47.  ©Die Stimme

 

Montagmorgen, wieder einmal der Beginn einer endlos erscheinenden Woche. Das Hämmern in meinem Kopf schleicht sich noch immer leicht durch meine Hirnrinde. Die Aspirin wirken auch nicht mehr so gut wie sie früher gewirkt haben. Irgendwie habe ich wohl am Wochenende wieder einmal zu lange gemacht. Zum Glück kann man da schon sagen, das ich noch eine Stunde mit der Bahn unterwegs bin, so kann ich mich noch ein wenig sammeln bevor die Arbeit beginnt. In der ersten Zeit hat mich diese Stunde morgens hin und abends wieder zurück mächtig gestört. Heute empfinde ich diese Bahnfahrt jedoch erholsam und beruhigend. Besonders nach so einem verkaterten Woch-enende. Nun wurden die Tage auch wieder wärmer und auch von der vorbeirauschenden Umgebung war wie-der mehr zu sehen als verschwommene Silhouetten in der Nacht. Schon waren 4 Monate des neuen Jahres an mir vorbei gezogen und der Mai gab seinem Namen als Wonnemonat alle Ehre. Aus tristem Grau schlugen sich erst zarte grüne Triebe, die sich dem grauen Schleier von Tagen annahmen und ihn vertilgten. Dem Grün folgten bunte Farben der Frühlingsblumen die es einem angenehm machten, die Fahrt am Fenster zu genießen. So saß ich auch an diesem ach so grausamen Montagmorgen in dem Abteil in dem ich jeden Tag der Woche meinem Elend entgegen fuhr. Mein Blick starr und den bunten Punkten auf den Wiesen folgend, kaum die einen im Rausch der Fahrt ver-loren um die nächsten voller Begierde in mich auf zu nehmen. Ist hier noch frei?, fragte hinter mir eine wohlklin-gende Stimme. Wie ein Hallo wach Klingeln löste sich mein Blick vom Wandern über Wiesen, Felder und Blumen und ich schlug heftig mit dem Kopf gegen die Scheibe. Autsch ! Nie wieder werde ich so viel trinken, schwor ich mir wie fast jeden Montag. Ich blickte mich um und sah, dass ich immer noch allein in dem Abteil saß. Super, eingenickt und eine Beule wird das wohl auch geben. Die Stimme verfolgte mich nun den ganzen Weg bis zum Hbf. München und über den ganzen Tag hinweg. Real kam die Stimme mir vor. Vertraut und wie ein Ohrwurm nicht aus dem Kopf zu bekommen. Ein jeder kennt sicher diesen Ärger wenn am Morgen im Bad oder in der Küche im Radio ein Lied läuft und es einen den lieben langen Tag verfolgt. Dudel düdel immer wieder genau dann wenn man es vergessen geglaubt, ist es auf einmal wie von Geisterhand wieder im Kopf. Die Monotonie meiner Arbeit erdrückte mich. Der Datenberge hoch wie die Alpen. Ich hasse Bergsteigen! Papier aus dem ich am liebsten Urlaubsflieger basteln würde. Es stimmt, ich war nicht glücklich in meinem Bürojob. Jeden Tag immer wieder Vorgänge bearbeiten, Datenein-gabe, weiterbearbeiten, ausdrucken, versenden, ablegen und weiter und weiter und, ach haken wir das ab. So war ich wieder einmal heilfroh, den Montag herum gebracht zu haben, und mit der Bahn auf dem Heimweg zu sein. Eine Stunde Ruhe genießen und das vorbei Huschen der Häuser zu beobachten. Eigentlich sollte ich mir bei der Bahn