5.  ©Das Reldiez-Museum zu Berlin 

 

Im letzten Jahr bekam ich ein kleines Büchlein zum Geschenk, welches ich zunächst nur flüchtig, doch dann mit zunehmendem Interesse mehrmals las. Es handelte sich um Berliner Malerpoeten. In diesem Büchlein sind unter anderem Günther Bruno Fuchs und auch Günther Grass vertreten. Doch besonders hatte es mir die Geschichte des Reldiez-Museum von Hans-Joachim Zeidler angetan, den vielleicht nur noch wenige kennen. Und seitdem war es mein größter Wunsch gewesen, dieses Museum einmal kennenzulernen. Und vor einigen Wochen, hatte ich das große Glück, dass mich der Weg nach Berlin führte. Und mein erster Gedanke war natürlich, jenes Museum zu aufzusuchen. Doch da Hans-Joachim Zeidler auch das Zeughaus der Schrebergärten und das Boulettenmuseum erwähnte, beschloss ich, gleichsam als kulturelle Vorspeise, mir diese beiden Sehenswürdigkeiten, als erstes anzu-schauen. Doch hier gab es gleich zwei Enttäuschungen. Trotz eifrigen Suchens und hartnäckigen Fragens, konnte ich das Zeughaus der Schrebergärten nicht finden. Der letzte Urberliner, der es mir hätte sagen können, war leider, wie der Neandertaler, ausgestorben. Das Bouletten-Museum fand ich zwar, doch gehört es jetzt der McDonalds-Kette, so dass ich darauf verzichtete, es zu besuchen. Immerhin glückte es mir, und dies war ja auch mein Haupt-anliegen, das Reldiez-Museum ausfindig zu machen. Wenn es auch nicht so ganz einfach gewesen war. Denn erst in Kreuzberg, fand ich einen alten Türken, der mir in seinem Neudeutsch und gegen ein gutes Bakschisch, den Weg zum Museum zeigte. Habe weder mich, noch den alten Türken gefragt, warum gerade er davon wusste. Anscheinend sind Allahs Wege, in der Tat, unerforschbar. Nun, ich möchte nicht weiter darauf eingehen, worüber Hans-Joachim Zeidler schon in Berliner Malerpoeten, ausführlich berichtet hat, und damit das Reldiez-Museum weit über die Grenzen von Alt-Reinickendorf, wo es sich befindet, bekannt gemacht hat. Erwähnen möchte ich jedoch, dass ich das Glück und auch die Ehre hatte, Ignaz von Reldiez, den Großen Sammler  und Kunstmäzen, zwar nur von weitem, doch persönlich zu sehen. Wenn er auch noch immer, den Umständen entsprechend, sehr rüstig ist so ist doch nicht zu übersehen, dass der Zahn der Zeit, der leider immer noch nicht gezogen werden konnte, auch an ihn genagt hatte. Wenn mir auch Kritik fern liegt, so möchte ich doch meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass weder Hans-Joachim Zeidler, noch eine Zeitung berichtet hat, dass man das Museum erweitert hat. Es konnten nämlich einige Zwischenräume, von denen man vorher nichts wusste, genutzt werden und die noch unbekannten Raritäten, die bis dahin unter Staub gelegen hatten, dem Publikum zugänglich machen. Darüber möchte ich nun, um auch diesen Teil des Museums bekannter zu machen, kurz berichten. Wenn ich auch, was Einfühlungsvermögen und Stil betrifft, weit hinter dem Bericht von Hans-Joachim Zeidler zurückbleibe. Übrigens ist das Reldiez Museum auch heute noch, von jeglichen staatlichen und städtischen Subventionen, ausgeschlossen. Was leider kein gutes Zeichen für Berlin ist. Als ich das Museum betrat, soweit ich feststellen konnte, der einzige Besucher. Doch wurde mir vom Museumsdiener, auf den ich noch zu sprechen komme, glaubwürdig versichert, dass dies eher die Ausnahme, als die Regel sei. Die neuen Räume waren eher nach rein praktischen Gesichtspunkten, für die Sammlung eingerichtet. An den Wänden befanden sich Regale, die hier eine Mannshöhe nicht überragten. In der Mitte nun jeweils ein Großer Tisch, auf dem eine Menge der verschiedensten Gegenstände, jeder mit einem Informationszettel versehen, lagen. Und trotzdem man versucht hatte einen guten Überblick zu geben, schien es doch mehr Gegenstände zu geben, als das Museum verkraften konnte. Schon beim Betreten des ersten Raumes, wäre ich beinahe über einen Gegenstand gestolpert, der sich als ein Teilstück der Himmelsleiter Jacobs entpuppte. Auch lagen in einer Ecke, ein paar unge-duldige Warteschlangen, beträchtlicher Größe. Und es dauerte eine geraume Zeit, bis sich das Auge an die Vielfalt der Dinge gewöhnte. Trotz der Beschriftungen, war der Museumsdiener mit seinen Erklärungen, eine Große Hilfe für mich. So erfuhr ich unter anderem, als ich die Klöppel von Schillers Glocke betrachtete, dass diese schon kurz nach ihrer Fertigstellung, wieder eingeschmolzen und zu einer Kanone gegossen wurde, mit der man auf Spatzen geschossen hatte. Wobei der Museumsdiener hinzufügte, dass es sich nicht um die Dicke Bertha, gehandelt habe. Es ist in der Tat schwierig zu sagen, welches die interessantesten Gegenstände waren; trotzdem einige sofort ins Auge fielen. So das Ei des Columbus, welches, was mir neu war, aus Versehen gebraten wurde. Daneben lagen einige Ton-stücke Johann Sebastian Bachs und des zerbrochenen Kruges, der, na, Sie wissen es selbst. Eine andere Version ist, es