106.  ©Der Leseabend

 

Sie trafen sich zu ihrem allmonatlichen Leseabend, fünf Frauen und zwei Männer, allesamt hatten sie den mittleren Lebensabschnitt schon ein bisschen überschritten. Nur ihr neuestes Mitglied war gut 10 Jahre jünger als der Durchschnitt, hatte sich aber schon in kürzester Zeit gut in die Gruppe integriert. Der Leseabend fand jeden dritten Donnerstagabend im Monat statt und man traf sich Reih um bei den einzelnen Mitgliedern. Die Neue war jetzt schon seid gut 10 Monaten dabei, hatte es aber bisher geschafft die übrigen Mitglieder mit der Ausrede Mein Mann ist nicht kompatibel mit andren Menschen! hin zu halten. Sie erschien zwar stets gerne zu den Leseabenden bei den Anderen, war aber ihrer Verpflichtung als Gastgeberin, aus dem soeben genannten, nebulösen Grund, noch nicht nachgegangen. Die Abende verliefen stets nach gleichem Muster. Nach dem nun alle eingetrudelt, die Begrüßung mit gegenseitigen Umarmungen und Küsschen ausgetauscht und alle Jacken, Mäntel, oder eben der Jahreszeit ent- sprechenden Oberbekleidung, abgelegt waren, setzte man sich in die gute Stube, oder bei schönem Wetter in den Garten an einen reich gedeckten Tisch. Die Gastgeberin ließ sich nicht lumpen und kredenzte ihren Gästen selbst gebackene Leckereien, nebst Käsehäppchen, verschiedenen Dips und was sonst noch das Schlemmerherz begehrt. Dazu wurde eine Auswahl an Wein, Bier u. selbstverständlich auch alkoholfreien Getränken gereicht Man schmauste genüsslich und tratschte derweil so über dies und das und das Leben im Allgemeinen. Waren dann alle ausreichend gesättigt, wurden die jeweilig im letzten Monat studierten Bücher hervor geholt und Reih um begann man dann damit einzelne Passagen aus eben diesen vor zu tragen und ausgiebig darüber zu diskutieren. Was jedes Mal zu interessanten und auch mal ungewöhnlichen, Einblicken in die Lektüre und deren Protagonisten führte. Sprich, die Leseabende waren für alle Sinne ein Hochgenuss und beim Abschied freute man sich schon auf das nächste Treffen. Einzig beim ersten Abend des neuen Mitglieds, hatte dieses eine Lektüre aus dem Bereich Horror und Psycho vorgetragen, über dessen Inhalt sich die anderen Mitglieder nicht so recht erfreuen wollten. Gott sei Dank hatte die Neue dies wohl bemerkt und beim folgenden Treffen darauf verzichtet, ihrer Affinität zu diesem Genre im Beisein der Anderen zu frönen und war zu konservativerer Lektüre gewechselt. Und nun wurde es aber auch endlich mal Zeit, dass die Neue zu sich nach Hause einlud. Man war natürlich auch ein bisschen neugierig. Schließlich hatte sie ja davon berichtet, dass sie mit ihrem Mann in einem kleinen Holzhaus mitten im Wald lebe. Was sich unge-wöhnlich und ein bisschen spannend anhörte, ob ihres ja schon erwähnten inkompatiblen Mannes! Diese Ausrede ließe man nun aber wirklich nicht mehr gelten, schließlich wäre ja, da der Sommer vor der Tür stand, wieder die Zeit in der man sich im