19.  ©Die sieben Briefe der Liebe  v. Christian Heynk

 

Brief 1. 

Als ich Sie vor drei Wochen das erste Mal sah, wie Sie mit Ihren beiden Freundinnen in den Lesesaal der Bibliothek kamen, merkte ich, dass meine Augen nicht die einzigen waren, deren Blick dem Ihren zu begegnen suchten. Viele der Männer, die dort an den Tischen über ihrer jeweiligen Fachliteratur brüteten, fühlten Ihre Gegenwart genauso stark wie ich. Das Interessante daran ist, dass Ihre ganze Schönheit nur durch die Augen strahlt. Sicherlich, auch Ihr Gang hat etwas Graziles, etwas Vollkommenes, dem man sich als Europäer nicht entziehen kann. Und natürlich, auch ich muss gestehen, dass Ihr Reiz zu einem großen Teil in dem Unbekannten liegt, das Sie verkörpern. Unter den deutschen Frauen hier, die zuweilen in die Bibliothek kommen, findet sich so sicherlich auch die eine oder andere Augenweide. Aber schon allein die Tatsache, dass diese Frauen aus demselben Kulturkreis kommen wie ich, macht Sie für mich weniger interessant. Sie hingegen verkörpern die exotische Kultur, die uns deutsche Männer davon träumen lässt, aus unseren zumeist festgefahrenen Leben auszubrechen. Ich entschuldige mich zutiefst für diesen unverlangt an Sie adressierten Brief. Darüber hinaus muss ich mich auch für die Tatsache entschuldigen, dass ich mich in meinem Brief nicht zu erkennen gebe. Ich versichere Ihnen, dass dieser Brief keinesfalls die Intention habe, Sie irgendwie einzuschüchtern oder Sie zu etwas zu zwingen, das Sie nicht tun wollen. Ich schreibe diese Briefe an Sie einzig und allein aus dem Grunde, dass ich mich nicht traue, Sie anzusprechen, und dass ich, selbst wenn ich den Mut dazu aufbrächte, keine so schönen Sätze von mir geben könnte, wie es mir in diesem Brief vielleicht gelingen mag. Mich erfüllte das Verlangen, in Ihre Welt zu treten, ein Teil davon zu sein, und so entschied ich mich dazu, Ihnen zu schreiben. Gegen diesen ersten Brief werden Sie sich nur schwerlich wehren können, auch mag Ihre Neugier mir vielleicht dabei helfen, dass Sie diesen ersten Brief ganz zu Ende lesen. Aber schon den zweiten Brief, den ich Ihnen sicherlich schreiben werde, können Sie ungelesen wegwerfen, wenn ihnen danach ist. Ich muss schreiben, weil mir das Gefühl, das ich bei Ihrem Anblick hatte, auf der Seele brennt. Und da Sie dieses Gefühl, wenn auch ungewollt, in mir auslösten, haben Sie auch ein Recht darauf, davon zu erfahren. Als Ihr Blick mich traf, durchfuhr es mich wie einen Blitz. Als Ihr Blick mich nun traf, strömte innerhalb einer Sekunde eine elektrisierende Kraft durch meinen Körper, die ich nicht erklären kann. Dieses Blitzgefühl kenne ich auch von anderen schönen Frauen, aber bei keiner war es so stark wie bei Ihnen, und bei keiner war es so nachhaltig und beständig wie bei Ihnen. Ihr Anblick ist jetzt, in den Tagen meines Studiums, zu einem Lebensinhalt geworden. Wenn ich morgens in den Lesesaal trete, und über den grauen Teppich zu meinem Lieblingstisch am großen Fenster schreite, dann sitze ich dort manchmal für Stunden in freudiger Erwartung. Ich sitze da, und hoffe, dass Sie kommen. Wenn Sie dann kommen, erlebe ich Ihren Gang zum Schreibtisch wie ein Ritual, in dem der untergebene Bauer, der ich bin, die göttliche Herrscherin bewundern darf, wie sie so durch die Menge schreitet. Ich bin, nebenbei bemerkt, ein alter Mann. Ich bin seit über zwanzig Jahren mit meiner Frau verheiratet, glücklich, wie ich zu behaupten wage. In diesen zwanzig Jahren habe ich die vielen Facetten, die der Charakter meiner Frau hat, schätzen und lieben gelernt. Wir haben zwei Kinder, die aber schon aus dem Haus sind. Trotz ihres zunehmenden Alters finde ich meine Frau immer noch attraktiv, denn ich alleine erkenne in ihr die Schönheit, die sie einmal war. Wenn ich sie sehe, dann sehe ich direkt in ihr Herz, und nicht auf die Hülle, die dieses Herz umgibt. Aber, und ich glaube das ist der Grund, warum ich Ihnen schreibe, eine Sache kann mir meine Frau nicht mehr geben. Sie kann mir nicht mehr das Kribbeln geben, das mich aufreibende Fieber, das ich bei unseren ersten Begegnungen verspürte. Dieses anfängliche Gefühl einer beginnenden Liebe habe ich seit langer Zeit nicht mehr verspürt. Bis ich Sie vor drei Wochen das erste Mal sah. Sie sind jung. Die wachen Mandelaugen, die straffen und glatten Lider lassen darauf schließen. Ich denke, dass Sie noch keine zwanzig Jahre alt sind und bin mir recht sicher, dass Sie eine Studentin der GIC, der neu gegründeten German University in Cairo sind. Es ist die einzige ägyptische Universität, mit der wir ein Austauschprogramm haben, da ich an einem der Seminare dieser Universität in leitender Funktion tätig bin, weiß ich auch, dass gerade dreißig Studenten und Studentinnen dieser Universität bei uns zu Gast sind. Ich muss schließen. Versprechen Sie mir, dass Sie auch den zweiten Brief lesen werden. Es bedeutet mir so viel, und ich denke nicht, dass meine Briefe einen großen Schaden anrichten können. Ich bin es, der sich vor Ihnen entblößt. Ich bin es, der Ihre Würde und Größe preist, an die ich glaube.

 

Brief 2. 

