89.  ©Auf dem Weg…

 

Es wurde dunkel, als er sich auf dem Heimweg befand. Steve Peters hatte seinen wöchentlichen Besuch in dem örtlichen Supermarkt absolviert, nur ein kleiner Laden, mit kaum mehr als ein oder zwei Dutzend Besuchern am Tag, wenn überhaupt. Jede Woche besorgte er sich dort sein Bier, ein Sixpack, nicht mehr und nicht weniger, und er ging jedes Mal zu Fuß; eine halbe Meile war ja nun wirklich nicht die Welt, und außerdem tat es seinem Körper womöglich auch ganz gut. Seine Hütte lag abseits des Dorfes. Die Hauptstraße, die ihn dorthin führte, war von mächtigen Eichen flankiert und durch einen Graben vom Fahrradweg getrennt, über den Steve derzeit trappte, ohne zu erwarten, dass sich ein Fahrradfahrer von vorne näherte. Die kreuzten hier nämlich so gut wie nie auf, und deswegen machte es überhaupt nichts, nicht aufmerksam zu sein. Die feinen Nebelschwaden, die über die Straße und den umliegenden Feldern zogen, machten es sowieso noch schwerer, etwas zu erkennen. Das Sixpack hatte er in einem großen Stoffbeutel verstaut. Er schwang ihn munter durch die kühle Abendluft, während die einzigen Laute die des Laubes auf dem Boden und des Windes in der Luft waren. Ansonsten war alles ruhig, und Steve, der ein Alkoholiker war, genoss diese Stille mit samt des Windes und des Laubes. Er hoffte nur, zu Hause anzukommen, bevor es endgültig dunkel wurde. Weil, dann konnte er nichts mehr sehen, und wenn das eintraf, seine Augen waren sowieso schon ziemlich schlecht, dann könnte er theoretisch gleich einen Kopfsprung in den Graben machen. Aber die Strecke schaffst du in ein paar Minuten, sagte er sich. Außerdem musst du ja fast nur geradeaus laufen, also wo liegt das Problem? Es gab keins. Er würde Zuhause ankommen, seinen Mantel über den Ofen hängen, es sich in seinem Sessel gemütlich machen, die Glotze anschmeißen und ein Bier nach dem anderen trinken, bis er in seinem Suff gemütlich eingeschlafen war. Das war ihm schon oft passiert, aber inzwischen gefiel ihm das. Zumindest die erste Hälfte. Im Suff einzuschlafen und am nächsten Morgen mit einem Kater aufzuwachen, das war zu seinem Highlight des Tages geworden. Aber warum dachte er darüber überhaupt wieder nach? Jetzt war er hier, auf dem Fahrradweg neben der Hauptstraße, nüchtern, mit einem Sixpack Bier an seiner Seite, und er fühlte sich großartig. Die Abendluft war mild und angenehm, die flüsternden Laute des Windes und des kriselnden Laubes ebenso, alles schien perfekt zu sein. Steve Peters sah beiläufig über die Schulter, so wie er es immer auf der Hälfte der Strecke tat, um zu sehen, ob ein Auto kam. Ein Auto sah er nicht, aber etwa zweihundert Meter hinter ihm machte er eine Gestalt auf dem Fahrradweg aus, was ihn stutzen ließ. Komisch, war sein erster Gedanke. Die Gestalt schien kom-plett Schwarz zu sein. Steve blieb stehen. Wer konnte das sein? Ein Kerl, komplett eingehüllt in seinen schwarzen Mantel, mit einem schwarzen Schal, einer schwarzen Mütze und einer schwarzen Hose. Gab es hier im Dorf oder in der Gegend rundherum jemanden, der sich so merkwürdig kleidete? Steve wusste es nicht, und im nächsten Moment vermittelte ihm