Garten treffen und ihr Mann sich dementsprechend, sollte er so kontaktscheu sein wie sie ihn beschrieben hatte, im Haus bleiben oder sich anderweitig außer Haus beschäftigen könne, um der Gruppe damit aus dem Wege zu gehen. Also hatte sich die Neue nun endlich dazu bereit erklärt, den nächsten Leseabend aus zu richten. So trafen also alle Mitglieder nach und nach bei der Neuen ein. Ihr Haus stand tatsächlich mitten im Wald zwischen hohen Fichten und Tannen. Ein schmaler, mit etlichen Schlaglöchern versehener Sandweg, führte bis vor einen Holzzaun, der einen naturbelassenen Garten umgab, in dessen Mitte ein kleines, schwarzes Holzhaus stand. Vorsorglich, damit auch alle den Weg zu ihr hinfänden, hatte die Neue jedem Mitglied eine handgefertigte Zeichnung überreicht, und so war es jedem gelungen ohne Probleme zu ihrem Haus zu finden. Die Neue empfing alle Mitglieder herzlich an der Gartenpforte und führte sie über einen gewundenen Trampelpfad zur Koniferen umringten Terrasse. Auf dieser wartete ein reichlich gedeckter Tisch mit bequemer Bestuhlung und festlich mit Kerzen beleuchteten Umgebung. Alle Anwesenden gaben ihrer Bewunderung laut, ob dieses idyllischen Fleckchens und wie schön ruhig es hier doch wäre. Na gut, etwas abseits gelegen, aber dafür hatte mein seine Ruhe und mit dem Auto war man ja nicht ganz vom Rest der Welt abgeschnitten. Und auch das kleine Häuschen wäre ja so hübsch und für zwei Leute auch völlig ausreichend. Normalerweise hätte man ja sowieso viel zu viel Kram in viel zu vielen unnötigen Räumen. So sei doch alles viel übersichtlicher und auch, wie praktisch, wesentlich leichter sauber zu halten. Ach ja, u. diese Waldluft, herrlich!! Nach dem alle ihre Bewunderung kund getan hatten, setzte man sich an den gedeckten Tisch und ließ es sich bei selbst gemachten Fleischbällchen in Brotteig mit überbackenem Käse u. einem guten Tropfen Wein, für alle Weinliebhaber unter den Mitgliedern, gut gehen. Einzig auf die Frage, wo denn nun der kontaktscheue Ehegatte abgeblieben wäre, antwortete die Gastgeberin abwinkend Im Wald jagen, kommt irgendwann spät wieder heim. So zerrann die Zeit, bei gutem Essen und noch besserer Unterhaltung, wie im Flug. Bald schon begann es zu dämmern und je mehr die Dunkelheit zu nahm um so nervöser wurde die Gastgeberin und versuchte mit unterschwelligen Andeutungen ihre Gäste zum Aufbruch zu bewegen. Dabei richtete sie stets ihre Blicke sorgenvoll Richtung dunkler werdendem Nachthimmel. Minütlich wurde sie nervöser und ihre Aufbruchs Bemühung Versuche intensiver. Bitte, ihr müsst jetzt aber wirklich gehen! Ich muss Morgen früh raus zur Arbeit und brauche meinen Schlaf, sonst pack ich den 10,5 Stunden Tag nicht! Seid so lieb! Wir treffen uns doch in einem Monat wieder. War wirklich ein toller Abend mit euch, aber irgendwann muss er ja auch mal dann enden!, drängelte sie flehentlich, mit vor Anspannung sichtlich verkrampften, Händen. Ach was! Nur