Lassen Sie mich zu Beginn eine Geschichte erzählen. Die Geschichte vom griechischen Maler Timanthes. Er hat seinerzeit die Idee gehabt, die Opferung der Iphigenie in einem Werk festzuhalten. Iphigenie, wie sie sicherlich wissen, war die Tochter des Agamemnon, der im Trojanischen Krieg nichtdavor zurückschreckte, seine Tochter für den Krieg zu opfern. Obwohl Agamemnons Opfer den griechischen Streitkräften erlaubte, die Segel zu setzen und nach Troja zu fahren, war Agamemnon tieftraurig über den Tod seiner Tochter. Timanthes, der griechische Maler, erkannte während der Arbeit, dass er die Trauer im Gesicht des Agamemnons nicht überzeugend widerzuspiegeln vermochte. Und so behalf er sich eines Kunstgriffes: Anstatt das trauernde Gesicht Agamemnons zu malen, verhüllte er dessen Gesicht mit einem Schleier. Er hoffte auf einen Betrachter, der das Sichtbare nicht als es selbst, sondern als ein Zeichen aufnehmen, und es nach seiner Façon deuten würde. Ich glaube, und seien Sie mir bitte nicht böse, dass Ihr Schleier genau denselben Zweck erfüllt. Indem die Männer, die immer noch nicht aufgehört haben, Ihren Blick zu suchen, tagtäglich in der Bibliothek auf Ihr Erscheinen warten, versuchen sie Ihren Phantasien neuen Antrieb zu geben. Dennoch prallt ein Großteil der Blicke an Ihrem verhüllten Gesicht ab, und nur in Ihren Augen findet der Blick die Nahrung der Phantasie. Ich denke, dass diese Männer, zu denen auch ich mich zähle, Sie als eine Projektionsfläche verstehen. Indem wir nur über Ihre Augen, Ihre Hände, und vielleicht Ihre Körpergröße definitive Aussagen machen können, ist der Rest des Geschöpfes, das Sie sind, nur zu erahnen. Diese Ahnung ist wie ein großer, leerer Raum, in den wir alle unsere Vorstellungen von perfekter Schönheit stellen können. Mit Ihrem Schleier erlauben Sie jedem Mann in der Bibliothek, in Ihnen seine maßgeschneiderte Vorstellung der idealen Schönheit zu sehen. Mit dem wenigen, was Sie von sich preisgeben, ist der große Rest ein Opfer unserer Phantasie geworden. Meine Phantasie? Nun, ich bin mir sicher, dass die goldbraun schimmernde Haut, die sich um Ihre Augen spannt, sich auch über Ihren ganzen, jungen Körper erstreckt. Ich schließe von den schwarzen Spitzen, die zuweilen unter Ihrem Kopftuch hervorlugen, dass Sie langes, kräftiges, schwarzes Haar haben, welches eng an Ihrer Kopfhaut liegt, und selbst im Mondschein noch auffallend glänzt. Ihr mittelgroßer, fester Jadebusen scheint aus Marmor geformt. Ihre Hüfte und Ihre Beine legen Zeugnis von Ihrer Beweglichkeit ab, die jede orientalische Bauchtänzerin vor Neid erblassen ließe. Ihre nackten Füße sind so geschickt und grazil wie Ihre Hände, die zeitweilig aus der Haut hervorstehenden Äderchen schlängeln sich wie Schlangen um die soliden Knochen Ihrer Extremitäten. Die Fingernägel sind fein geschliffen, Sie laufen nicht allzu spitz zu, und sind immer eingecremt. Das Erotischste an Ihnen aber ist ihr Rücken. Das linke und das rechte Schulterblatt scheinen beinahe in Ihre goldbraune Haut eingeschweißt, denn keine noch so kleine Bewegung Ihrer Rückenmuskulatur bleibt unbeachtet im Innern Ihres Körpers, sondern spiegelt sich in kleinen, wallenden Bewegungen auf der Haut, die sich entlang Ihrer Wirbelsäule erstreckt, wider. Die Feinheit Ihres Rückens findet ihren perfekten Abschluss in einem Nacken, der jeden Vampir vor Verlangen in den Wahnsinn treiben könnte. Kurz gesagt, jede einzelne Faser jeder einzelne Fleck, jede größere Fläche Ihrer Figur fordern zu der freizügigen u. in Ihrer Gegenwart frivolen Verlautbarung folgenden Faktums auf: Sie sind schön. Ach, Sie sind schön. Ihr Schleier ist ebenso eine Metapher für das Geheimnisvolle. Er lässt mich mit dem Gefühl zurück, dass es mit Ihnen eine besondere Bewandtnis hat. In Ihnen sehe ich die Mystik einer Scheherezade oder die Unwirklichkeit einer Salammbô. Ihr verhüllter Körper ist wie der Beginn einer Suche, die am Ende zu der Lösung des Rätsels führt, das alle Männer beschäftigt. Das Rätsel der Frau im Allgemeinen, das Rätsel, das jede schöne Frau umgibt, die die Männer mit einer nachlässigen Handbewegung dazu zwingen kann, sich ihr zu unterwerfen. Die Schönheit, die ich in Ihnen zu erkennen glaube, lässt auch mich ohne jedes Zögern, ohne jeden Zweifel zu der zugleich zärtlich und doch zerstörerischen Zusage verleiten: Befehlen Sie über mich! Ach, ich könnte Ihnen tausendundeinen dieser Briefe schreiben, ohne es jemals müde zu werden. Mich erregt allein der Gedanke, dass Sie meine Briefe vielleicht lesen. Und selbst, wenn ich wüsste, dass Sie meine Briefe nicht lesen, sondern nur voller Verachtung in den Mülleimer schmeißen, so bin ich doch schon alleine deshalb beglückt, weil ich weiß, dass Ihre und meine Hände dasselbe Papier berührt haben. Jeder Kontakt zu Ihnen, und sei er noch so klein und erzwungen, gibt mir die Kraft, den nächsten Tag zu bestehen. Ich bete zu Gott, dass Sie meine Briefe lesen.

 

Brief 3. 

Wir Europäer haben die dumme Angewohnheit, alles was wir nicht kennen, gleich als unser Gegenteil zu definieren. Wir maßen uns an, uns selbst als zivilisiert zu bezeichnen und tun uns im Gegenzug nicht schwer damit, alles uns Unbekannte als unzivilisiert abzutun. Und so ist in der Vorstellung der meisten Europäer der Orient das komplette Gegenteil des Okzidents. Und schon wenn wir sagen, dass dort, im Orient, alles anders sei, meinen wir eigentlich, dass dort alles so ist, wie es hier nicht ist. Wir Europäer müssen noch lernen, dass das Wort anders kein Synonym für gegenteilig ist. Erst dann werden wir aufhören, uns selbst als sauber, und alles andere als schmutzig, uns selbst als kultiviert, und alles andere als unkultiviert, uns selbst als gut, und alles andere als böse zu definieren. Während des Kolonialismus wurde die Welt in zwei Hälften geteilt, eine Dichotomie, die wir heute, selbst im postkolonialen Zeitalter, noch beibehalten. In Wirklichkeit aber besteht diese Welt aus Kulturen mit fließenden Übergängen. Mein Orientbild ist leider rein textuell. Es erschließt sich aus den Romanen von Flaubert, Nerval, T. E Lawrence, Chateubriand und Joseph Conrad. In meinem ganzen Leben habe ich noch keine Reise in den Orient unternommen. Ich spreche kein Arabisch und habe auch keinen Kontakt zu in Deutschland lebenden Orientalen. Sie sehen also, dass die Mystik, die ich in Ihnen zu erkennen glaube, teilweise auch in meiner Unkenntnis begründet liegt. Wenn ich Sie in der Bücherei sehe, dann wirken Sie auf mich so deplatziert. Ich befinde, dass Sie nicht hierher gehören. Und ich stelle mir vor, was Sie dort getan haben, wo Sie herkommen. Ich sehe Sie dann auf einem Kamel durch ein Meer aus Sand reiten, wie Sie die Oase erreichen, und in dem zwischen Maulbeerbäumen, Tamarisken, Akazien u. Zypressen hier gelegenen Teich ein Bad nehmen. Ich sehe Sie jetzt in langen und fließenden Gewändern mit eingewobenen Goldstickereien, und ich sehe, wie Sie, einer Pharaonen gleich, Ihre Verehrer verstoßen. Ich sehe ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, Scheherezade, aber ich sehe dieses Märchen, und halte es für Realität. Ich habe mich mit meiner Frau gestritten. Wieder einmal. Es ist die Unfähigkeit, etwas sachlich diskutieren zu können. Diese Unfähigkeit hat sich in den letzten Jahren in unsere Ehe eingeschlichen. Wir schlafen nur noch selten miteinander, und merken beide an dieser unfreiwilligen Enthaltsamkeit, dass wir älter werden. Dieses Älterwerden macht uns beide unzufrieden, und wenn man nicht zufrieden mit sich selbst ist, kann man nur schwerlich mit den Leuten, die einen umgeben, zufrieden sein. Wenn ich mich nicht leiden kann, dann kann ich auch meine Frau nicht leiden, denn sie ist ja ein Teil des Ichs, das mir so verhasst ist. Und es ist zwar möglich, sich in solchen Situationen einzureden, man habe allen Grund, glücklich und zufrieden zu sein, aber diese Selbstüberredung funktioniert nicht. Nein, wenn man vor sich selbst wegläuft, dann sollte man richtig weglaufen. Denn nur so kann man zu einem neuen Ich finden. Wer weiß, vielleicht sind Sie mein neues Ich. Ich verstehe übrigens nicht ganz, warum Ihre beiden Freundinnen nur ein Kopftuch haben, das die Haare bedeckt, während Sie ein Kopftuch und einen Schleier tragen, der nur Ihre Augen entblößt. Auch kleiden sich Ihre beiden Freundinnen viel westlicher, sie tragen bunte Gewänder, italienische Stiefel oder manchmal sogar amerikanische Jeans. Sie aber sind immer in das gleiche Gewand gehüllt, ein schwarzes Ornat mit einem roten Umhang. Ich deute es so, dass Sie, im Gegensatz zu Ihren Freundinnen, eine wahre Ägypterin sind, die sich von der Klimbim- und Konsumgesellschaft der westlichen Welt unbeeindruckt zeigt. Sie scheinen mehr als Ihre Freundinnen mit ihrem Stammland verwurzelt, Sie scheinen sich Ihrer Tradition viel bewusster zu sein, und ich schließe darauf, dass Sie aus einer stolzen Familie stammen, die sich ihrer langen Geschichte bewusst ist. Ich gehe sogar so weit zu glauben, dass Sie vielleicht ein direkter Nachfahre der Königin Hatschepsut sind. Ich weiß, das ist albern. Jetzt sehe ich Sie schon seit Wochen Tag für Tag, dennoch verblasst mein Interesse an Ihnen nicht. Im Gegenteil, es wird von Tag zu Tag stärker. In meinem Schreibtisch liegen haufenweise flammende Liebesbriefe, die alle die Schönheit unter Ihrem Gewand preisen, beziehungsweise die Schönheit, die ich darunter vermute. Ach, es wäre doch etwas, wenn ich ein einziges Mal den Schleier lüften, Ihre zarte Haut darunter berühren könnte. Es gäbe mir so viel. Es würde wahrscheinlich der Erlösung von allen irdischen Qualen gleich-kommen. Durch diese Berührung von Ihrer Haut würde meine Bewunderung für alles Orientalische einen unglaublichen Schub erfahren, einen Elan, der Berge versetzen kann. Ach, Sie müssen schön sein.