sein von Alkohol zerfressenes Gehirn, dass es ihm auch völlig egal sein konnte. Also ging Steve weiter und dachte nicht weiter an die Gestalt, die sich zweihundert Meter hinter ihm befand. Warum auch? Er hatte schon öfter darüber nachgedacht, mal zum Arzt zu gehen. Er sein richtiges Er, nicht der Alkohol. Er wusste, dass hier etwas nicht mit ihm stimmte, wusste, dass er krank war. Doch nicht nur die Einsicht war schwer, sondern auch die Umstellung. Einerseits war es wirklich verbitternd, deprimierend, ja geradezu bemitleidend, nach Alkohol zu lechzen, andererseits war es aber auch ein gutes Gefühl, Alkohol zu konsumieren, wenn man ihn dann hatte. Der Gedanke an seinen Sessel und seiner Glotze reichte, damit Letzteres wieder die Oberhand in seinem Verstand gewann und seine Sorgen in der Dunkelheit verschwanden. Trotzdem, er drehte sich noch einmal um. Die Gestalt befand sich jetzt etwa einhundert Meter hinter ihm. Erneut blieb Steve Peters stehen und runzelte die Stirn. War der Kerl mit den schwarzen Klamotten etwa gerannt? Wollte dieser Knabe dahinten ihm etwa Angst einjagen? War es wirklich so ein Narr? Oder vielleicht ein Taschendieb? Hatte er es auf seine Brieftasche abgesehen? Oder, schlimm-er noch, auf sein Sixpack? Das war, wie Steve kurzerhand später einsah, natürlich Unfug. Würde dieser Kerl ihm jetzt etwas antun wollen, so würde er ihm doch nicht so offensichtlich über dem Fahrradweg folgen, oder? Doch was war die Alternative? Die logische Erklärung dafür, dass der Kerl sich offenbar innerhalb von fünf Sekunden um ein-hundert Meter fortbewegt hatte? Los, Stevi, streng dein Hirn an! Warum gab er sich eigentlich schon wieder mit diesem Kerl ab? Wahrscheinlich war der Typ nur eine Einbildung, eine Fata Morgana, so wie man sie manchmal in der Wüste bekam, wenn man am Verdursten war. Bei diesem Gedanken wandte er seinen Blick kurz auf den Beutel in seiner rechten Hand und leckte sich die Lippen. Dann sah Steve Peters wieder auf. Die Gestalt war noch näher gekommen. Aber natürlich war sie das. Immerhin stand er hier, und sie bewegte sich. Soweit er damals in der Schule richtig aufgepasst hatte, verringerte sich dadurch der Abstand zwischen zwei Objekten. Simple Physik. Und diese schwarze Gestalt, Pardon, dieser Mensch in schwarzer Kleidung, würde vermutlich einfach an ihm vorbeigehen und ihn wahrscheinlich nicht mal eines Blickes würdigen, wenn er ihn dann eingeholt hatte. Ja, aber dieser Kerl geht verdammt schnell. Vielleicht ist es ja so ein Phänomen, was meinst du, Steve? Du schaust hin, es rührt sich nicht, du schaust weg und wieder hin, und plötzlich ist es näher. Du weißt doch, wie in diesen Horrorfilmen. Ja, das wusste er. In solchen Horrorfilmen war das ein gutes Mittel, um dann übernatürliche Dinge zu zeigen. Plötzlich gefiel Steve der Herbstwind nicht mehr. Plötzlich kam ihm der Wind kälter vor, unbehaglicher, und es fröstelte ihm. Das Laub raschelte nicht mehr so frohlockend wie noch vor zwei Minuten, und der ganze Himmel schien plötzlich von schwarzen Wolken durchzogen zu sein. War es etwas Übernatürliches? Steve wagte es noch einmal, sich um-zudrehen. Es war näher. Viel