sich um den zerbrochenen Krug von Kleist handelt, der ihm als Kind aus den Händen gerutscht war. Trotz der ziemlich guten Übersicht, waren die Gegenstände nicht in Sachgruppen aufgeteilt und dies den Reiz der Ausstellung ausmachte. Da lagen hier zum Beispiel neben den Perlen, welche man vor die Säue geworfen hatte, jetzt allerdings gereinigt, ausgestopfte weiße Mäuse, die Trinker im Delirium gesehen hatten. Dieses wurde umrundet von einem Teufelskreis, aus dem man nicht herauskommt. Da ich gerade von Trinker spreche; auf einem Großen Bild, welches eine ganze Wand in Anspruch nahm, war ein Sarg, mit ein paar Bier und Schnapsfahnen auf Halbmast links und rechts, zu sehen. Ich bemerkte, wie der Museumsdiener sein feuchtes Auge trocknete und heimlich seine wohl tägliche Medizin, aus einer kleinen Flasche nahm. Im Volksmund nennt man diese Dinger, soweit ich unterrichtet bin, Flachmänner. Der Museumsdiener, der übrigens Gustav hieß, musste diese Person gekannt haben. Zu erwähnen ist auch die Schallplattensammlung. Wenn auch klein, so doch sehr interessant. Auf einer, der schon angekratzten Scheiben, befand sich schon in staubbedeckten Rillen, der dreimalige Schrei des Hahns, nachdem Petrus den Herrn verraten hatte. Ebenso auch sein bitteres Weinen, als er hinausging. Auf einer anderen Scheibe, war der letzte Modeschrei zu vernehmen. Ob aus Paris, oder Rom, das konnte mir der getreue Gustav nicht sagen. Ebenfalls war ein Marsch zu hören, den man jemandem geblasen hatte. Besonders in Ehren gehalten, wurde die Schallplatte, mit der Stunde, die uns allen einmal schlägt. Mit einer persönlichen Widmung Hemingways. Auf einen der Tische, waren auch unsere beiden Klassiker aus Weimar vertreten. Ich erkannte sofort Goethes Faust; trotzend und Prometheus geballt. Daneben lag hier ein Handschuh, den nach Schiller, ein Ritter einer edlen Damme ins Gesicht geworfen hatte, anstatt ihn auf Minne Art zu übergeben. Natürlich übermüdet solch ein Rundgang, weil man nicht alles mit gleicher Intensität aufnehmen kann. Doch ich wurde durch den dritten und letzten Raum aufs Großartigste entschä-digt. Gleich neben der Eingangstüre, befand sich die kleine Photoabteilung. Und die Bilder dort, waren wirklich eine Rarität. Da war zum Beispiel das Foto des Weltmeisters im Seitensprung, wie er in Siegerpose, auf dem Treppchen steht. Daneben zwei Aufnahmen die sowohl künstlerisch, als auch aktuell waren. Die erste zeigte eine Großartige Aussicht auf bessere Zeiten, die zweite, dass es keine geben wird. Ferner gab es ein Bild, auf dem Marcel Proust zu sehen war; auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ich wollte Gustav dazu etwas fragen, doch dieser war einige Schritte hinter mir geblieben und nahm wieder einen Schluck Medizin aus seiner kleinen Flasche. In einem Regal lag in einer Schachtel eine Eintagsfliege, welche das biblische Alter von drei Tagen erreicht hatte. Dann bemerkte ich einen Fleischwolf, der meine Aufmerksamkeit erregte. Ich fragte Gustav, was dieser Gegenstand zu bedeuten habe, weil keine erklärende Notiz angebracht war. Er hob seine linke Schulter, und erklärte mir, dass durch diesen Wolf angeblich Rotkäppchen und ihre Großmutter gedreht worden seien. Er selbst glaube es nicht, da die Gebrüder Grimm nichts davon berichtet hätten. Neben dem Fleischwolf, lag der Hans-Wurst; in Scheiben geschnitten. Was wäre noch zu erwähnen? Ja, mehrere Steine, die vom Herzen gefallen waren, nebst einem gebrochenen Fuß. In einer Schachtel, neben dem schon stark verrosteten Ring der Nibelungen, lagen die Schuppen von Heideggers Putz-frau, die ihr von den Augen gefallen waren, als sie den Meister endlich verstanden hatte. Nun, hier werde ich Schluss machen, mit meiner Aufzählung, trotzdem es noch viel zu berichten gäbe. Denn Ignaz von Reldiez ist ein Großer Sammler vor dem Herrn. Bekannt und anerkannt in den Fachkreisen der ganzen Welt. Möge auch diese Sammlung über die Grenzen Alt-Reinickendorfs hinausgehen. Als ich mich wieder draußen befand, wunderte ich mich nicht, dass der alte Türke noch immer auf mich wartete und sich anbot, mir noch mehr Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Doch ich hatte leider dazu keine Zeit mehr, versprach ihm, beim nächsten Male, wenn ich wieder nach Berlin käme, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Und nach einem erneuten üppigen Bakschisch, trennten wir uns, wobei sich jeder wohl sein Teil dachte. Auch dem Museumsdiener Gustav, der so hilfreich gewesen war, gab ich seinen Bak-schisch, damit er sich seine tägliche Medizin kaufen konnte. Ich hoffe, dass diese kleine Geschichte dazu beitragen wird, Berlin noch interessanter zu machen. Falls einer von meinen verehrten Lesern nach Berlin fahren sollte; besuchen Sie das Reldiez Museum, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Auch wenn es schwierig ist, es zu finden. Doch irgendjemand ist da, der hilft, und sei's ein alter Türke...