 

Brief 4. 

Entsetzt war ich von der Tatsache, dass Sie heute nicht in der Bibliothek waren. Ihre Abwesenheit erzeugte in mir einen Kreislauf der Schwäche, der sich bis jetzt noch fortsetzt. Nur mit Mühe und Not gelingt es mir, den Füller in die Hand zu nehmen und Ihnen zu schreiben. Abgesehen vom Kreislauf der Schwäche dreht auch ein Kreislauf, oder vielmehr ein Karussell der Fragen lustig seine Runden in meinem Kopf. Ich frage mich, ob Ihre Abwesenheit vielleicht etwas mit meinen Briefen zu tun haben mag. Ich habe die Abschriften meiner drei Briefe wieder und wieder durchgelesen, und ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, dass Sie mich für einen kleinen Psychopathen halten, der Ihnen nachstellt. Ich kann Ihnen jedoch nur noch einmal versichern, dass meine Absichten Ihnen gegenüber von der lautersten und ehrenhaftesten Natur sind. Sie können mir glauben, dass ich, obwohl ich ein Westeuropäer bin, Sie, obwohl Sie aus dem Orient kommen, nicht für minderwertig halten. Ich bin nicht einer dieser Westeuropäer, von denen Sie vielleicht gehört haben, die in Thailand oder sonst wo den dortigen Frauen eine schönes Leben in Germany versprechen. Ich bin keiner dieser Bier bauchigen Maurer, die von ihrem mühsam ersparten Geld in den Orient reisen, und sich dort in einem Katalog eine kleine Orientalin erwerben, deren wunderschöne, zierliche Körper sie dann zur Abreagieren ihres brutalen Geschlechtstriebs missbrauchen. Ich habe im Gegenteil die größte Hochachtung für Sie und Ihre Völker, und wenn ich an die Geschichte des Kolonialismus denke, dann erfüllen mich die Taten meiner Ahnen und Urahnen mit größter Scham. Auch wenn es die Briten waren, die sich im 19. Jahrhundert Ihr Land Untertan machten, so sehe ich mich dennoch als Deutscher in einer Linie mit diesem Feind, den Sie und alle anderen Völker, seien es die Indianer in Amerika oder die Zulu und Xhosa in Südafrika, als den weißen Mann bekämpften. Ich habe überdies die größte Hochachtung für den glorreichen Kämpfer Mohammed Ahmed ibn Saijid Abdi Allah,  der 1885 die Briten bei Khartum vernichtend schlug.  Ich denke,

er hatte jedes Recht, damals die muslimischen Sudanesen aufzufordern, mit ihm in den Befreiungskampf gegen das Joch der kolonialen Herrschaft und Unterdrückung zu ziehen. Sein Jihad, ungleich den heutigen, war ein gerechter und wahrhaft heiliger Krieg. Wenn Sie mich fragen, dann hätte diese gewonnene Schlacht bei Khartum ein erster Schritt der Kolonien, Protektorate, Mandatsgebiete und Dominions sein müssen, um sich auf der ganzen Welt zu vereinen, und um den Briten, den Franzosen, den Spaniern, den Portugiesen und auch den Deutschen und Belgiern dasselbe Joch aufzuzwingen, das sie selber solange ertragen hatten. Ich bin sicher, es wäre eine gerechtere Welt, wenn die orientalische Kultur heute der Welt als Leitkultur dienen würde, und nicht unsere traditionslose und blutige Westkultur. Manchmal denke ich an die Jahrhunderte der Unterdrückung, die der Kolonialismus mit sich gebracht hat, und dann kann ich mich über den Zustand der heutigen Welt nicht mehr wundern. Aber lassen wir das. Sie haben mir heute gefehlt. Immer und immer wieder schwang mein Kopf zu der Glastür, durch die Sie für gewöhnlich in den Lesesaal treten, doch Sie kamen nicht. Und obwohl der Lesesaal wie üblich voller Menschen war, kam er mir leer vor. Denn nur Sie haben die Grazie, die Anmut und die Schönheit, die einen Raum zu füllen vermag. Nur Sie haben die Kraft, meinen sinnlosen Tagen des unermüdlichen Selbststudiums einen Sinn zu geben. Jeden Tag stehe ich auf, in der Hoffnung, Sie zu schauen. Jeden Tag nenne ich nur dann einen Tag, wenn ich Sie sehen kann, wenn ich Ihre Anwesenheit spüren kann. Alle anderen Tage sind nichts weiter als von fahlem Sonnenlicht gegeißelte Nächte. Sie sind meine Sonne. Sie sind die sterngleich strahlende, streuungslose Sonne der Sorglosigkeit, die sanft und schön mit dem Säuseln einer Sirene in den Sedimenten meines kranken und kalten Gehirns niedersinkt, um mit ihrer Kraft ein Segel der Hoffnung zu setzen. Mit einer Serenade der Sonne, oh schönste Serenissima, sorgen Sie für das Verstummen meiner Sonette der Sehnsucht. Da ich nun weiß, wo Sie wohnen, bin ich spät abends noch zu Ihrem Haus gefahren. Ich habe ungefähr eine Stunde lang versucht, Sie in den  erleuchteten Zimmern des dritten Stocks auszumachen, aber ich sah immerzu nur Ihre Silhouette, die schwarz über die Wellen Ihrer Gardinen ritt. Ich weiß nicht einmal, ob es wirklich Ihre Silhouette war, aber der Gedanke, dass Sie es gewesen sein könnten, erregt mich jetzt. Finden Sie nicht auch, dass dies ein ungemein intimer Moment zwischen uns war, wenn Sie es denn wirklich waren? Ich bitte Sie inständig, kommen Sie morgen wieder in die Bibliothek. Es bedeutet mir so viel.

 

Brief 5. 

