43.  ©Kommissar Kröger und der Juwelenraub  v. Manfred Schröder

 

Es war kurz nach zehn am Vormittag. Nur wenige Gäste gab es um diese Zeit im Lokal Zum Haifisch. Henry, der Barkeeper sah zum Ecktisch herüber, wo sich ein Freier anscheinend mit Tanja, der neuen Nutte, nicht über den Preis einigen konnte. Nach kurzer Zeit stand sie auf, warf ihm wohl ein Schimpfwort auf Russisch an den Kopf und kam zum Tresen. Blödes abgewichstes Freier da!, schimpfte sie zu Henry, indem sie auf den Mann am Tisch zeigte. Henry nickte nur und zuckte die Schultern. Was gingen ihn die Streitigkeiten der Nutten mit ihren Freiern an. Sein Kopf schmerzte. Er hatte nur wenige Stunden geschlafen. Eigentlich war er froh, dass es nicht so viel Betrieb gab. Die Baroness am Tresen teckte den kleinen Spiegel, mit dessen Hilfe sie sich die Lippen geschminkt hatte, in ihre Handtasche. Gib mir noch einen Cognac. Und schütte dir auch einen ein. Dann werde ich nach Hause gehen und mich hinlegen. Sie steckte sich eine Zigarette an. Hast du schon die Zeitung gelesen? Er schob ihr das Glas Cognac hin und schüttelte den Kopf. Nein. Warum? Mit einem Zug kippte sie das Getränk hinunter. Gestern vor Geschäftsschluss hat ein Mann den Juwelier in der Hafenstraße überfallen. Muss sich gelohnt haben, wie die Zeitung schreibt. Henry gähnte und blickte nach draußen. Es hatte angefangen zu schneien, obwohl es erst Anfang Dezember war. Er sah, wie Tanja auf der anderen Straßenseite mit einem neuen Freier sprach. Sie schienen sich wohl geeignet zu haben, denn er fasste sie unter dem Arm und sie zogen davon. Henry blickte einen Augenblick nachdenklich die Baroness an. Was ist?, fragte sie. Er fuhr mit seiner Hand über die Augen. Wo warst du gestern so zwischen vier und sieben? Sie machte ein erstauntes Gesicht, weil sie seine Frage nicht verstand. Warum willst du das wissen? Ich war zu Hause. Die Tür öffnete sich und eines der Mädchen kam herein um sich aufzuwärmen. Bring mir einen Cognac. Saukalt draußen. Ich setze mich dort hin. Henry nickte, dann wandte er sich wieder an die Baroness. Ich war den ganzen Nachmittag bis zum Abend bei dir. Wenn es sein musste, begriff sie schnell. Ein Lächeln legte sich um ihren Mund. So, warst du? Henry goss den Cognac ein und brachte ihn zum Tisch des Mädchens. Als er zurückkam, sagte er nur: Ja, ich war bei dir. Kommissar Kröger wird bestimmt wohl heute noch zu mir kommen und nach meinem Alibi fragen. Du weißt doch, dass ich vorbestraft bin wegen Raub. Die Baroness zündete sich eine neue Zigarette an. Dann gieß uns noch mal Cognac ein. Ich kann ihn gebrauchen. Und wie geht's dann weiter? Henry fuhr mit seiner Hand durch sein schütteres Haar. Komm, und vertrete mich einen Augenblick hinterm Tresen und gib mir deine Wohnungsschlüssel. Werde ein paar Fingerabdrücke von mir hinterlassen. Bin gleich wieder zurück. Ist ja nicht weit. Die Baroness kramte in ihrer Handtasche, nahm einen Schlüsselbund heraus und reichte ihn Henry. Ich habe mit wie es dann weiter geht etwas anderes gemeint. Henry lächelte. Klar. Doch mach dir keine Sorgen. Ich weiß, dass nichts umsonst ist. Sie erhob sich und ging hinter den Tresen. Henry nahm seine Jacke und berührte ihre Schulter. Bin gleich wieder zurück. Hauptkommissar Kröger stand am Fenster und blickte auf den tristen Hinterhof, wo mehrere Polizeiautos standen. Der Schnee, der einen frühen Winter versproch-en hatte, war fast dahin. Nur einige weiße Inseln leuchteten schwach im grauen Einerlei. Er seufzte u. setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Vor ihm lagen die Fotos der gestohlenen