noch ein Gläschen! Stell dich doch nicht so an! Wir helfen dir auch gleich mit dem Aufräumen, dann kommst du schon noch rechtzeitig in dein Bett!, konterten die Anderen belustigt und machten keine Anstalten auf zu stehen. Die Neue wurde immer hektischer, sprang auf und fing an die Gläser, Teller und Flaschen vom Tisch zu räumen. Bitte Leute, ihr müsst jetzt gehen! Sofort! mit einer, ihr von niemandem zugtrauten Vehemenz, zerrte sie eine von den anwesenden Damen energisch von ihrem Stuhl u. schob diese, kein Widerstreben mehr akzeptierend, Richtung Trampelpfad. Was soll denn das! Lass das! Bist du verrückt geworden? So was hab ich ja auch noch nie erlebt! Lass mich sofort los! brüskierte sich die Fortgeschobene laut stark u. entwand sich dem Griff der Gastgeberin. Du hast sie ja nicht mehr alle! Bis gerade war´s doch noch so nett! Was soll denn dieses Benehmen? Hast du etwa Angst, dass wir hier bei dir unsere Zelte aufschlagen wollen oder was? Wenn du unbedingt willst, dass wir jetzt gehen, dann gehen wir halt! Aber ob wir, bei so einem Benehmen, noch mal Lust haben wieder zu kommen, steht auf einem ganz anderen Blatt! Darüber reden wir noch mal, wenn du dich wieder beruhigt hast, ja! Kommt Leute, wenn man uns hier nicht mehr haben will, dann wollen wir eben auch nicht mehr! Mit hochgerecktem Kinn drehte sich die Dame Richtung der übrigen Mitglieder, schnappte sich ihr mitgebrachtes Buch und ihre Handtasche, nickte noch einmal hoheitsvoll zu der, ihrer Meinung total übergeschnappten Neuen. und gab mit einer Hand ein aufforderndes Winken von sich. Los Leute!  Auf geht’s!  Die Anwesenden wechselten verwirrte Blicke, erhoben sich aber folgsam von ihren Sitzplätzen und griffen dann ihrerseits nach ihren mitgebrachten Utensilien. So setzten sie sich im Mäuseschritt Richtung des nun stock dunklen Trampelpfades in Bewegung. Sorgsam darauf bedacht über keine all der zahlreichen Wurzeln hier zu stolpern, an die man sich noch vom Hinweg bei bester Tageslichtbeleuchtung, erinnerte. Die Gastgeberin stand alleine auf der mit Kerzenschein beleuchteten Terrasse und schaute noch der Gruppe sorgenvoll hinter her. Da erklang plötzlich, aus den dunklen, undurchschaubaren Tiefen der Sommernacht, das unheimlich Quitschen des sich öffnenden Gartentores, gefolgt von einem seltsamen Sammelsurium an schleifenden und messerscharfen Geräuschen. Und als die ersten schmerzerfüllten Schreie durch die samtweiche Nachtluft zu ihr drangen und das panische Hasten davon hetzender Schritte, seufzte nun die Neue tief auf, verdreht dann kurz ihre Augen gen sterngeschwängertem Schwarz und murmelte: So ein Mist! Jetzt muss ich mir wieder neue Leute suchen! Und ich hab ihnen doch so oft erklärt, dass mein Mann nicht mit anderen Menschen kompatibel ist! Warum will mir das nur nie jemand glauben? Leicht mit dem Kopf schüttelnd, drehte sie sich Richtung Tisch und begann die Spuren des schönen Leseabends zu beseitigen.