 

 

 

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5.  ©The Reldiez Museum in Berlin

 

Last year I got a little book as a present, which I read at first only fleetingly, but then several times with increasing interest. They were Berlin painter-poets. Günther Bruno Fuchs and Günther Grass, among others, are represented in this booklet. But I was particularly impressed by the history of the Reldiez Museum by Hans-Joachim Zeidler, which perhaps only a few people know. And since then it had been my greatest wish to get to know this museum once. And a few weeks ago, I was very fortunate that my path led me to Berlin. And of course my first thought was to go to that museum. But since Hans-Joachim Zeidler also mentioned the arsenal of the allotment gardens and the Boulettenmuseum, I decided to look at these two sights first as a cultural starter. But there were two disappoint-ments here. Despite eager searches and persistent questions, I could not find the arsenal of the allotment gardens. The last native Berliner who could have told me, like the Neanderthals, was unfortunately extinct. I found the Bouletten Museum, but it is now owned by the McDonalds chain, so I decided not to visit it. At least I succeeded, and that was my main concern, in locating the Reldiez Museum. Even if it wasn't that easy. Because only in Kreuzberg did I find an old Turk who showed me the way to the museum in his new German and for a good baksheesh. Didn't ask me or the old Turk why he of all people knew about it. Apparently, Allah’s ways are, indeed, inexplicable. Well, I don't want to go into any further details about what Hans-Joachim Zeidler has already reported in detail in Berliner Malerpoeten, and thus made the Reldiez Museum famous far beyond the borders of Alt-Reinickendorf, where it is located. I would like to mention, however, that I was fortunate and honored to see Ignaz von Reldiez, the great collector and art patron, from a distance, but personally. Even if he is still, according to the circumstances, very sprightly, it cannot be overlooked that the ravages of time, which unfortunately still could not be pulled, also gnawed at him. Even if I am far from criticism, I would like to express my astonishment that neither Hans-Joachim Zeidler nor a newspaper has reported that the museum has been expanded. It was possible to use some gaps that were previously unknown, and to make the as yet unknown rarities, which until then had been covered in dust, accessible to the public. I would now like to briefly report on this in order to make this part of the museum better known. Even if I lag far behind Hans-Joachim Zeidler's report in terms of empathy and style. Incidentally, the Reldiez Museum is still excluded from any state and municipal subsidies. Which is unfortunately not a good sign for Berlin. When I entered the museum, as far as I could tell, the only visitor. But I was credibly assured by the museum attendant, to whom I will speak later, that this is the exception rather than the rule. The new rooms were set up for the collection from a purely practical point of view. There were shelves on the walls that were not a man's height here. In the middle there was now a large table on which a lot of the most diverse objects, each with an information sheet, lay. And despite trying to give a good overview, there seemed to be more items than the museum could handle. As soon as I entered the first room, I almost stumbled upon an object that turned out to be part of Jacob's ladder to heaven. Also lay in a corner, a couple of impatient queues, of considerable size. And it took a long time for the eye to get used to the variety of things. Despite the labels, the museum attendant was of great help to me with his explanations. For example, when I looked at the clapper of Schiller's bell, I found out that shortly after its com-pletion, it was melted down again and poured into a cannon, which was then used to shoot sparrows. The museum attendant added that it was not Fat Bertha. Indeed, it is difficult to say what the most interesting items were; nevertheless some caught the eye immediately. Like the egg of Columbus, which, which was new to me, was accidentally fried. Next to it were a few pieces of clay by Johann Sebastian Bach and the broken