Schmuckgegenstände aus dem Juwelierraub. Er kannte sie auswendig und hätte sie alle bis ins kleinste Detail beschreiben können. Fast fünf Wochen waren vergangen. Sicher, heiße Spuren gab es, doch keine Beweise, die zu einer Festnahme reichen würden. Henry, sein Hauptverdächtiger hatte, wenn auch kein so hundertprozentiges, doch ausreichendes Alibi. Die Baroness! Er hatte die Stadt verlassen, um sich ein wenig bei seiner Mutter zu erholen, die auf dem Lande eine kleine Pension betrieb. Kröger seufzte. Erholung, ja, die könnte er auch gebrauchen. Und den Kommissar Glück. Einen Augenblick blieb er noch sitzen und betrachtete die Fotos der Schmuckstücke. Tolle Stücke waren darunter. Er dachte an seine Frau, die so was wohl auch gerne tragen würde. Besonders das goldene Herz, eingefasst in Brillanten. Oder die goldenen Uhr, deren Punkte für die Stunden in kleinen Diamanten ausgelegt waren. Er legte die Fotos in die Schublade zurück. Gegen Vier kam sein Assistent Brenner. Mist, fluchte er, meine ganzen Füße sind nass. Sauwetter. Kröger erhob sich. Kannst mich heute Abend Zum Haifisch begleiten. Freiwillig natürlich. Gebe einen aus Brenner schaute er-staunt. So kannte er seinen Chef gar nicht. Ja, warum nicht. Bisschen entspannen. Zumal Gerda mit den Kindern bei ihrer Mutter ist. Kommt erst morgen wieder. Doch warum Zum Haifisch? Kröger fuhr sich mit der Hand durch das müde Gesicht. Weiß auch nicht so recht. Hab nur so ein Gefühl für ... Er stockte, als müsse er überlegen. Ach, einfach nur so. Und ein wenig schauen, was die Jungens und Mädel da so treiben. Treffen uns um Acht vor der Kneipe. Bis später, muss noch zur Gerichtsmedizin. Er zog sich den Mantel über, hob kurz die Hand und verließ den Raum. Die Kneipe war nicht so voll, wie Kröger erwartet hatte. Hinter dem Tresen stand Bully, der Schwarze aus den Staaten, der vor einigen Jahren in der Stadt hängen geblieben war. Kröger hob kurz die Hand. Bring uns zwei Bier. Er zeigte zu einem der leeren Tische. Bully grinste. Er grinste fast immer, als wolle er Reklame für die weißen Zähne machen. Am Tresen saßen einige, wohl Freier, mit dem Mädchen. Sie setzen sich. Brenner schaute Kröger aufmer-ksam an. Chef, Sie haben etwas. Ich kenne Sie zu lange, um mich zu täuschen. Dieser trommelte leise mit seinen Fingern auf die Tischplatte. Stimmt, Brenner. Eigentlich hatte ich gehofft, dass in diesem Moment öffnete sich die Tür und die Baroness trat ein. Sie schien beim Friseur gewesen zu sein. Die Haare, jetzt kurz geschnitten, standen ihr gut. Was haben Sie gehofft?, fragte Brenner. Kröger antwortete nicht. Bully stellte die beiden Biere auf den Tisch. Auf Rechnung des Hauses. Kröger grinste. Du weißt doch, dass dies schon der Versuch einer Beamtenbe-stechung ist. Für die Baroness einen Cognac. Frag sie, ob sie uns Gesellschaft leistet. Bully machte ein gespielt er-stauntes Gesicht. Schau, schau, die Polizei auf Abwegen. Werde es ihr ausrichten. Kröger wandte sich an Brenner. Was ich gehofft habe? Dass die Baroness heute auftaucht. Um ihr einen Cognac zu spendieren?, murmelte jetzt Brenner verblüfft. Kröger sah, wie Bully mit der Baroness redete. Sie tätschelte Bully auf die Wange, stolzierte her-über. Kröger verbeugte sich. Darf ich Ihnen aus dem Mantel helfen, gnädige Frau? Die Baroness nickte spöttisch. Neue Taktik der Polizei? Gerne, Herr Kommissar. Kröger lächelte. Im Ausschnitt der Baroness prangte glänzend und unübersehbar ein goldenes Herz, umrandet mit vielen Diamanten. Ich glaube, Brenner, unser Juwelenfall ist abgeschlossen! Die Baroness erblasste vor Schreck.