Mein Herz versank in der tiefsten Finsternis, als ich Sie gestern sah. Für einen langen Moment legte sich die Dunkelheit wie ein Schleier über das sonst so stark pulsierende Organ und brachte es aus seinem Rhythmus. Ich sah Sie und sah Sie doch nicht. Ich sah etwas, von dem ich glaubte, dass ich es nicht sehen solle, und glaubte für kurze Zeit, Sie zu schänden. Ein Impuls gebot mir, auf Sie zu zu rennen und mich schützend über Sie zu werfen. Ich folgte diesem Impuls nur deshalb nicht, weil gleich darauf ein Lähmen einsetzte, das nicht nur meinen Kiefer her-unterklappen, sondern auch meine Glieder erstarren ließ. Die anderen Männer im Lesesaal bemerkten die Ver-änderung an Ihnen ebenso wie ich. Ihre Augen verrieten denselben Verlust von Kontrolle, der auch mich über-mannte. Ein Dutzend ungläubiger Augenpaare schaute ehrfürchtig und entsetzt zu, wie Sie den Gang zu ihrem Tisch abschritten. Verstohlene Blicke von schwachen Männern trafen Ihre Augen, und diesmal nicht nur Ihre Augen. Wir alle sahen zum ersten Mal Ihr Gesicht. Sicherlich wird es bei diesem einen Mal bleiben. Ich kann mir es nur so erklären, dass Sie unachtsam waren. Sind Sie so betroffen von meinen Briefen, dass Sie sich nicht mehr an Ihre Pflicht erinnern? Versetzen meine Briefe Sie in einen derartigen Aufruhr, dass Sie vergessen, Ihr Gesicht zu verhüllen? Beschäme ich Sie auf eine Weise mit meinen Briefen, dass Sie mir diese Scham zeigen wollen? Ich habe Ihr Gesicht gesehen. Obwohl ich es nur für einen Moment sah jener von mir geschätzte, kurze Moment, in dem Sie an mir vorübergingen, ohne mich zu sehen, brannten sich die Einzelheiten dennoch in mein fotographisches Ge-dächtnis ein. Und ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, muss ich doch sagen, dass die Magie ihrer Augen sich in den Weiten Ihres Gesichts verliert. Während Ihr Schleier bisher nur die Betrachtung Ihrer Augen gewährte, und sich deshalb wirklich die Konzentration auf dieses einzelne Sinnesorgan beschränkte, war meinen Augen ja diesmal die Kontemplation Ihres ganzen Gesichtes ja erlaubt. Doch die von mir hier erwartete exponentielle Steigerung des Sehgenusses blieb aus. Ich will keineswegs sagen, dass Ihr Gesicht nicht schön ist. Es ist nur so, dass ich den Schleier, den Sie bisher über Ihrem Gesicht trugen, als ein Zeichen für Ihre göttliche Schönheit sah. Ich glaubte zu wissen, dass Sie deshalb einen Schleier tragen, weil Ihre Schönheit nichts Menschliches mehr hat, und deshalb für das gewöhnliche Menschen Auge zu stark ist. Ich vermutete unter Ihrem Schleier ein Gesicht, dessen Anmut sich meiner Vorstellungskraft entzieht, ein Gesicht, das mit den üblichen sprachlichen Attributen und Parametern nicht zu beschreiben ist. Stattdessen sah ich ein beschreibbares Gesicht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Sie sind sehr schön. Sie haben ein feine, zierliche Nase, rosige Wangen, die sich trotz Ihres goldbraunen Teints zu präsentieren wissen, und einen sinnlichen Mund. Keiner der anwesenden Männer schien von Ihrem Anblick enttäuscht, im Gegenteil, sie freuten sich, Sie einmal unverhüllt schauen zu dürfen. Nur ich hatte, ich gestehe es, mehr erwartet. Ihr Schleier hatte mich zu der Vermutung veranlasst, dass Ihrem Gesicht ein Geheimnis innewohnt, dass Ihr Gesicht ein mythisches Mysterium ist, dessen marmorne Merkmale nur der betrachten darf, der dieser unmöglich minderwertigen Menschheit meilenweit voraus ist. Ich glaubte, dass Sie ein Gesicht haben, das wir schon deshalb nicht sehen dürfen, weil wir sterblich sind. Ich habe mich geirrt. Durch Ihre gestrige Enthüllung haben Sie für mich an Reiz verloren. All die Schönheit, die ich bei meiner Frau vermisse, konnte ich bis gestern in Sie hinein projizieren. All die Schönheit, die in meiner Phantasie ihr Ideal findet, hatte Platz in dem Geheimnis, das Sie um Ihre Erscheinung machten. Sie haben ja durch Ihre freiwillige Enthüllung meiner Phantasie einen wenn nicht tödlichen, so doch erheblichen Schmerz zugefügt. Denn wenn meine Phantasie Ihren Körper bis gestern noch komplett, mit Ausnahme der Augen, natürlich)nach meinen Idealvorstellungen erschaffen konnte, so bleibt ihr nach dem heutigen Tag nur noch der Körper ohne das Gesicht. Sie haben mich durch das Zeigen Ihres Gesichtes einer Phantasie beraubt, in die ich verliebt war. Ich bitte Sie inständig: Wenn Sie morgen in die Bibliothek kommen, dann kommen Sie verhüllt. Noch ist es nicht zu spät. Noch können Sie meine Enttäuschung von gestern schmälern, indem Sie wieder vollständig verhüllt erscheinen. Bewahren Sie Ihre Keuschheit. Merken Sie denn nicht, dass das Zeigen Ihres Gesichtes einer Profanierung gleichkommt? Ist Ihnen nicht bewusst, dass es Ihr Antlitz entweiht? Wenn Sie weiterhin Ihr Gesicht zeigen, stellen Sie sich doch auf eine Stufe mit den europäischen Dirnen, die aufreizend und kokettierend durch die Gegend spazieren. Ihre Verhüllung ist auch ein Schutzmantel, der Sie vor der Gier und Lust der Männer bewahrt. Denken Sie immer daran!

 

Brief 6. 

Nein, Nein, Nein! So geht das nicht. Ich weiß, was Sie vorhaben, aber das können Sie nicht tun. Sie werden mir zuliebe wieder zur Ausgangsposition zurückkehren. Sonst werde ich böse, und glauben Sie mir, ich kann sehr ungemütlich werden, wenn ich böse bin. Sie wissen genau, dass Ihr Auftritt heute in der Bibliothek der reinste Affront war. Sie verraten hier nicht nur mich, Sie verraten auch uns beide, Ihre Religion, Ihre Heimat und Ihre Weiblichkeit. Sie können nicht einfach all das, wofür Ihre Eltern, Großeltern und Ahnen Jahrhunderte lang gekämpft haben, mit einem Streich einfach so aufgeben. Sie können sich nicht einfach Ihrer Geschichte entledigen, indem Sie in einem solchen Aufzug erscheinen. Wenn Sie also so weiter machen, dann werden die Imperialisten gewinnen. Verstehen Sie nicht? Der Westen, Europa, das sind nicht Sie. Sie sind der Orient, Sie sind Ägypten, also verhalten sie sich auch dementsprechend. Wollen Sie, dass die gewinnen? Wollen Sie das? Was ist mit Napoleons Schlacht an den Pyramiden, als er die mamelukischen Truppen vernichtend schlug? Was ist mit 1811, dem Massaker in der Zitadelle von Kairo? Was ist mit dem Verräter an Ihrem Volk, mit Mehmed Ali? Was ist mit dem niedergeworfenen Urabi Aufstand 1880? Was ist denn mit der Erinnerung an die Vergewaltigung Ihres Landes durch die britischen und französischen Imperialisten? Haben Sie das vergessen, oder hat man Ihnen nie davon erzählt? Wenn Sie es nämlich wüssten, dann würden Sie sich nicht so schamlos verhalten, wie Sie es heute in der Bibliothek getan haben. Gut, ich beruhige mich. Sicherlich sind Sie alt genug, um selbst zu entscheiden, was gut für Sie ist und was nicht. Aber glauben Sie nicht auch, dass Ihre Eltern sehr unglücklich wären, wenn sie erführen, wie Europa Sie verändert? Glauben Sie nicht auch, dass Ihre Mutter bitterlich weinen würde, wenn Sie sie in einem solchen Aufzug sähe, und dass Ihr Vater aufhören würde, mit Stolz von seiner Tochter zu sprechen? Bis vor kurzem war Ihre Keuschheit, Ihre

