56.  ©Drei kleine Worte

 

Meine Geschichte macht mich nicht sympathisch, nur ehrlich. So mancher Moralapostel wird mit dem Finger auf mich zeigen und mir ein "Schäm dich" ins Gesicht schleudern. Ich müsste lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich nicht eine von denen gewesen war, die mit Steinen geworfen hätte. Und sei es nur aus dem Grund, meine eigenen Gefühle zu verschleiern. Das was ich gespürt habe, ist auf dem ersten Blick sicher oberflächlich. Sina und ich waren Freundinnen seit ich denken kann. Im Kindergarten war sie die mit den niedlichen Kleidern, in der Grund-schule die mit der größeren Schultüte. Ihre Eltern hatten ein schönes Haus mit großem Garten, in dem sie fan-tastische Geburtstage feierte. Sie war natürlich im Juli geboren, ich im Februar. Manchmal glaubte ich, das wäre schon bezeichnend für uns. Sonnenbad trifft Triefnase. Ganz schön banal, nicht wahr? Habe ich auch gedacht. Irgendwann musste ich doch auch aus der Rolle des hässlichen kleinen Entleins heraus. Es wurde schlimmer. Ich beneidete sie um ihre geistreichen Einfälle, um ihre Figur, um ihre Warmherzigkeit. Ich stank förmlich aus jeder Pore nach Neid. Den Geruch nahm nur ich wahr, aber das nur nebenbei. Warum ich mich nicht von ihr getrennt habe? Gute Frage. Ich konnte nicht. Ich war wie ein Schmarotzer, der hoffte etwas von ihrem Glanz würde sich auf mich abfärben. Ich wäre etwas beruhigter gewesen, wenn sie sich mal schäbig benommen hätte oder wenn sie arrogant gewesen wäre. Das ist der einzige Gefallen, den sie mir nie getan hat. Im Gegenteil. Sie war für mich da. Verlässlich, verhätschelnd, vertrauenswürdig. Hat mich getröstet, als ich durch die Abiturprüfung flog, hat sich vergebens bemüht, mich in die Kunst der Mathematik einzuführen, sie hat mir die Hand gehalten, als mein Vater starb. Sie zog bei mir ein als mir das Geld ausging und mir mein Vermieter mir mit Rauswurf drohte. Wir glucken doch sowieso ständig zusammen, begründete sie. Wie konnte ein einzelner Mensch so großartig sein? Ich hasste sie dafür und mich, dass ich so undankbar war. Sicher, kleine Fehler hatte sie. Wie sie schmatzte beim Essen, wie sie stundenlang brauchte, um etwas Passendes zum Anziehen zu finden und wie sie jeden Kellner ins Schwitzen brachte. Eigentlich machte sie das noch anziehender. Und so zog die Missgunst ihre stetig ihre Kreise um mich. Meine Energie verschleuderte ich dafür, dass es keiner merkte. Und Sina war für mich da. Erbärmlich. Und dann kam Mark. Wunderschön und unerreichbar. Sportlich, witzig, geistreich, die Liste könnte sich unendlich lang gestalten. Jedes positive Adjektiv traf auf ihn zu. Ich sah sie beide turteln, lachen und diskutieren. Ich machte ihn manchmal vor Sina schlecht, damit sie nicht merkte, dass ich fast platzte vor Eifersucht. Ich hörte gebannt zu, wie sie ein Zimmer weiter miteinander schliefen. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn er mich lieben würde und nicht sie. Ich überlegte wie sich sein Haar anfühlte und ob er stürmisch oder sanft war. Ich speicherte jeden Blick von ihm ab, vergeudete endlose Stunden sie zu interpretieren. Ich stimmte ihm bei allem zu und freute mich heimlich, wenn er mit Sina Stress hatte. Ich tröstete sie, so wie es sich für eine gute Freundin gehört. Wenn sie sich anschließend dramatisch versöhnten, heulte ich in meine Kissen. Ich bin mir sicher, er hat es gewusst. Was würde ich jetzt dafür geben, genau diese Gefühle zu erleben. Einfach in die Kissen flennen. Denn was mir heute in den Eingeweiden rumort, ist ein Scheiß dagegen. Er liegt neben mir und seine Brust hebt und senkt sich, ganz unbekümmert. Im Schlaf sehen wir alle so unschuldig aus. Mein Herz dagegen hämmert laut und wütend, als wolle es meinem Kopf Verstand eintrichtern. Es gelingt nur bedingt. Ich hatte meine