jug, which, well, you know it yourself. Another version is that it is Kleist's broken jug that slipped out of his hands as a child had slipped. Despite the fairly good overview, the items were not divided into subject groups and this made the exhibition so attractive. For example, next to the pearls that had been thrown in front of the pigs, but now cleaned, there were stuffed white mice that drinkers had seen in delirium. This was surrounded by a vicious circle from which one cannot get out. Since I am talking about drinkers; on a large picture, which took up an entire wall, was a coffin with a few beers and liquor flags at half-mast left and right. I noticed how the museum attendant dried his damp eyes and secretly took his presumably daily medicine from a small bottle. These things are popularly called, as far as I know, flasks. The museum attendant, whose name was Gustav, must have known this person. The record collection should also be mentioned. If small, it is very interesting. On one of the already scratched panes there was already in dust-covered grooves the rooster cry three times after Peter had betrayed the Lord. So did his bitter weeping when he went out. On another disc, the latest fashions could be heard. Faithful Gustav couldn't tell me whether from Paris or Rome. A march that had been blown to someone could also be heard. The record was especially honored with the hour that strikes all of us. With a personal dedication by Hemingway. Our two classics from Weimar were also represented on one of the tables. I immediately recognized Goethe's Faust; defiant and Prometheus clenched. Next to it lay a glove which, according to Schiller, a knight of a noble dame had thrown in the face instead of handing it over in a loving way. Of course, such a tour is exhausting because you cannot absorb everything with the same intensity. But the third and final room made up for me in the greatest possible way. The small photo department was right next to the entrance door. And the pictures there were really a rarity. For example, there was the photo of the world champion in fling, standing on the podium in a winning pose. In addition, two recordings that were both artistic and current. The first showed a great prospect of better times, the second that there won't be any. There was also a picture of Marcel Proust; In Search of Lost Time. I wanted to ask Gustav something about this, but Gustav stayed a few steps behind me and took another sip of medicine from his small bottle. A mayfly that had reached the biblical age of three days lay in a box on a shelf. Then I noticed a meat grinder that caught my attention. I asked Gustav what this item meant because there was no explanatory note. He raised his left shoulder and explained to me that this wolf supposedly turned Little Red Riding Hood and her grandmother. He himself doesn't believe it, since the Brothers Grimm hadn't reported anything about it. Next to the meat grinder was the Hans sausage; cut in slices. What else should be mentioned? Yes, several stones that had fallen from the heart, along with a broken foot. In a box, next to the already heavily rusted ring of the Nibelungs, were the scales of Heidegger's cleaning lady, which had fallen from her eyes when she had finally understood the master. Well, I will end my list here, although there is still a lot to report. Because Ignaz von Reldiez is a great collector before the Lord. Known and recognized in professional circles around the world. May this collection also go beyond the borders of Alt-Reinickendorf. When I was outside again, I was not surprised that the old Turk was still waiting for me and offered to show me more sights. But unfortunately I didn't have the time for that, I promised him that the next time I came back to Berlin, I would use his services. And after another luscious baksheesh, we parted, each thinking his part. I also gave the museum attendant Gustav, who had been so helpful, his baksheesh so that he could buy his daily medicine. I hope that this little story will help make Berlin even more interesting. In case one of my dear readers should go to Berlin; visit the Reldiez Museum so it won't be forgotten. Even if it is difficult to find. But someone is there to help, even if it's an old Turk ...