 

 

 

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43.  ©Commissioner Kröger and the jewel robbery  v. Manfred Schröder

 

It was just after ten in the morning. There were only a few guests at the Zum Haifisch restaurant at this time. Henry, the bartender, looked over to the corner table, where a suitor apparently couldn't agree on the price with Tanja, the new hooker. After a short time she got up, threw him a swear word in Russian and came to the bar. She scolded Henry, pointing to the man at the table. Henry just nodded and shrugged. What did the hookers' quarrels with their suitors care for him? His head hurt. He had only slept a few hours. He was actually glad that there wasn't so much activity. The baroness at the bar tucked the little mirror she had used to make up her lips in her handbag. Give me another cognac. And pour yourself one too. Then I'll go home and lie down. She lit a cigarette. Have you read the newspaper yet? He pushed the glass of cognac towards her and shook his head. No. Why? With one gulp she downed the drink. Yesterday before closing time, a man attacked the jeweler on Hafenstrasse. Must have been worth it, as the newspaper writes. Henry yawned and looked outside. It had started to snow even though it was only the beginning of December. He saw Tanja talking to a new suitor across the street. They seemed to be well suited, because he took them under the arm and they pulled away. Henry looked thoughtfully at the baroness for a moment. What is it? She asked. He ran his hand over his eyes. Where were you between four and seven yesterday? She looked astonished because she didn't understand his question. Why do you want to know that? I was at home. The door opened and one of the girls came in to warm up. Bring me a cognac. Freezing cold outside. I sit down there. Henry nodded, then turned back to the baroness. I was with you all afternoon until evening. If she had to, she quickly understood. A smile fell around her mouth. So have you been Henry poured the cognac and brought it to the girl's table. When he came back he just said: Yes, I was with you. Inspector Kröger will definitely come to me today and ask about my alibi. You know I have a criminal record for robbery. The baroness lit another cigarette. Then pour us another cognac. I can use it. And what's next? Henry ran his hand through his thinning hair. Come on and stand behind the counter for a moment and give me the keys to your apartment. Will leave some fingerprints of me. I am right back. It's not far. The Baroness rummaged in her purse, took out a bunch of keys, and handed them to Henry. I meant something else by how it goes on. Henry smiled. Clear. But don't worry. I know that nothing is free. She got up and went behind the counter. Henry took his jacket and touched her shoulder. I am right back. Chief Inspector Kröger stood at the window and looked out at the dreary backyard, where several police cars were parked. The snow that had promised early winter was almost gone. Only a few white islands shone faintly in the gray monotony. He sighed and sat back at his desk. In front of him lay the photos of the stolen jewelry items from the jewelry heist. He knew them by heart and could have described them all down to the smallest detail. Almost five weeks had passed. Sure, there were hot leads, but no evidence that would lead to an arrest. Henry, his prime suspect, had, if not a hundred percent, a sufficient alibi. The baroness! He had left town to relax a little with his mother, who ran a small pension in the country. Kroger sighed. Relaxation, yes, he could use that too. And luck to the inspector. He sat there for a moment and looked at the photos of the jewelry. There were great pieces among them. He thought of his wife, who would like to wear something like that too. Especially the golden heart, set in diamonds. Or the gold watch, the points of which were laid out in small diamonds for the hours. He put the photos back in the drawer. His assistant, Brenner, came around four. Shit, he cursed, all of my feet are wet. Bad weather. Kroger got up. Can you come with me to the shark tonight. Voluntarily, of course. Give one out Brenner looked amazed. He didn't even know his boss like that. Yes why not. Relax a little. Especially since Gerda is with her mother with the children. Will not come back until tomorrow. But why to the shark? Kroger ran a hand through his tired face. I don't really know either. Just got a feeling for ... He paused as if to think about it. Oh, just like that. And see a little what the boys and girls are up to. Meet us at eight in front of the pub. See you later, I have to go to forensic medicine. He pulled on his coat, raised his hand briefly and left the room. The bar wasn't as full as Kroger had expected. Behind the counter stood Bully, the black man from the States who got stuck in town a few years ago. Kröger raised his hand briefly. Bring us two beers. He pointed to one of the empty tables. Bell grinned. He almost always grinned as if he wanted to advertise the white teeth. Some, probably suitors, were sitting at the bar with the girl. They sit down. Brenner looked attentively at Kroger. Boss, you have something. I've known you too long to be deceptive. He drummed softly with his fingers on the table top. That's right, Brenner. I had actually hoped that at that moment the door opened and the baroness entered. She seemed to have been to the hairdresser's. Her hair, now cut short, looked good on her. What were you hoping for? Asked Brenner. Kroger did not answer. Bell put the two beers on the table. On account of the house. Kroger grinned. You know that this is already an attempt to bribe an official. A cognac for the baroness. Ask her if she's keeping us company. Bully looked astonished. Look, look, the police are on the wrong track. Will tell her. Kroger turned to Brenner. What i was hoping? That the baroness shows up today. To buy her a cognac? Brenner muttered, startled. Kröger saw Bell talking to the baroness. She patted Bell on the cheek, strutted over. Kroger bowed. May I help you out of your coat, madam? The baroness nodded mockingly. New police tactics? With pleasure, Commissioner. Kroger smiled. A golden heart, rimmed with many diamonds, shone in the baroness's cleavage and could not be overlooked. I believe, Brenner, our jewel case is closed! The baroness turned pale with shock.