beste Freundin betrogen, mit dem Mann, den sie liebte und den Mann von dem ich glaubte ihn um jeden Preis haben zu wollen. Er hatte sein Laptop bei uns stehen lassen. Ich hatte mich schon gewundert, wollte er doch an seiner Dissertation schreiben. Sina war mit ihrer Grundschulklasse in der Lüneburger Heide u. kam erst in ein paar Tagen zurück. "Wie wäre es mit einem Kaffee?", schlug er vor. Wenn du Zeit hast, gern. Wir redeten über dies und das, hauptsächlich über Sina. Sina, die in immer weiterer Entfernung zu rücken schien. Sina, die hübscher, beliebter u. einen Raum mit ihrer Anwesenheit ein kleines bisschen heller machte. Ich war allein, allein mit ihm. Ich jubelte innerlich. Ich habe mein Laptop absichtlich stehen lassen, bemerkte er und wartete auf meine Reaktion. Ich versuchte zu verstehen. Ich hab dich gern, machte er weiter. Dass, das unglaublich platt war, wollte mein Verstand nicht sehen. Aber du hast doch Sina. Sina, die vom Leben geküsst ist, schrie es in mir. Ich habe dich auch gern, sagte dagegen mein Mund. Er küsste mich und die Küsse haben sich nicht annähernd so angefühlt wie ich gedacht hatte. Mein Kopf arbeitete. Wo war denn seine Motivation? Ich verstand nicht. Sie hatte alles, was er sich wünschen konnte. Ich könnte erzählen, wie wir die Nacht verbracht haben, will ich aber nicht. Nicht weil ich prüde bin, sondern weil es keine Rolle spielt. Ich lausche wieder seinem Atem. Und denke an den Mark, den ich mir erträumt hatte. Sein Mund ist ziemlich schief, seine Hände so klein. Der perfekte Hintern sieht angezogen besser aus. Warum erscheinen einem die Dinge, die wir haben in einem anderen Licht? Seine Augen beginnen unter den Lidern zu zucken. Wacht er auf? Was werde ich empfinden? Was wird er sagen? Wie wird es weitergehen? Das hatte ich mir doch gewünscht. Hier mit ihm in einem Bett. Ich dachte, ich könnte für ihn auf Sina verzichten. Ihr endlich zeigen, dass ich ihr gewachsen bin. Sina, plötzlich sind die Schmetterlinge ausgeflogen. Ich fühle mich nicht als Gewinnerin. Liebst du mich, fragt er und ist sich der Antwort so gewiss. Ob ich ihn liebe? Dann würden mich seine Hände nicht stören. Sein Mundgeruch an diesem Morgen würde mir nichts ausmachen. Ich würde ihn doch küssen wollen. Ich verspüre nicht die geringste Lust dazu. Liebt Sina dich? frage ich zurück. Seine Augen verdunkeln sich. Werden zu engen Schlitzen. Er stöhnt kurz auf. Ob sie mich liebt? Was soll der Mist? Seine Stimme nimmt einen hohen Ton an, so wie ein Mädchen. Er bemerkt es, räuspert sich, um in demselben unsäg-lichen Ton weiterzureden. Ich trete mit dir in Konkurrenz, sie will mit dir Zusammensein. Sie zieht nicht mal in Betracht mit mir zu wohnen. Mich vertröstet sie nur. Kein Tag ohne Bewunderung für deine Gelassenheit wie du den Alltag meisterst. Die Stärke, die du bei dem Tod deines Vaters gezeigt hast. Wie einfühlsam du bist. Manchmal frage ich mich, wozu sie mich eigentlich braucht. Der einzige Mensch ohne den sie nicht sein kann das bist doch du. Und auch wenn er die Frage nicht stellt, so höre ich sie doch: Was ist an dir so besonders? Er hatte es nicht heraus-gefunden. Stumm steht er auf, seine Schultern hängen herunter. Er ist weit entfernt von einem Ritter mit silberner Rüstung. Ich brauche einen Moment um zu begreifen. Und dann explodieren die Gedanken in meinem Kopf. Ich Idiotin. Wie unendlich dämlich. Wir drehen uns im Kreis, alle mitein-ander. In einem schönen Einerlei, wie eine Deppenparade. Keiner ist der Erste, keiner ist der letzte. Das erste Mal, bohrt mir der Neid kein Loch in den Schädel. Wie überaus befreiend. Was zu tun ist, weiß ich. Drei kleine Worte müssen noch gesagt werden, die mir nicht schwer fallen, die mich auf einen neuen Anfang hoffen lassen. Tut mir Leid, flüstere ich ins Telefon und hoffe, sie legt nicht auf.