näher. Aber er konnte nichts Markantes an der Gestalt erkennen; sie war einfach schwarz. Lag das daran, dass es langsam dunkler wurde? An seinen schlechten Augen? Daran, dass es übernatürlich war? Er wandte den Blick ab, schaute noch einmal hin. Ein leichter Schauer überfuhr ihn. Dieses Ding war jetzt wieder näher. Mit jedem Blick, den er darauf warf, kam es näher. Irgendwo in seinem Körper kroch die Angst empor. Scheiße, vielleicht ist es ja. Auf einmal malte sich sein Hirn aus, dass es tatsächlich eine Gestalt aus einem Horrorfilm war. Ein dämonisches, bösartiges Wesen mit verzerrter Fratze, aufgerissenem Kiefer und blutunter-laufenen Augen. Eine Gestalt, deren Anblick Steve Peters an den Schlund des Wahnsinns führen würde, wo alles bar jeder Menschlichkeit war. Eine Windbö heulte durch die Stille. Noch einmal drehte er sich um. Näher… mindestens zehn Meter. Aber jetzt war es fast komplett dunkel, er hatte es nicht geschafft, rechtzeitig Zuhause zu sein, und vielleicht trübten ihn tatsächlich nur seine Sinne. Er würde das Abendprogramm verpassen und nicht mehr pünktlich auf seinem Sessel sitzen können, ging es ihm abwesend durch den Kopf, und das nur, weil er dachte, ein Etwas des Wahnsinns würde ihn verfolgen. Er wollte sich noch einmal umdrehen, ein letztes Mal, doch genau in diesem Moment durchfuhren ihn zwei Geistesblitze. Der eine, der ihm eine weitere Gänsehaut verpasste, war der, dass sich dieses Wesen nun direkt hinter ihm befand. Es würde direkt hinter ihm stehen, ihn anstarren, mit den blutunter-laufenden Augen u. dem wahnsinnigen Grinsen. Es würde ihn packen und schütteln, schütteln, während er beginnen würde zu schreien, in Todesqual, in blanker Panik. Auf der anderen Seite konnte er aber auch recht haben, und es war tatsächlich nur eine Wahnvorstellung. Er hatte seit über fünf Stunden keinen Alkohol mehr getrunken, das könnte Entzugserscheinungen hervorgebracht haben. Was das anbelangte, war er ziemlich objektiv. Was also sollte er tun? Vielleicht stand es längst hinter ihm. Unsinn. Vielleicht würde er gleich einen Schwall heißen Atems in seinem Nacken spüren. Nein! Und dann ein Lachen hören, ein spöttisches, wahnsinniges Lachen, Sei ruhig! Sei still! Und dann würde ihn etwas packen, etwas Kaltes und Tropfendes, Absoluter Schwachsinn! Dann beweis das Gegen-teil, Stevi! Das würde er tun, bei Gott, das würde und das konnte er. Ohne daran zu denken, dass dieses Etwas inzwischen vielleicht wirklich hinter ihm stand, ihn gar umbringen wollte, griff er in den Beutel und riss einer der Bierdosen aus der Sixpack-Verpackung. Den Beutel warf er achtlos zu Boden. Steve schaute für eine Sekunde konzentriert auf die Flasche. dann öffnete er sie u. nahm einen Schluck. Er ignorierte den wohltuenden Geschmack, der ihn nach einer so langen Dürreperiode wie fünf Stunden normaler weise ins Nirwana beförderte, und kon-zentrierte sich. Jetzt hatte er Alkohol intus, jetzt hatte er welchen getrunken, also müsste jegliche Halluzination davon sein. Sich in Luft aufgelöst haben. Es gab nur die eine Möglichkeit, es herauszufinden, schätzte er. Steve Peters drehte sich um. Und der Wind wehte weiter.