einen Job suchen, denn ich genoss es mit dem Zug zu fahren. Es gab mir ein Gefühl von zu Hause. So rangen meine Gedanken mit mir, ob ich einfach mal Ist hier noch Frei erklang die gleiche Stimme wie bei der Fahrt am frühen Morgen. Gott sei Dank schlug ich mir bei diesen mal nicht meine Stirn an der Scheibe an, denn eine Beule hatte ich schon. Nein, dachte ich bei mir, ignorier es, als im gleichen Moment erneut die Stimme freundlich fragte Entschuldigen Sie, wissen sie, ob hier noch frei ist? Im umdrehen sagte ich aber Nein, setz! Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass ich wohl doch sehr urlaubsreif war, denn ich war alleine im Abteil. Da muss ich wohl diesmal doch einige Gehirnwindungen raus geschossen haben. Mit meinen knapp 34 Jahren werde ich wohl doch zu alt für lange Feiern. Heute Morgen konnte ich es noch auf einen Sekundenschlaf mit dem Deutschen Bahn Hart-scheibenwecker begründen, aber nun. So stand ich auf um nach draußen zu schauen. Wie all so üblich in der Rush Hour oder wie man sonst sagt im Feierabendverkehr, war in den Wagen eine gute Begängnis. Die Gesichter von vielen kannte ich schon vom Wöchentlichen hin und her. Jeder in sich selbst gekehrt, in Gedanken oder in Zeit-schriften versunken. Tag für Tag jeder auf seinem Platz, Tag für Tag, so wie auch ich in meinem kleinen Abteil. Selten kam es vor, dass sich viel im Abteil abspielte, da hier jeder für sich war. Umso mehr beschäftigte mich auch jene zauberhafte Stimme, dich sich in mein Ohr gefressen hatte und mir immer zu flüsterte ist hier noch frei, ist hier noch frei.  Was ist so besonderes daran, ach pfeif doch drauf, dachte ich mir, und verzog mich wieder in mein Abteil, das nach wie vor so schlecht besucht war wie zuvor. An diesem Abend ging ich alles wesentlich ruhiger an. Kein Kneipenbesuch, sondern eher Katerpflege machen. Dies hieß bei mir gemütlich zu Hause mit einem Gläschen Wein und ein paar Appetithappen vor den Fernseher zu verbringen. Die nächsten Tage fing ich nun an, an mir zu zweifeln. Nun, die große Feier war nun schon lange hinter mir und in den letzten Tagen hatte ich doch sehr anstän-dig gelebt. Keine Ausschweifung, die meine Hirnwindungen hätte durcheinander bringen können. Dennoch geschah nun jeden Tag das gleiche. Bei meiner Fahrt zur Arbeit und von der Arbeit wieder zurück, hörte ich immer wieder diese, wie Watte so weiche Stimme. So real, mich jedes Mal wieder hochschrecken lassend. Auch wenn ich mir sagte, nee Freunde heute nicht. Mich angestrengt hinsetzte, mein Blick auf die Tür gebannt, aufpassend ob jemand käme und diesen Satz sagen würde. Nichts! Kaum aber ward ich nur für eine Minute abgelenkt, war sie da Entschuldigung, ist hier noch frei? Mein Blick aber fiel ins Leere. Wie konnte das sein. Ich war nahe dran mich krankschreiben zu lassen. Denn das ging nun schon eine ganze Woche so und ich war froh dass es Wochenende war. Der Samstag morgen fing gemütlich an. Lange schlafen und sich von den Strapazen der