Unberührbarkeit das größte Gut, was Sie besaßen. Die Unnahbarkeit, die der Schleier Ihnen verlieh, machte Sie zu der begehrenswertesten Frau in der Bibliothek. Jeder der anwesenden Männer hatte mehr Respekt vor Ihnen als vor den teilweise aufreizend gekleideten Deutschen, die ihr blondes Haar über die Schulter werfen, mit den Augen klimpern und auf hohen Absätzen über den Teppich staksen. Diese deutschen Frauen tragen ihre Schönheit zur Schau, sie betonen sie und bringen sie mit Schminke zur Geltung. Sie verkünden damit marktschreierisch ihren Verkaufswert, und bieten sich und ihren Körper feil. Auch wenn diese Frauen es sich nicht eingestehen, so trennt sie doch wenig von den Huren, über die sie so gerne abfällig reden. Sie waren von Anfang an anders. Sie verhüllten das, was die deutschen Frauen penetrant sichtbar machen, und Sie zeigten durch diese Verschleierung mehr als die deutschen Frauen durch ihr aufreizendes Gehabe zu verhüllen suchen. Sie zeigten, dass Sie eine untadelige, reine, makellose und pure Frau sind, die sich selbst gehört und niemandem sonst. Um Ihnen die Bedeutung der Jungfräulichkeit einmal näher zu bringen, will ich Ihnen von meiner Frau erzählen, die ich, wie bereits gesagt, immer noch liebe. Doch hat sich diese Liebe vollkommen verändert, nachdem ich das erste Mal mit ihr geschlafen habe. Vor dem ersten Koitus war es eine körperliche und sinnliche Liebe gewesen. Der Anblick ihres Körpers brachte meine Säfte in Wallung, und mit dem Brodeln dieser Säfte ging eine sinnliche Erfahrung einher, die die zähe und zermürbende Alltagswelt in ein goldenes Paradies der Erregung transformierte. Ich sah nicht alles durch die rosarote Brille, wie man sagt, sondern ich sah eine Welt, die durch ihre Existenz eine Aufwertung erfahren hatte. Meine Frau machte durch ihr Dasein aus meiner bis dato für verkommen und armselig gehaltenen Welt, eine Welt die doch göttlichen Charakter hatte. Meine Frau hatte ja die Kraft, der Geschichte der Menschheit eine Daseins-berechtigung zu geben. Mit ihrer ganzen Schönheit erklärte Sie das graues Regenwetter, Sie erklärte Kriege, Hungersnöte, menschliche Verkommenheit, irdische Banalität. Sie wog diese negativen Dinge mit ihrer Schönheit auf. All diese hässlichen Dinge, so glaubte ich, existierten allein aus dem Grund, die Schönheit meiner Frau messbar zu machen. Nur weil es das Hässliche gab, konnte ich auch die Schönheit meiner Frau erkennen. Genauso können wir uns nur dann ein Bild vom Himmel machen, wenn wir hier auch das Bild der Hölle kennen. Yin und Yang, Sie verstehen? Doch nachdem ich das erste Mal mit Ihr geschlafen hatte, war der Glanz ab. Und je mehr ich darüber nachdenke, ja, desto stärker gelange ich zu der Überzeugung, dass ich mit meinem irdischen Trieben diese Frau beschmutzt habe. Und wenn Sie sich jetzt nun in Ihrer westlichen, wenig verhüllende Kleidung den Männern der Bibliothek zeigen, dann erlauben Sie Ihnen das Schwelgen in schmutzigen Phantasien. Und der Schmutz dieser Phantasien, das müssen Sie doch verstehen, wird schließlich auch auf Sie abfärben. Deswegen müssen Sie sich bedecken. Sie dürfen sich nicht entblößen.

 

Brief 7. 

Sie haben gewonnen. Ich gebe auf. Wenn es Ihr Ziel war, mich durch Ihre Europäisierung von meiner Obsession abzubringen, dann ist Ihnen das gelungen. Sie haben so ziemlich alles von sich gezeigt, und mich meiner Phantasie beraubt. Jetzt muss und darf ich mir nicht mehr vorstellen, wie Sie wohl ohne den Schleier aussehen, jetzt weiß ich es. Jetzt mache ich mir keine Illusionen mehr über die Form Ihrer Brüste, die Farbe Ihrer Haut, die Muskulatur Ihrer Beine, denn jetzt habe ich mehr als nur eine Ahnung von der Beschaffenheit dieser Körperteile. Im Grunde muss ich mir selber Vorwürfe machen, denn Sie waren von meiner Obsession peinlich berührt, und sahen keinen anderen Ausweg als die Entblößung. Sie haben den Preis bezahlt, und Sie haben Ihr Ziel erreicht. Ich finde Sie nicht mehr göttlich. Sie sind schön, ja, aber auf eine profane Weise. Sie unterscheiden sich nun nicht mehr von den deutschen Ägypterinnen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Von der Exotik Ihrer Person ist nichts mehr übrig geblieben, Sie haben nichts mehr gemein mit dieser Frau, die ich vor über zwei Monaten zum ersten Mal durch die Tür des Lesesaals schreiten sah. Sind keine Scheherezade, keine Salammbô, nein, bin nur eine Austausch Studen-tin ägyptischer Nationalität mit dem hier zeitlich begrenzten Visum, einer Sozialversicherungsnummer und einem Auslandskrankenschein. Obwohl ich von Anfang an wusste, dass Sie nur eine meiner Phantasien sind, war ich doch in diese Phantasie verliebt. Wenn man das Leben auf dieser Seite der Erde so in und auswendig kennt wie ich, dann bleibt nur noch die wenn auch imaginäre)Flucht auf die andere Seite. Das Leben in Ägypten, die Menschen dort waren von meinem Leben so weit entfernt wie der Mond. Ich konnte alles in diesem Land sehen: Meine Heilung, mein neues Leben, meine Abenteuerlust, meinen Willen zur Flucht vor mir selbst. Was bleibt? Was bleibt mir jetzt, nach der Flucht, die Sie sein sollten. Nun, mir bleibt meine deutsche Frau, mir bleiben meine deutschen Kinder. Mir bleiben die verregneten Tage im Herbst, das Bier in der Stammkneipe, meine Arbeit im heruntergekommenen Institut. Mir bleibt das Leben, welches ich so genau kenne, dass ich aufgehört habe, es zu betrachten. Ich sehe die Welt, in der ich lebe, nicht mehr wirklich! Ich sehe nur noch Zeichen, die mich zu denselben Automatismen verleit- en, denen ich mich jetzt schon über fünfzig Jahre ausgesetzt sehe. Ich spüre nur noch Impulse u, Reflexe, die mich zu Taten veranlassen, die ich so oder ähnlich schon einmal getan habe. In der Festgefahrenheit meiner Existenz ist jedes Ausweichen auf andere Pfade schon im Vornherein zum Scheitern verurteilt, da ich auf keiner anderen als meiner eigenen Straß fahren kann. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Dieses war mein letzter Brief. Ich glaube, es ist an der Zeit, mich zu entschuldigen. Ich hatte keineswegs die Absicht, Sie zu belästigen. Ich war vielmehr von dem Willen beseelt, etwas Neuartiges erleben zu wollen. Und ich muss Ihnen, trotz des für mich unglücklichen Ausgangs, danken. Denn für die letzten zwei Monate war mein Leben aufregender als sonst, und diese Aufregung verdanke ich Ihnen. Sie haben mein Gefühlsleben ein wenig durcheinander gebracht, und mich für eine Weile die alltäg-lichen Probleme vergessen lassen. Für eine kurze Zeit konnte ich in Gedanken ein anderes Leben führen, und diese Andersartigkeit macht mir die Realität nun um einiges erträglicher. Ich werde in Gedanken immer auf unsere Affäre zurückblicken, und das wird mich glauben lassen, dass ich etwas Besonderes erlebt habe. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise das Austauschprogrammendet ja, wenn ich mich nicht irre, in zwei Wochen und hoffe, dass Sie Deutschland auch ein wenig kennen gelernt haben. Wer weiß, vielleicht kommen Sie einmal wieder, und vielleicht werden Sie dann an diesen alten Sack denken, der Ihnen bei Ihrem ersten Deutschland Aufenthalt nun diese bizarren Briefe geschrieben hat. Vielleicht werden Sie diese Episode Ihres Lebens dann mit einem Lächeln quittieren und mir verzeihen können. Es war keineswegs meine Absicht, Sie zu irgend-welchen Dingen zu zwingen, die Sie nicht wollten. Ich war vielmehr ein Egoist, der sich einer exotischen Frau, die er nicht kannte, aufgedrängt hat, um eine Intimität zu schaffen, die nur einseitig motiviert war. Auch wenn ich gerne wüsste, wie Sie über diese ganze Sache denken, ziehe ich es dennoch vor, wieder in die Anonymität  zurückzukehren, aus der ich so plötzlich aufgetaucht bin. Ein letztes Adieu, und machen Sie es gut. Doch es gab weder gestern, noch gibt es heute so einen Orient, es wird ihn auch morgen nicht geben!