 

 

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106.  ©The reading evening

 

They met for their monthly reading evening, five women and two men, all of whom were a bit past middle age. Only her newest member was a good 10 years younger than the average, but had already integrated well into the group in a very short time. The reading evening took place every third Thursday evening of the month and the members met in turn. The new one has been with us for a good 10 months now, but had made it so far. The other members with the excuse that my husband is incompatible with other people! to hold out. Although she always liked to come to the other's reading evenings, she had not yet fulfilled her obligation as a host for the nebulous reason just mentioned. The evenings always ran according to the same pattern. After everyone had come in, the greetings exchanged with mutual hugs and kisses, and all jackets, coats, or seasonal outerwear had been taken off, you sat down in the living room or, if the weather was nice, in the garden with a rich man set table. The hostess was rubbish and served her guests homemade delicacies, along with cheese canapés, various dips and whatever else a gourmet's heart desires. A selection of wine, beer and, of course, non-alcoholic beverages were also served. People feasted with relish and gossiped about this and that and life in general. Once everyone was sufficiently full, the books they had studied in the previous month were taken out and, in turn, they began to read out individual passages from these and to discuss them extensively. Which each time led to interesting and sometimes unusual insights into the reading and its protagonists. In other words, the reading evenings were a delight for all the senses and when we said goodbye, we were already looking forward to the next meeting. Only on the first evening of the new member did the new member read something from the field of horror and psycho, the content of which the other members did not really want to enjoy. Thank goodness the new girl noticed this and at the following meeting refrained from indulging her affinity for this genre in the presence of the others and switched to more conservative reading. And now it was finally time for the new girl to invite her over to her home. Of course you were also a little curious. After all, she had reported that she and her husband lived in a small wooden house in the middle of the forest. Which sounded unusual and a bit exciting, whether your already mentioned incompatible husband! This excuse would really no longer apply, after all, since summer was just around the corner, it would be the time again when you meet in the garden and her husband, accordingly, should he be as shy of contact as she had described him, stay in the house or otherwise occupy himself outside of the house in order to avoid the group. So the new girl had finally agreed to host the next reading evening. So all the members gradually arrived at the new one. Her house actually stood in the middle of the forest between tall spruce and fir trees. A narrow sandy path with a number of potholes led to a wooden fence that surrounded a natural garden with a small, black wooden house in the middle. As a precautionary measure, so that everyone could find their way to her, the new girl had given each member a hand-made drawing, and so everyone managed to find her house without any problems. The new one welcomed all members warmly at the garden gate and led them over a winding path to the terrace surrounded by conifers. A well-laid table with comfortable seating and a festive candle-lit area was waiting on this. Everyone present expressed their admiration as to whether this idyllic spot would be and how nice and quiet it would be here. Well, a bit out of the way, but mine had its peace and quiet and with the car you weren't completely cut off from the rest of the world. And the little house would also be so pretty and completely sufficient for two people. Normally you would have way too much stuff in way too many unnecessary rooms anyway. So everything is much clearer and also, as it is practical, much easier to keep clean. Oh yes, and this forest air, wonderful !! After everyone had expressed their admiration, everyone sat down at the set table and enjoyed homemade meatballs in bread dough with gratinated cheese and a good drop of wine, for all wine lovers among the members. Only when asked where the shy spouse would have gone to, the hostess replied with a wink. Hunting in the forest, comes home late at some point. So the time passed by, with good food and even better entertainment, as if in flight. It soon began to get dark and the more it got dark, the more nervous the hostess became and tried to get her guests to leave with subliminal hints. In doing so, she always looked worriedly in the direction of the darkening night sky. By the minute she became more nervous and her efforts to venture more intense. Please, you really have to go now! I have to get up to work early in the morning and need my sleep, otherwise I won't be able to pack the 10.5 hour day! Be so nice! We'll meet again in a month. It was really a great evening with you, but at some point it has to end then! She urged pleadingly, her hands visibly cramped with tension. What! Just one more glass! Don't be like that! We'll help you clean up right away, then you'll get to bed in time! The others countered, amused, and made no move to get up. The new one became more and more hectic, jumped up and began to clear the glasses, plates and bottles from the table. Please guys, you have to go now! Immediately! With a vehemence that no one could trust her, she dragged one of the women present from her chair and pushed them, no longer accepting any reluctance, towards the beaten path. What's that supposed to do! Leave it! Are you crazy? I've never seen anything like it! Let go of me right now! the pushed away snubbed herself loudly and strongly and escaped the hold of the hostess. You don't have them all anymore! Until now it was so nice! What is this behavior supposed to mean? Are you afraid that we might want to pitch our tents here with you or something? If you really want us to go now, let's go! But whether we feel like coming back with such behavior is a completely different matter! We'll talk about that again when you've calmed down, yes! Come on folks, if they don't want us here anymore, then we don't want us anymore either! With her chin up, the lady turned in the direction of the other members, grabbed the book she had brought and her handbag, nodded once more majestically to the newcomer who was totally crazy in her opinion. and made an inviting wave with one hand. Come on guys! Here we go! Those present exchanged confused looks, but obediently rose from their seats and then in turn reached for the utensils they had brought with them. So they set off with a mouse step towards the now pitch-dark footpath. Carefully careful not to stumble across all of the numerous roots here that were still remembered from the way there in the best daylight lighting. The hostess stood alone on the candlelit terrace and looked worriedly after the group. Suddenly, from the dark, opaque depths of the summer night, there was the eerie squeaking of the opening garden gate, followed by a strange hodgepodge of grinding and razor-sharp noises. And when the first painful screams reached her through the velvety night air and the panicked hurrying away from rushing steps, the new girl sighed deeply, then rolled her eyes briefly to starladen black and mumbled: What a shit! Now I have to look for new people again! And I've told them so often that my husband is incompatible with other people! Why doesn't anyone ever want to believe me? Shaking her head slightly, she turned towards the table and began to remove the traces of the lovely reading evening.