roberto's beloved Porsche was just crap. So three days later I am now lying here, in a sick room that is filled with a strange restlessness that I cannot yet classify and the chief doctor has just told me that I will survive my injuries, but the blood test showed that I was Am HIV positive. He said it strangely indifferently, as if it didn't matter that he was destroying my entire future with this diagnosis. And he leaves the room without giving me the opportunity to react, to ask questions, to roar my panic into the room like an animal. The head nurse has stopped by my bed and there is something like resigned pity in her gaze. Mr. Billinger, you will be picked up in your bed in ten minutes and evacuated to a nearby former bunker. The world has now changed decisively during her comatose state, the meteorite, her voice broke off and the sentence hung in the air as if meaningless .. I look at her blankly. He'll meet us, she finally says almost flatly. He will destroy the whole earth and that in less than an hour. We have taken every possible precaution, but all of our chances are minimal. Forgive our boss for not taking the time to speak to you, he will spend the hour that remains for all of us with the people who are close to him. He's already left the house. She releases the roles on my bed and opens the door wide to direct the vehicle through. All my thinking stops, I close my eyes and feel like I am in a terrible nightmare. I just have to wake up, absolutely, now, immediately. Panting, I try to do something that cannot happen. I'm more awake than I've ever been in my life. Roberto, meteorite, HIV positive, it's too much, it's too much, who is playing his satanic game with me? When I open my eyes, Roberto is standing in the door frame. Whatever happened, whatever he is and will ever be, I am the person he wants to spend the last minutes of his life with. I open my arms wide and he rushes in as if he had reached his home port after a long odyssey. We forgot the world around us, a world that would no longer exist in just under sixty minutes.