 

 

 

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56.   ©Three little words

 

My story doesn't make me likeable, just honest. Many a moral apostle will point their finger at me and throw "shame on you" in my face. I would be lying if I didn't say I wasn't one of those who threw stones. If only to cover up my own feelings. What I felt is surely superficial at first glance. Sina and I have been friends for as long as I can remember. In kindergarten she was the one with the cute clothes, in elementary school she was the one with the larger school cone. Her parents had a beautiful house with a large garden where she celebrated fantastic birthdays. She was born in July, of course, and I was born in February. Sometimes I thought that was indicative of us. Sunbathing meets a runny nose. Pretty banal, isn't it? I thought so too. At some point I had to get out of the role of the ugly little duckling. It got worse. I envied her witty ideas, her figure, her warmth. I literally stank of envy from every pore. Only I noticed the smell, but only incidentally. Why didn't I break up with her? Good question. I could not. I was like a parasite who hoped some of their shine would rub off on me. I would have been a little calmer if she'd acted shabbily or if she'd been arrogant. It's the only favor she never did me. On the contrary. She was there for me. Reliable, pampering, trustworthy. Comforted me when I flew through the Abitur exam, tried in vain to introduce me to the art of mathematics, she held my hand when my father died. She moved in with me when I ran out of money and my landlord threatened me with being kicked out. We cluck together all the time anyway, she reasoned. How could a single person be so great? I hated her and myself for being so ungrateful. Sure, she had little flaws. How she smacked her lips while eating, how it took her hours to find something suitable to wear and how she made every waiter sweat. Actually, that made her even more appealing. And so the resentment drew its circles around me. I wasted my energy so that no one noticed. And Sina was there for me. Pathetic. And then came Mark. Beautiful and unreachable. Sporty, funny, witty, the list could be endless. Every positive adjective applied to him. I saw them both turtling, laughing and arguing. I sometimes made him feel bad in front of Sina so that she wouldn't notice that I was almost bursting with jealousy. I listened intently as they slept together in the next room. I imagined what it would be like if he loved me and not her. I wondered how his hair felt and whether it was stormy or gentle. I saved every glance from him, wasted endless hours interpreting them. I agreed with him in everything and was secretly happy when he had stress with Sina. I comforted her the way a good friend should. When they made up dramatically afterwards, I would howl into my pillows. I am sure he knew. What would I give now to experience exactly these feelings. Just sneak into the pillows. Because what rumbles in my bowels today is a shit about it. He lies next to me and his chest rises and falls, completely carefree. We all look so innocent when we sleep. My heart, on the other hand, is pounding loudly and furiously, as if trying to fill my mind with reason. It only works to a limited extent. I cheated on my best friend with the man she loved and the man I thought I wanted at any cost. He had left his laptop with us. I was amazed because he wanted to write his dissertation. Sina was in the Lüneburg Heath with her elementary school class and only came back in a few days. "How about a coffee?" He suggested. If you have time, please. We talked about this and that, mainly about Sina. Sina, who seemed to move further and further away. Sina, who made a room prettier, more popular and a little bit brighter with her presence. I was alone, alone with him. I cheered inside. I left my laptop on purpose, he noted, and waited for my reaction. I tried to understand. I like you, he went on. My mind didn't want to see that that was incredibly flat. But you have Sina. Sina, who has been kissed by life, screamed inside me. I like you too, said my mouth on the other hand. He kissed me and the kisses didn't feel nearly what I thought. My head was working. Where was his motivation? I did not understand. She had everything he could ask for. I could tell how we spent the night, but I don't want to. Not because I'm a prude, but because it doesn't matter. I listen to his breath again. And think of the mark I had dreamed of. His mouth is crooked, his hands so small. The perfect bum looks better dressed up. Why do things that we have appear in a different light? His eyes begin to twitch under his lids. Does he wake up? What will i feel? What will he say How will it go on? I wanted that. Here with him in bed. I thought I could do without Sina for him. Finally show her that I'm up to her. Sina, suddenly the butterflies flew out. I don't feel like a winner. Do you love me? He asks and is so sure of the answer. Do I love him? Then his hands wouldn't bother me. I wouldn't mind his bad breath that morning. I would want to kiss him. I don't feel the slightest desire to do it. Does Sina love you? I ask back. His eyes darken. Become narrow slits. He groans briefly. Does she love me? What's the crap? His voice becomes high-pitched, like a girl. He notices it, clears his throat to continue in the same unspeakable tone. I compete with you, she wants to be with you. She doesn't even consider living with me. She only consoles me. There is no day without admiration for your serenity in how you master everyday life. The strength you showed when your father died. How empathetic you are Sometimes I wonder what she really needs me for. The only person she can't be without, that's you. And even if he doesn't ask the question, I still hear her: What is so special about you? He hadn't found out. He stands up in silence, his shoulders drooping. He is far from a knight in silver armor. I need a moment to understand. And then the thoughts explode in my head. I am an idiot. How stupid. We go around in circles, all with one another. In a beautiful monotony, like an idiot parade. Nobody is the first, nobody is the last. The first time, envy doesn't drill a hole in my skull. How extremely liberating. I know what to do. Three little words still have to be said, which are not difficult for me, which give me hope for a new beginning. I'm sorry, I whisper into the phone, hoping she doesn't hang up.