 

 

Zurück

zu Geschichten

 

 

https://translate.google.com/English

89.  ©On the way ...

 

It was getting dark when he was on his way home. Steve Peters had made his weekly visit to the local supermarket, just a small shop, with little more than a dozen or two visitors a day, if that. Every week he got his beer there, a six-pack, nothing more, nothing less, and he always walked; half a mile really wasn't the world, and besides, it might have been good for his body. His hut was away from the village. The main road that led him there was flanked by mighty oak trees and separated by a ditch from the cycle path Steve was currently trotting over without expecting a cyclist to approach from the front. They almost never showed up here, so it didn't matter at all not to pay attention. The fine wisps of fog that swept over the road and the surrounding fields made it even more difficult to see anything. He had stowed the six-pack in a large cloth bag. He swung it cheerfully through the cool evening air, while the only sounds were those of the leaves on the ground and the wind in the air. Otherwise everything was calm, and Steve, who was an alcoholic, enjoyed the silence with the wind and the leaves. He just hoped to get home before it got finally dark. Because then he couldn't see anything, and if that happened, his eyes were pretty bad anyway, then theoretically he could dive straight into the ditch. But you can get there in a few minutes, he told himself. Besides, all you have to do is walk straight ahead, so what's the problem? There wasn't any. He would arrive home, hang his coat over the stove, make himself comfortable in his armchair, turn on the telly and drink beer after beer until he was comfortably asleep in his drunkenness. It had happened to him many times before, but he was enjoying it now. At least the first half. Falling asleep drunk and waking up the next morning with a hangover, that had become his highlight of the day. But why was he even thinking about it again? Here he was now, on the bike lane off the main street, sober, with a six-pack of beer by his side, and he felt great. The evening air was mild and pleasant, as were the whispering sounds of the wind and the ailing leaves, everything seemed to be perfect. Steve Peters looked over his shoulder casually, as he always did halfway through the route, to see if a car was coming. He didn't see a car, but about two hundred meters behind him he made out a figure on the bike path, which made him pause. Funny, was his first thought. The figure appeared to be completely black. Steve stopped. Who could that be? A guy, completely wrapped in his black coat, with a black scarf, a black hat and black pants. Was there anyone here in the village or in the surrounding area who dressed in such strange ways? Steve didn't know, and in the next instant his alcohol-riddled brain told him that he couldn't care less. So Steve went on, not thinking about the figure two hundred meters behind him. Why also? He had often thought about going to the doctor. He his real he, not the alcohol. He knew something was wrong with him here, knew he was sick. But not only was the insight difficult, but also the changeover. On the one hand it was really bitter, depressing, even pitiful to thirst for alcohol, on the other hand it was also a good feeling to consume alcohol when you had it. The thought of his chair and his telly was enough for the latter to regain the upper hand in his mind and for his worries to fade into the darkness. Still, he turned around again. The figure was about a hundred yards behind him now. Steve Peters stopped again and frowned. Was the guy in the black clothes running? Was that boy over there trying to scare him? Was it really that fool? Or maybe a pickpocket? Was he after his wallet? Or, worse, his six-pack? As Steve later realized, of course, that was nonsense. If this guy wanted to harm him now, he wouldn't be following him so obviously across the bike path, would he? But what was the alternative? The logical explanation for the guy apparently moving a hundred yards in five seconds? Come on, Stevi, work your brain! Why was he bothering with this guy again? The guy was probably just an imagination, a mirage like the one you sometimes get in the desert when you were dying of thirst. At this thought he turned his gaze briefly to the bag in his right hand and licked his lips. Then Steve Peters looked up again. The figure had come even closer. But of course she was. After all, here he was, and she was moving. As far as he had been paying attention back then in school, this reduced the distance between two objects. Simple physics. And this black figure, sorry, this person in black clothes, would probably just walk past him and probably not even look at him when he caught up with him. Yeah, but this guy is walking really fast. Maybe it's such a phenomenon, what do you think Steve? You look, it doesn't move, you look away and back again, and suddenly it's closer. You know how in those horror films. Yes, he knew that. In such horror films it was a good way to show supernatural things. Suddenly Steve didn't like the autumn wind anymore. Suddenly the wind felt colder, more uncomfortable, and he shivered. The leaves no longer rustled as exultantly as they did two minutes ago, and the whole sky suddenly seemed to be streaked with black clouds. Was it something supernatural? Steve dared to turn around again. It was closer. Much closer. But he couldn't see anything striking in the figure; it was just black. Was that because it was getting darker? His bad eyes? That it was supernatural? He averted his gaze, looked again. A slight shiver ran over him. That thing was closer now. With every look he threw at it, it came closer. Fear crept up somewhere in his body. Shit, maybe it is. Suddenly his brain imagined that it was actually a figure from a horror movie. A demonic, vicious creature with a twisted grimace, open jaw and bloodshot eyes. A figure, the sight of which would lead Steve Peters to the mouth of madness, where everything was devoid of humanity. A gust of wind howled through the silence. He turned around once more. Closer ... at least ten meters. But now it was almost completely dark, he hadn't made it home in time, and maybe only his senses were actually clouding him. He would miss the evening program and no longer be able to sit in his chair on time, it crossed his mind absently, and that only because he thought something insane was haunting him. He wanted to turn around again, one last time, but at that very moment two flashes of inspiration hit him. The one that gave him more goosebumps was that this being was now directly behind him. It would be right behind him, staring at him, with bloodshot eyes and insane grin. It would grab him and shake, shake, while he would begin to scream, in agony, in sheer panic. On the other hand, he could be right, and it was actually just a delusion. He hadn't had alcohol in over five hours, it could have caused withdrawal symptoms. He was pretty objective about that. So what should he do? Maybe it was behind him long ago. Nonsense. Maybe he would feel a rush of hot breath on his neck in a moment. No! And then hear a laugh, a derisive, insane laugh, be quiet! Be quiet! And then something would grab him, something cold and dripping, absolute nonsense! Then prove the opposite, Stevi! He would do that, by God, he would and he could. Without thinking that this something was really behind him by now, even wanted to kill him, he reached into the bag and tore one of the beer cans out of the six-pack packaging. He tossed the bag carelessly on the floor. Steve looked intently at the bottle for a second. then he opened it and took a sip. Ignoring the soothing taste that normally drove him to nirvana after a drought as long as five hours, he concentrated. Now he'd had alcohol, now he'd had some, so any hallucination should be from it. Have vanished into thin air. There was only one way to find out, he guessed. Steve Peters turned around. And the wind kept blowing.