 

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19.  ©The seven letters of love v. Christian Heynk

 

Letter 1.

When I saw you for the first time three weeks ago, walking into the reading room of the library with your two friends, I noticed that my eyes weren't the only ones whose gaze tried to meet yours. Many of the men who pored over their respective specialist literature at the tables felt your presence as strongly as I did. The interesting thing is that all your beauty shines through your eyes only. Certainly, there is something graceful about your walk, something perfect that Europeans cannot avoid. And of course, I too have to admit that your charm lies in large part in the unknown that you embody. Among the German women here, who occasionally come to the library, you will certainly find one or the other eye candy. But the very fact that these women come from the same culture as me makes them less interesting to me. They, on the other hand, embody the exotic culture that makes us German men dream of breaking out of our mostly deadlocked lives. I apologize deeply for this unsolicited letter addressed to you. I also apologize for the fact that I do not identify myself in my letter. I assure you that this letter is in no way intended to intimidate you in any way or to force you to do something you do not want to do. The only reason I am writing these letters to you is that I do not dare to speak to you and that, even if I had the courage to do so, I would not be able to express myself as beautifully as I might in this letter may succeed. I felt the need to step into your world, to be a part of it, and so I decided to write to you. You will find it difficult to defend yourself against this first letter, and your curiosity may also help me to read this first letter to the end. But you can throw away the second letter, which I am sure to write to you, unread if you feel like it. I have to write because the feeling I had when I saw you burns on my soul. And since you triggered this feeling in me, even if unintentionally, you also have a right to know about it. When your gaze met me, it flashed through me. When your gaze met me, an electrifying force streamed through my body within a second that I cannot explain. I know this feeling of lightning from other beautiful women, but none of them was as strong as yours, and none of them was as lasting and constant as yours. The sight of it has now, in the days of my studies, become part of my life. When I step into the reading room in the morning and step over the gray carpet to my favorite table by the large window, I sometimes sit there for hours in joyful anticipation. I am sitting there and I hope that you will come. When you come, I experience your walk to the desk like a ritual in which the subordinate Farmer, who I am, can admire the divine ruler as she strides through the crowd. I am an old man, by the way. I have been married to my wife for over twenty years, happy as I dare to say. In these twenty years I have come to appreciate and love the many facets that my wife's character has. We have two children, but they are already out of the house. Despite her increasing age, I still find my wife attractive because I alone recognize in her the beauty she once was. When I see her, I am looking directly into her heart, not the shell that surrounds that heart. But, and I think that is why I am writing to you, there is one thing my wife can no longer give me. She can no longer give me the tingling sensation, the exhausting fever that I felt when we first met. I haven't felt this initial feeling of beginning love for a long time. Until I saw you for the first time three weeks ago. You are young. The alert almond eyes, the tight and smooth eyelids suggest it. I think that you are not yet twenty years old and I am quite sure that you are a student at GIC, the newly founded German University in Cairo. It is the only Egyptian university with which we have an exchange program, since I am a manager at one of the seminars at this university, I also know that we are currently visiting thirty students from this university. I have to close. Promise me that you will read the second letter too. It means so much to me, and I don't think my letters can do much harm. It is I who bare myself before you. It is I who extol your dignity and greatness that I believe in.

 

Letter 2.

Let me start with a story. The story of the Greek painter Timanthes. At the time he had the idea of recording the sacrifice of Iphigenia in a work. Iphigenia, as you surely know, was the daughter of Agamemnon, who in the Trojan War did not shrink from sacrificing his daughter for the war. Although Agamemnon's sacrifice allowed the Greek forces to set sail and head to Troy, Agamemnon was deeply saddened by his daughter's death. Timanthes, the Greek painter, realized while he was working that he was unable to convincingly reflect the grief on Agamemnon's face. And so he made use of a trick: instead of painting the grieving face of Agamemnon, he covered his face with a veil. He was hoping for a viewer who would perceive the visible not as itself but as a sign and interpret it according to his own style. I believe, and please don't be angry with me, that your veil serves exactly the same purpose. While the men who have still not stopped looking for your gaze wait every day in the library for you to appear, they try to give your fantasies new impetus. Nevertheless, a large part of the gaze bounces off your veiled face, and only in your eyes does the gaze find the nourishment of the imagination. I think that these men, including myself, see you as a projection screen. By only being able to make definitive statements about your eyes, your hands, and perhaps your height, the rest of the creature you are can only be guessed at. This premonition is like a large, empty space in which we can all put our ideas of perfect beauty. With your veil, you allow every man in the library to see in you his bespoke idea of ideal beauty. With what little you reveal about yourself, most of the rest has become a victim of our imagination. My imagination? Well, I am sure that the golden-brown shimmering skin that stretches around your eyes also extends over your whole, young body. I conclude from the black tips that sometimes peek out from under your headscarf that you have long, strong, black hair that lies close to your scalp and that still shines noticeably even in the moonlight. Its mediumsized, solid jade bosom appears to be made of marble. Your hips and legs testify to your flexibility, which would make any oriental belly dancer green with envy. Your bare feet are as dexterous and graceful as your hands, the veins that protrude from the skin snake like snakes around the solid bones of your extremities. The fingernails are finely sanded, they are not too pointed, and are always creamed. But the most erotic thing about you is your back. The left and right shoulder blades almost seem to be welded into your golden brown skin, because no movement in your back muscles, no matter how small, remains unnoticed inside your body, but is reflected in small, flowing movements on the skin that extends along your spine. The delicacy of your back finds its perfect conclusion in a neck that could drive any vampire insane with desire. In short, every single fiber, every single spot, every larger area of your figure calls for the revealing and frivolous statement of the following fact in your presence: You are beautiful. Oh, you are beautiful. Her veil is also a metaphor for the mysterious. It leaves me feeling that you have something special to do with. In you I see the mystique of a Scheherezade or the unreality of a Salammbô. Her veiled body is like the beginning of a quest that will ultimately lead to the solution of the mystery that preoccupies all men. The riddle of women in general, the riddle that surrounds every beautiful woman who can force men to submit to her with a careless wave of the hand. The beauty that I think I recognize in you allows me, too, without hesitation, without any doubt, to make the tender, yet destructive promise: Command me! Oh, I could write you a thousand and one of these letters without ever getting tired. The only thing that excites me is the thought that you might read my letters. And even if I knew that you don't read my letters, but just throw them in the trash with contempt, I am happy just because I know that your and my hands have touched the same paper. Every contact with you, no matter how small and forced, gives me the strength to survive the next day. I pray to God that you will read my letters.

 

Letter 3.