Arbeitswoche erholen. Noch halb im Schlaf musste ich mich erst einmal mit kaltem Wasser frisch machen bevor ich meinen Kaffee an der Maschine ansetzte. Kurz geduscht und Zähne geputzt und ab zum Bäcker. Es gehörte einfach dazu, ein Wochenende mit frisch-en Semmeln, einem gemütlichen Frühstück und einer guten Klassischen CD zu beginnen Nachdem ich mir alles hergerichtet hatte und meinen ersten Schluck Kaffee getrunken hatte, warf ich einen Blick in die Tageszeitung. Politische Reformen, Anschläge, na, erst einmal die Werbung. Ich wollte gerade in die neue Media Markt Werbung reinschauen, als mein Blick auf eine Überschrift fiel und mir der Atem stockte. Ein Gefühl wie 10000 Ameisen auf meiner Haut so ging mir dieser Satz durch und durch. Ich ließ die Werbung fallen und fing an zu lesen. Da stand im Zeitungsartikel Entschuldigung ist hier noch frei. Immer mehr Komapatienten, kaum noch ein Bettenplatz frei. Ein besonderer Fall. Frau K. (34) aus Augsburg erlitt vor 1 Jahr einen Unfall auf dem München Hbf. und liegt seit her im Koma. Die Pendlerin rutschte auf einem verschütteten Getränk aus und schlug so heftig mit dem Kopf auf. Die Chancen stehen schlecht, dass sie jemals wieder aus dem Koma erwacht. Es war genau dieser Satz der mich seit 1 Woche nun verfolgte. Tag und Nacht die Stimme in meinem Kopf. Wenn ich den Satz las hörte ich die Stimme in meinen Kopf. Wie in Trance ließ ich mein Frühstück stehen und zog mich an und machte mich auf den Weg in das Krankenhaus. Zu Fuß lag es gerade einmal 10 Minuten von mir zu Hause weg. Mit der Zeitung in der Hand fragte ich mich durch und nach 1 Stunde war ich so weit, das ich vor der Tür stand in der die Frau lag. Zwei weitere Stunden dauerte es, bis ich mich traute das Zimmer zu betreten. Da lag sie. Das kribbeln der Ameisen war wieder da und dazu krabbelten weitere mindestens 20.000 durch meinen Bauch. War das ein Traum? Es kam mir zwar ein bisschen bescheuert vor als ich sagte Entschuldigung, suchen sie einen freien Platz? Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, schlugen die Geräte an. Die Herzfrequenz, die Atmung, die Hirntätigkeiten schossen hoch als hätte man in Kap Canaveral eine Rakete gestartet. Keine 10 Sekunden später schwirrte es von Schwestern in dem Zimmer. Was haben Sie denn gemacht wurde ich gefragt. Ähm tja, das war eine gute Frage. Genau in diesem Augenblick schlug sie die Augen weit auf und schaute mich an und sagte "JA" und lächelte! Nein, eine Stecknadel hätte wohl niemand auf den Boden werfen dürfen. Ja, das Ganze liegt jetzt auf den Tag genau zehn Jahre zurück. Nie wieder hörte ich die Stimme diese Frage aussprechen, denn ich ließ die Frau, die heute aber meine Frau ist, nie wieder alleine. Was genau geschah wissen wir beide nicht. Aber es war vorgesehen, dass wir zusammen gehören. Ohne meine Bahnfahrt, wer weiß ob wir uns je getroffen hätten. Heute nun fahren wir gemeinsam jeden Tag mit der Bahn in unserem Abteil in die Arbeit und es tut gut. 