We Europeans have the stupid habit of defining everything we do not know as our opposite. We presume to call ourselves civilized and in return we do not find it difficult to dismiss everything we do not know as uncivilized. And so, in the mind of most Europeans, the Orient is the complete opposite of the Occident. And when we say that everything is different there, in the Orient, we actually mean that everything is the way it is here. We Europeans have yet to learn that the word different is not a synonym for the opposite. Only then will we cease to define ourselves as clean and anything but dirty, ourselves as cultivated and anything but uncultivated, ourselves as good and anything but bad. During colonialism, the world was divided in half, a dichotomy that we still maintain today, even in the post-colonial era. In reality, however, this world consists of cultures with flowing transitions. Unfortunately, my image of the Orient is purely textual. It emerges from the novels by Flaubert, Nerval, T. E Lawrence, Chateubriand and Joseph Conrad. In my entire life I have never made a trip to the Orient. I don't speak Arabic and I have no contact with Orientals living in Germany. So you can see that the mysticism that I think I recognize in you is partly due to my ignorance. When I see you in the library, you look so out of place to me. I find you don't belong here. And I imagine what you did where you come from. I then see you riding a camel through a sea of sand as you reach the oasis and take a bath in the pond between mulberry trees, tamarisks, acacias and cypresses. I see you now in long, flowing robes with woven gold embroidery, and I see you, like a pharaoh, cast your admirers away. I see a fairy tale from the Arabian Nights, Scheherezade, but I see this fairy tale and I believe it is reality. I quarreled with my wife. Once again. It is the inability to be able to discuss something objectively. This inability has crept into our marriage in recent years. We rarely sleep together, and both of us notice from this involuntary abstinence that we are getting older. This aging makes us both dissatisfied, and if you are not satisfied with yourself it is difficult to be satisfied with the people around you. If I don't like myself, then I don't like my wife either, because she is a part of myself that I hate so much. And while it is possible in such situations to convince yourself that you have every reason to be happy and satisfied, this self-persuasion does not work. No, if you are running away from yourself, then you should really run away. Because this is the only way to find a new self. Who knows, maybe you are the new me. Incidentally, I don't quite understand why your two friends only have a headscarf that covers their hair while you wear a headscarf and a veil that only bares your eyes. Your two friends also dress much more Western, they wear colorful robes, Italian boots or sometimes even American jeans. But they are always wrapped in the same robe, a black regalia with a red cloak. I interpret it to mean that, unlike your friends, you are a true Egyptian who is unimpressed by the clumsy and consumer society of the western world. You seem more rooted in your homeland than your friends, you seem to be much more aware of your tradition, and I conclude that you come from a proud family who are aware of their long history. In fact, I go so far as to believe that you may be a direct descendant of Queen Hatshepsut. I know this is silly. I have been seeing you day after day for weeks now, but my interest in you has not faded. On the contrary, it gets stronger every day. There are heaps of flaming love letters in my desk, all of which extol the beauty beneath your robe, or the beauty I suspect underneath. Oh, it would be something if I could lift the veil just once and touch your delicate skin underneath. It would give me so much. It would probably be the equivalent of deliverance from all earthly torments. This touch of your skin would give my admiration for everything oriental an incredible boost, a verve that can move mountains. Oh, you must be beautiful.

 

Letter 4.

I was horrified by the fact that you weren't in the library today. Their absence created a cycle of weakness in me that has continued until now. It is only with great difficulty that I manage to pick up the pen and write to you. Aside from the cycle of weakness, a cycle, or rather a merry-go-round of questions, does its rounds in my head. I wonder if your absence might have something to do with my letters. I've reread the transcripts of my three letters over and over and I'm not sure, but I suspect you think I'm a little psychopath chasing you. I can only reassure you, however, that my intentions towards you are of the purest and most honorable nature. Believe me, although I am a Western European, even though you are from the Orient, I do not consider you to be inferior. I am not one of those Western Europeans you may have heard of who promise the women there a good life in Germany in Thailand or anywhere else. I am not one of those beerbellied bricklayers who travel to the Orient from the money they have saved so hard and buy a little oriental girl there in a catalog, whose beautiful, petite body they then abuse to vent their brutal sex drive. On the contrary, I have the greatest respect for you and your peoples, and when I think of the history of colonialism, the deeds of my ancestors and ancestors fill me with the greatest shame. Even if it was the British who made their country subject to themselves in the 19th century, as a German I still see myself in line with this enemy, which you and all other peoples, be it the Indians in America or the Zulu and Xhosa in South Africa when fighting the white man. I also have the greatest respect for the glorious fighter Mohammed Ahmed ibn Saijid Abdi Allah, who defeated the British in 1885 near Khartoum. I think,he had every right to call on the Muslim Sudanese at the time to join him in the struggle for freedom against the yoke of colonial rule and oppression. His jihad, unlike today, was a just and truly holy war. If you ask me, this won battle of Khartoum should have been a first step by the colonies, protectorates, mandated areas and dominions to unite around the world, and to the British, French, Spanish, Portuguese and also to force the same yoke on the Germans and Belgians that they themselves had endured for so long. I am sure that it would be a fairer world if the oriental culture served the world as the leading culture today, and not our traditional and bloody western culture. Sometimes I think of the centuries of oppression that colonialism brought with it, and then I can no longer wonder about the state of the world today. But let's leave that. I missed you today. Over and over again my head swung to the glass door through which you usually step into the reading room, but you did not come. And although the reading room was full of people as usual, it seemed empty to me. Because only you have the grace, grace and beauty that can fill a room. Only you have the strength to give meaning to my pointless days of tireless selfstudy. Every day I get up hoping to see you. Every day I only call a day when I can see you, when I can feel your presence. All other days are nothing more than nights scourged by pale sunlight. You are my sun. They are the starlike shining, scatterless sun of carefree, which sinks gently and beautifully with the whisper of a siren in the sediments of my sick and cold brain, in order to set a sail of hope with its strength. With a serenade of the sun, oh most beautiful serenissima, you will silence my sonnets of longing. Now that I know where you live, I drove to your house late at night. I tried to make you out in the lighted rooms on the third floor for about an hour, but all I saw was your silhouette riding black over the waves of your curtains. I don't even know if it was really your silhouette, but the thought that it might have been you now excites me. Don't you agree that this was an extremely intimate moment between us, if it really was you? I beg you to come back to the library tomorrow. It means so much to me.

 

Letter 5.