 

 

 

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47.   ©The voice

 

Monday morning, once again the beginning of a seemingly endless week. The pounding in my head is still easily creeping through my cerebral cortex. The aspirins don't work as well as they used to. Somehow I was doing too long again on the weekend. Fortunately, you can already say that I'll be on the train for another hour, so I can collect myself a little before work begins. In the first time, this hour bothered me a lot in the morning and back again in the evening. Today, however, I find this train journey relaxing and calming. Especially after such a hungover weekend. Now the days were getting warmer again and there was more to be seen of the rushing surroundings than blurry silhouettes in the night. Four months of the New Year had already passed me by and May lived up to its name as a blissful month. From the dreary gray, tender green shoots emerged, which took on the gray veil of days and annihilated it. The green was followed by bright colors of the spring flowers that made it pleasant to enjoy the drive at the window. So I sat on this oh-so-cruel Monday morning in the compartment in which I drove towards my misery every day of the week. My gaze fixed and following the colorful dots on the meadows, hardly lost one in the intoxication of the journey to take in the next full of desire. Is there still free space here? Asked a pleasant voice behind me. Like a hello awake ringing, my gaze broke away from hiking over meadows, fields and flowers and I hit my head violently against the window. Ouch! I will never drink as much again, I vowed to myself like almost every Monday. I looked around and saw that I was still sitting alone in the compartment. Great, dozed off and there will probably be a bump too. The voice followed me all the way to the main station in Munich and throughout the day. The voice seemed real to me. Familiar and like a catchy tune I can't get it out of my head. Everyone knows this annoyance when a song is playing on the radio in the bathroom or in the kitchen in the morning and it follows a long day. Dudel dudel again and again, exactly when you thought it was forgotten, suddenly it's back in your head as if by magic. The monotony of my work overwhelmed me. The data mountains high as the Alps. I hate mountain climbing! Paper that I would like to use to make a vacation flyer. It's true, I wasn't happy in my office job. Process processes every day, data entry, further processing, printing, sending, filing and on and on and, oh, let's tick that off. So once again I was very happy to have brought Monday around and to be on my way home by train. Enjoy an hour of peace and quiet and watch the houses scurry past. Actually, I should look for a job at Deutsche Bahn because I enjoyed taking the train. It made me feel at home. So my thoughts struggled with me, whether I should just be here still free, the same voice rang out as during the journey in the early morning. Thank goodness I didn't hit my forehead on the window these times because I already had a bump. No, I thought to myself, ignore it when, at the same moment, the voice asked again in a friendly manner. Excuse me, do you know whether there is still room here? But when I turned around I said no, sit down! To my astonishment I had to find out that I was very ready for a vacation after all, because I was alone in the compartment. I must have shot out a few turns of the brain this time. At almost 34 years of age, I'm probably getting too old for long celebrations. This morning I was able to base it on a microsleep with the Deutsche Bahn hard disk alarm clock, but now. So I got up to look outside. As is usual in rush hour or as they say in the evening rush hour, the car was a good celebration. I already knew the faces of many from the weekly back and forth. Everyone turned to himself, lost in thoughts or in magazines. Day after day everyone in their place, day after day, just like me in my little compartment. It seldom happened that a lot happened in the compartment, as everyone was here for himself. So I was all the more concerned with that magical voice that had eaten into my ear and kept whispering to me is still free here, is still free here. What is so special about it, oh, don't give a damn, I thought to myself, and moved back to my compartment, which was still as badly attended as before. That evening I approached everything much more calmly. Don't go to the bar, but rather do hangover care. This meant spending the comfort of my home with a glass of wine and a few appetizers in front of the television. For the next few days I began to have doubts about myself. Well, the big party was long behind me and in the last few days I had been living very decently. No debauchery to mess up my mind. Yet the same thing happened every day. On my drive to and from work, I kept hearing this voice that was soft like cotton wool. So real, making me wake up every time. Even if I said to myself, no friends today. I sat down strained, my eyes on the door, watching if someone would come and say this sentence. Nothing! But as soon as I was distracted for just a minute, was she there excuse me, is there still free? But my gaze fell into space. How could that be. I was close to taking sick leave. Because it had been going on for a whole week and I was glad it was the weekend. Saturday morning started comfortably. Sleep long and recover from the stresses and strains of the working week. Half asleep I had to freshen up with cold water before I started my coffee on the machine. Take a quick shower and brush your teeth and off to the bakery. It was just a part of starting a weekend with fresh rolls, a leisurely breakfast and a good classic CD. After I had prepared everything and had my first sip of coffee, I took a look at the daily newspaper. Political reforms, attacks, well, first of all the advertising. I was just about to take a look at the new Media Markt advertisement when my eyes fell on a headline and my breath caught my breath. A feeling like 10,000 ants on my skin, this sentence went through and through. I dropped the commercial and started reading. The newspaper article said sorry is still available here. More and more coma patients, hardly any free beds. A special case. Ms. K. (34) from Augsburg suffered an accident at Munich Central Station 1 year ago and has been in a coma since then. The commuter slipped on a spilled drink and hit her head hard. Chances are, she'll ever wake up from the coma again. It was exactly this sentence that had haunted me for 1 week. The voice in my head day and night. When I read the sentence I heard the voice in my head. As if in a trance, I left my breakfast and got dressed and made my way to the hospital. It was just a 10-minute walk from my home. With the newspaper in hand I asked myself through and after 1 hour I was so far that I was standing in front of the door where the woman was lying. It took two more hours before I dared to enter the room. There she was. The ants tingling was there again and at least 20,000 more crawled through my stomach. Was that a dream? It seemed a bit stupid to me when I said sorry, are you looking for a free seat? No sooner had I uttered this sentence than the devices hit. The heart rate, breathing, brain activity shot up as if a rocket had been launched in Cape Canaveral. Less than 10 seconds later, nurses were buzzing in the room. What did you do, I was asked. Um well, that was a good question. At that very moment she opened her eyes wide and looked at me and said "YES" and smiled! No, nobody should have thrown a pin on the ground. Yes, it was exactly ten years ago to the day. I never heard the voice utter this question again, because I never left the woman, who is now my wife, alone again. Neither of us know what exactly happened. But it was intended that we belong together. Without my train ride, who knows if we would have met. Today we go to work together every day by train in our compartment and it feels good.