My heart sank in the deepest darkness when I saw you yesterday. For a long moment the darkness fell like a veil over the otherwise strongly pulsating organ and brought it out of its rhythm. I saw you and yet I didn't see you. I saw something I thought I shouldn't see and for a short time thought I was violating you. An impulse told me to run towards you and throw myself protectively over you. The only reason I did not follow this impulse was because immediately afterwards a paralysis set in, which not only dropped my jaw, but also froze my limbs. The other men in the reading room noticed the change in you as well as I did. Her eyes betrayed the same loss of control that overwhelmed me. A dozen pairs of incredulous eyes watched in awe and horror as you walked down the corridor to their table. Furtive glances from weak men met your eyes, and not just your eyes this time. We all saw your face for the first time. It will certainly stay that one time. I can only explain it to myself that you were careless. Are you so affected by my letters that you no longer remember your duty? Are you so upset by my letters that you forget to cover your face? Am I shaming you with my letters in a way that you want to show me this shame? I saw your face. Although I only saw it for a moment, that brief moment I cherished, in which you passed me by without seeing me, the details were nevertheless burned into my photographic memory. And without wanting to offend you, I have to say that the magic of your eyes is lost in the expanse of your face. While your veil has so far only allowed the observation of your eyes, and therefore really limited the concentration to this individual sense organ, this time my eyes were allowed to contemplate your entire face. But the exponential increase in viewing pleasure that I expected here did not materialize. In no way do I mean to say that your face is not beautiful. It's just that I saw the veil that you previously wore over your face as a sign of your divine beauty. I thought I knew that the reason why you are wearing a veil is because your beauty is no longer human, and therefore is too strong for the ordinary human eye. Under your veil I suspected a face whose grace eludes my imagination, a face that cannot be described with the usual linguistic attributes and parameters. Instead, I saw a writable face. Don't get me wrong: you are very beautiful. You have a fine, petite nose, rosy cheeks that know how to present themselves despite your golden-brown complexion, and a sensual mouth. None of the men present seemed disappointed by the sight of you; on the contrary, they were pleased to be able to look at you uncovered. Only I had, I admit, expected more. Your veil had led me to suspect that there was a mystery in your face, that your face was a mythical mystery, the marble features of which only those who are miles ahead of this impossibly inferior human race can contemplate. I believed that you had a face that we should not see because we are mortal. I was wrong. You lost some of your charm for me because of your revelation yesterday. All the beauty that I miss in my wife, I was able to project into you until yesterday. All the beauty that finds its ideal in my imagination had a place in the secret that you made about your appearance. By voluntarily revealing my imagination, you inflicted, if not fatal, considerable pain. Because if my imagination was able to completely create your body until yesterday, with the exception of the eyes, of course) according to my ideal ideas, after today you will only have the body without the face. By showing your face you robbed me of a fantasy I was in love with. I plead with you: when you come to the library tomorrow, come veiled. It's not too late yet. You can still diminish my disappointment from yesterday by appearing completely veiled again. Keep your chastity. Don't you notice that showing your face is tantamount to profaning? Do you not realize that it profaned your face? If you keep showing your face, put yourself on the same level as the European prostitutes who stroll provocatively and flirtatiously through the area. Your covering is also a protective cloak that protects you from the greed and lust of men. Always remember!

 

Letter 6.

No no no! That will not do. I know what you're up to, but you can't do that. For my sake you will return to the starting position. Otherwise I'll get angry, and believe me, I can get very uncomfortable when I'm angry. You know very well that your appearance in the library today was the most pure affront. You are not only betraying me, you are also betraying both of us, your religion, your homeland and your femininity. You can't just give up everything your parents, grandparents and ancestors fought for for centuries in one go. You cannot get rid of your story simply by appearing in an elevator like this. So if you keep doing this, the imperialists will win. Do not you understand? The West, Europe, it's not you. You are the Orient, you are Egypt, so act accordingly. Do you want them to win? Do you want that? What about Napoleon's battle at the pyramids when he defeated the Mameluk troops? What about the Cairo Citadel massacre in 1811? What about the traitor to your people, Mehmed Ali? What about the defeated Urabi uprising in 1880? What about the memory of the rape of your country by the British and French imperialists? Have you forgotten it or have you never been told about it? Because if you did, you wouldn't be acting as shamelessly as you did in the library today. Well, I'll calm down. You are certainly old enough to decide for yourself what is good for you and what is not. But don't you also think that your parents would be very unhappy to see how Europe is changing you? Don't you also think that your mother would weep bitterly if you saw her in such an elevator and that your father would stop talking about his daughter with pride? Until recently, your chastity was yours Untouchability is the greatest asset you have. The aloofness the veil made you the most desirable woman in the library. Each of the men present had more respect for you than for the sometimes provocatively dressed Germans who toss their blond hair over their shoulders, jingle their eyes and stalk the carpet on high heels. These German women show off their beauty, they emphasize it and bring it out with makeup. They screechingly announce their sales value and offer themselves and their bodies for sale. Even if these women don't admit it to themselves, little separates them from the whores about whom they like to talk derogatory. They were different from the start. You veiled what the German women make penetratingly visible, and by this veiling you showed more than the German women try to veil with their provocative behavior. You showed that you are an impeccable, pure, flawless and pure woman who belongs to yourself and no one else. In order to bring you closer to the meaning of virginity, I want to tell you about my wife, whom I, as already said, still love. But this love changed completely after I slept with her for the first time. Before the first coitus it had been a physical and sensual love. The sight of her body made my juices boil, and the boiling of these juices was accompanied by a sensual experience that transformed the tough and grueling everyday world into a golden paradise of excitement. I didn't see everything through rosecolored glasses, as they say, but rather I saw a world that had been enhanced by its existence. Through her existence, my wife turned my world, which until then had been considered depraved and poor, into a world that had a divine character. My wife had the strength to give human history a right to exist. With all her beauty she explained the gray rainy weather, she declared wars, famines, human depravity, earthly banality. She balanced these negative things with her beauty. All of these ugly things, I believed, existed for the sole purpose of making my wife's beauty measurable. Just because there was the ugly, I could see the beauty of my wife. In the same way, we can only form a picture of heaven if we also know the picture of hell here. Yin and yang, you understand? But after I had slept with her for the first time, the shine was off. And the more I think about it, yes, the more I come to believe that I have defiled this woman with my earthly instincts. And when you now show yourself to the men of the library in your western, little veiled clothes, then you allow them to indulge in dirty fantasies. And the filth of these fantasies, you must understand that, will eventually rub off on you too. Therefore you have to cover yourself. You are not allowed to expose yourself.

 

Letter 7.

They have won. I give up. If your aim was to dissuade me from my obsession through your Europeanization, then you have succeeded. They pretty much showed everything about themselves and robbed me of my imagination. Now I don't have to and may not imagine what you would look like without the veil, now I know. Now I no longer have any illusions about the shape of your breasts, the color of your skin, the muscles of your legs, because now I have more than just an inkling of the nature of these body parts. Basically, I have to blame myself because you were embarrassed by my obsession and saw no other way out than exposure. You paid the price and you achieved your goal. I no longer find you divine. They are beautiful, yes, but in a mundane way. They no longer differ from the German Egyptians who were born and raised here. Nothing is left of the exoticism of yourself, you have nothing in common with this woman who I saw stepping through the door of the reading room for the first time over two months ago. Are not Scheherezade, not Salammbô, no, I am just an exchange student of Egyptian nationality with the temporary visa, a social security number and a foreign health certificate. Even though I knew from the start that you were just one of my fantasies, I was in love with that fantasy. If you know life on this side of the earth like I do, then all that remains is the flight to the other side, albeit an imaginary one. Life in Egypt, the people there were as far from my life as the moon. I could see everything in this country: my healing, my new life, my thirst for adventure, my will to escape from myself. What remains? What is left for me now, after the escape, who should be you. Well, I have my German wife, I have my German children. I have the rainy days in autumn, the beer in the local pub, my work in the rundown institute. I am left with the life that I know so well that I have stopped looking at it. I don't really see the world I live in anymore! I only see signs that lead me to the same automatisms that I have been exposed to for over fifty years. I only feel impulses and reflexes that cause me to do things that I have already done before. In the deadlock of my existence, any turning to other paths is doomed to failure from the outset, as I cannot drive on any other road than my own. I wish you all the best. This was my last letter. I think it's time to apologize. I had no intention of bothering you. Rather, I was inspired by the will to want to experience something new. And I have to thank you, despite the unfortunate outcome for me. Because for the past two months my life has been more exciting than usual, and I owe that excitement to you. They messed up my emotional life a little and made me forget everyday problems for a while. For a short time I was able to lead a different life in my mind, and this otherness now makes reality a lot more bearable for me. I will always look back on our affair in my mind, and that will make me believe that I experienced something special. I wish you all the best. I wish you a safe journey home, if I am not mistaken, the exchange program will end in two weeks and hope that you have got to know Germany a little too. Who knows, maybe you will come back one day, and then maybe you will think of that old sack who wrote you these bizarre letters when you were in Germany for the first time. Perhaps you will then be able to acknowledge this episode of your life with a smile and forgive me. It was by no means my intention to force you to do anything you did not want. Rather, I was an egoist who forced myself on an exotic woman he did not know in order to create an intimacy that was only onesidedly motivated. While I would like to know what you think about this whole thing, I still prefer to go back to the anonymity from which I so suddenly emerged. One last adieu and do well. But there was neither yesterday nor there is such an Orient today, nor will it be tomorrow!